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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Wehret den Anfängen! (Buchauszug)

Prof. Dr. Anton Latzo (Hrsg.)

 

Die AfD ist als drittstärkste Kraft in den neugewählten deutschen Bundestag eingezogen. Die rassistischen und völkischen Äußerungen ihrer Protagonisten sind nicht nur widerlich, sondern gleichermaßen gefährlich. Noch in den letzten Tagen vor der Wahl am 24. September fügten sie ihrer latenten Hetze neue Sprüche hinzu. »Wir verlieren durch Zuwanderung unsere Heimat« hetzte der beurlaubte hessische Gymnasiallehrer Höcke in Thüringen. Und die AfD-Spitzenkandidatin Weidel teilte mit: »Araber überschwemmen uns«.

So sehr sich die AfD bemüht, als rechtskonservativ-bürgerliche Partei durchzugehen, so sehr die einflussreichen Medienkonzerne diese Bemühungen fahrlässig oder mit Kalkül unterstützen: Der AfD sind faschistoide Tendenzen alles andere als fremd und sie ist vor allem programmatisch offen für neonazistische Kräfte und Entwicklungen. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, die AfD würde im Bundestag »demokratisch eingehegt«. Diese prokapitalistische, antisozialistische und nationalistisch-rassistische Partei wird im Bundestag alles dafür tun, als die konsequenteste Oppositionskraft zu erscheinen. Sie wird also darum ringen, dass ihre völkisch-rassistische Demagogie aus den Talkshows der Wahlkampfzeit den Einzug in das oberste deutsche Parlament ebenso hält wie dies bereits in 13 Länderparlamenten und vielen Kommunalvertretungen der Fall ist. Das ist kein vorübergehendes Phantom. Das ist schon ein kultureller Dammbruch, und als solcher muss er behandelt werden. Das Entscheidende im Kampf gegen die Rechte bleibt, dass für die große Mehrheit im Lande, die den kapitalistischen Ausbeutungsverhältnissen ausgesetzt ist, eine linke Oppositionskraft wahrnehmbar ist und bleibt. Deren Hauptverantwortung ist außerparlamentarisch wie parlamentarisch die antifaschistische, antirassistische Aktion mitzutragen und zugleich aufzuklären über die Ursachen für faschistoide und faschistische Entwicklungen. In diesem Sinne verweisen wir auf den Artikel »Neue Fassade, alter Geist« von Werner Seppmann (junge Welt vom 8. September 2017, S. 12 – Thema) und nachfolgend auf das gerade erschienene, von Prof. Anton Latzo herausgegebene Buch »Wehret den Anfängen«.

Die AfD ist ein Phänomen. Aber ist sie auch eine unerklärliche Erscheinung? Gegründet von rechtskonservativen, nationalistischen Herren, von denen viele einen Professorentitel tragen, scheint sie nunmehr, unter Missbrauch der Verarmten und Abgehängten sowie prekarisierten Mittelschichten, die meinen, »denen da oben« eins auswischen zu können, massenkompatibel zu sein. Mittlerweile ist sie in dreizehn Landtagen vertreten und wird aller Voraussicht nach auch in den Bundestag »einmarschieren«. Wehret den Anfängen! klärt und deckt auf. Es analysiert fundiert die Quellen, Personen und Ziele der AfD, weist ihre Verbundenheit zum Kapital nach und verdeutlicht ihr Ansinnen, die nationalkonservative Linie in Deutschland fortzusetzen. Der Herausgeber und die Autoren schärfen den Blick für gegenwärtige Entwicklungen in der Politik und die sich daraus ergebenden Gefahren eines massiven Rechtsschwenks in der Bundesrepublik – und europaweit. Denn: Wir sind nicht allein – der Rechtsextremismus wird zum gesamteuropäischen Problem.

Eine unverzichtbare Argumentationshilfe für alle, die Stellung beziehen wollen, und ein engagiertes Plädoyer für ein entschiedenes politisches Entgegentreten (Hintere Umschlagseite)

 

Uli Jeschke: »Warum müssen wir die AfD ernst nehmen?«

Fruchtbarer Boden? [...] Schauen wir uns einmal die soziale und politische Situation der Bundesrepublik Deutschland in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren an, um zu begreifen, wo der, wie ich es nenne, »soziale Humus« herkommt, auf den die demagogisch verfremdeten AfD-Losungen fallen, um darauf Blüten zu treiben.

Der Focus berichtete im Juli 2016 über das Leben in der Bundesrepublik unter dem Titel »›Gut leben in Deutschland‹ Studie zeigt: So gut geht es den Deutschen« und konstatierte, dass es uns gut geht, die Wirtschaft boomt und die Arbeitslosigkeit sinkt. Ähnlich klingt das in den Reden der in der Regierungsverantwortung stehenden Parteien. Immerhin leben wir, je nach Rechnung, im zweit-, dritt- oder viertreichsten Land der Erde. Ein bisschen klingt das wie der bekannte Witz von dem Teich, der im Durchschnitt nur einen Meter tief war, und trotzdem ist die Kuh, die man durchgetrieben hat, ertrunken.

Denn stellt man den Armutsbericht dagegen, muss man erkennen, dass von rund 31 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2017 in der BRD mehr als 7,5 Millionen Minijobber sind, 1 Million Leiharbeiter und die Arbeitslosenzahl offiziell 2,8 Millionen Menschen umfasst. Nun, das sind die offiziellen Zahlen. Wie auf tagesschau.de vom 15. Juni 2016 nachzulesen ist, sind die Statistiken jedoch geschönt, bei den Arbeitslosen kann man getrost noch einmal 800.000 bis 900.000 Menschen dazuzählen, denn alle in »Maßnahmen« Vermittelte zum Beispiel fallen nicht in die Statistik, oder auch die jahrelang geübte Praxis, ältere Empfänger von ALG II (Hartz IV) vorzeitig mit Abzügen in die Rente zu zwingen, wirkt sich beschönigend auf die Statistik aus. Wir können also mit Fug und Recht davon ausgehen, dass jeder dritte Werktätige in irgendeiner Weise nicht am »Reichtum« des Landes partizipiert. [...]

Es gibt also jede Menge Unzufriedener, Abgehängter und zu kurz Gekommener in diesem reichen Land. Da wir nicht davon ausgehen können, dass jeder von ihnen seine ganz persönliche Situation präzise analysiert und dahinterkommt, wer tatsächlich Verantwortung dafür trägt, ist diese nicht kleine Gruppe von Menschen anfällig für einfache Lösungen und demagogische Losungen. Insofern ist die AfD zwar nicht Veranstalter von Pegida (Dresden), Legida (Leipzig), Bogida (Bonn), Dügida (Düsseldorf) oder auch von PRO NRW und anderen rechtslastigen Demonstrationen, aber sie stellen immer wieder Redner und können mit ihren Reden und programmatischen Aussagen als auch durch ihr politisches Handeln sicher als geistige Wegbereiter gelten.«

Doch nicht nur die Schere zwischen Armut und Reichtum ist eine Nährlösung für die Ausbreitung nationalistischen, chauvinistischen und rassistischen Giftes. Auch das trägt dazu bei: »Wir Gesamtdeutschen sind wieder wer« in der Welt und haben mitgemacht im völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg und schicken »uns« nun an, im »weltweiten Kampf gegen den Terror« ein größeres Wörtchen mitzureden. (Seiten 17-19)

 

Anton Latzo: Die Partei »Alternative für Deutschland« – woher kommt sie, wohin geht sie?

Kräfte und Personen [...] Ein Blick auf die Liste der führenden Köpfe der AfD genügt, um ihre enge Verbindung zu den Monopolen und zu den Regierenden sowie die engen Beziehungen zu führenden Funktionsträgern und zu Strömungen in der CDU/CSU zu erkennen.

Schon die Gründer der Partei sind sehr eng mit dem Kapital, mit der Wirtschaft verbunden. Hans-Olaf Henkel, der mit Alexander Gauland, Bernd Lucke und anderen die AfD gegründet hat, war zum Beispiel seit 1962 in verschiedenen Funktionen für IBM Deutschland (International Business Machines Corporation) zu Diensten. Zuletzt, bis Dezember 1994, war er sogar Chef der IBM Europa, Mittlerer Osten und Afrika mit Sitz in Paris. Von 1995 bis 2000 war er Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Zugleich war er Mitglied der Aufsichtsräte von Bayer AG, Continental AG, Daimler Luft- und Raumfahrt AG, Ringier AG Schweiz und anderen sowie Bankenberater. Die politischen Aktivitäten eines solchen Menschen losgelöst von seiner Berufsbiographie bewerten zu wollen, grenzt an zumindest leichtfertigem Verhalten. [...]

Eine wichtige Quelle für die Rekrutierung von Führungspersonal ist die Bundeswehr, das Militär. Der Anteil ehemaliger sowie aktiver Militärs an der Führung der AfD hat stark zugenommen. Militärs sind zunehmend daran beteiligt, den Masseneinfluss der Partei zu erhöhen und militaristische Züge im Programm und in der Politik der AfD zu verankern. Kader, die mit der Bundeswehr verbunden sind, gibt es in allen Landesverbänden. (Seiten 32-37)

 

Arne Brix: Junge Alternative für Deutschland?

Ein Versuch, Konzept und Politik der Jugendorganisation der AfD darzustellen […] Der österreichische Jugendforscher Philipp Ikrath zeichnet für den Erfolg der neuen rechtspopulistischen Formationen in Europa auch die in ihrem Umfeld angesiedelten Jugendbewegungen verantwortlich, die sich als aufsässig und revolutionär inszenieren würden: »Wie die 68er sehen sie sich als die einzige Opposition, die sich traut, gegen das System aufzustehen. Die FPÖ ist in Österreich auch deshalb auf dem Weg zur Volkspartei, weil sie sich jugendlich und tatkräftig gibt, mit vielen jungen Leuten in vorderster Reihe. So strahlt sie in bürgerliche und sogar in intellektuelle Kreise aus.« (Zeitmagazin 5/2016 auf www.zeit.de) […]

Die »Junge Alternative« befürwortet einen strengeren Umgang mit Gewaltverbrechern und setzt auf ein Null-Toleranz-Prinzip bei der Bekämpfung von Kriminalität. Zuwanderer sollen erst nach fünf Jahren des Einzahlens in das deutsche Sozialsystem einen Anspruch auf Sozialleistungen erhalten. Sie fordert ein striktes Burkaverbot und richtet sich gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands. Die »Junge Alternative« fordert ebenso eine europäische »NO WAY«-Kampagne, die Flüchtlinge schon in Afrika davon abhalten soll, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Asylanträge sollen zukünftig in sicheren Drittstaaten, möglichst noch in Afrika, gestellt (und vor allem dort auch abgelehnt) werden können. Und Asylbewerber, die das europäische Festland erreichen, sollen ebendort bis zur abschließenden Bearbeitung ihres Verfahrens untergebracht werden.

Abgelehnte Asylbewerber sind, soweit sie sich in Europa aufhalten, unverzüglich in ihre Herkunftsstaaten abzuschieben. Die »Junge Alternative für Deutschland« tritt dafür ein, dem salafistischen Islamismus im Nahen und Mittleren Osten durch Bildung einer geopolitischen und -strategischen Allianz zwischen Deutschland und den säkularen, schiitischen oder gemäßigt sunnitisch regierten Staaten entschieden entgegenzutreten. So sollen mit dem Libanon, Syrien, Irak und dem Iran entsprechende politische, wirtschaftliche und militärische Kooperationen geschlossen werden. Gegebenenfalls sollen andere europäische Staaten in die Allianz miteinbezogen werden (www.jungealternative.com).

Aus einer linken Perspektive heraus kann damit festgestellt werden, dass die »Junge Alternative« sich entgegen ihrer Selbstverortung eigentlich nicht weit vom politischen Mainstream der Regierungsparteien in Deutschland befindet und dessen Ziele und Programmatik lediglich drastisch ausformuliert und radikalisiert. (Seiten 94-96)

 

Anton Latzo (Hrsg.): Wehret den Anfängen! Mit Beiträgen von Uli Jeschke, Anton Latzo, Ekkehard Lieberam, Ellen Brombacher, Arne Brix, Johanna Scheringer-Wright. edition berolina, 2017, 144 Seiten, 9,99 Euro.

 

Mehr von Anton Latzo in den »Mitteilungen«:

2017-01: Partei »Alternative für Deutschland« – wo führt das hin? (Archiv)

2016-07: Der Überfall des faschistischen Deutschland auf die Sowjetunion und die Westmächte 1941

2016-03: Positionen und Verhalten der USA