Was sie reden, Was sie tun: DIE GRÜNEN
Bücherbord
"Die Grünen sind ein Motor des neokonservativen Rollbacks". Zu diesem Urteil kommt die Mitbegründerin der Grünen und politische Aktivistin Jutta Ditfurth in ihrem neuesten Buch. Dieses wichtige und interessante Buch kommt zu einer Zeit, in der die Grünen traumhafte Wahl- und Umfrageergebnisse erzielen und von sich scheinbar erfolgreich behaupten, eine politische Alternative in diesem krisengeschüttelten Land zu sein.
In Berlin liegen die Grünen in Umfragen derzeit bei bis zu 30 Prozent und schaffen es, nach dem Atomunglück in Japan sowohl Teile des alternativen Spektrums als auch neue konservative Wählerschichten anzusprechen. Für diesen Spagat steht auch die Weigerung ihrer Berliner Spitzenkandidatin, Renate Künast, sich eindeutig politisch festzulegen. Droht der Stadt nach den Wahlen im September nun eine schwarz-grüne Regierung?
Für Jutta Ditfurth ist dieses politische Geeiere nicht erstaunlich. Sie weist nach, daß spätestens nach dem Austritt vieler progressiver Mitglieder aus der Partei Anfang der 90er Jahre die Realos um Joseph Fischer eine zum Teil schwindelerregende Anpassung an den gesellschaftlichen Mainstream in der Partei durchsetzten. Jutta Ditfurth zeigt, wie ehemals sich als links verstehende AktivistInnen durch Pöstchenvergabe immer mehr in die herrschende Politik dieses Landes eingebunden wurden.
Das Buch steuert viele Fakten bei, die die Grünen heute gerne in Vergessenheit geraten lassen. Zum Beispiel ihre Konflikte mit der Anti-AKW-Bewegung während der rot-grünen Regierungszeit, als sich der damalige Umweltminister Jürgen Trittin mit barschen Worten von den Aktionen gegen die Castor-Transporte distanzierte. Heute drängeln sich Claudia Roth und Jürgen Trittin bei Anti-AKW-Demonstrationen wieder mediengerecht in die erste Reihe.
Jutta Ditfurth zeichnet anhand vieler grüner Biographien nach, wie sich die führenden Köpfe der Partei als BeraterInnen der Atomlobby und des transatlantischen militärisch-industriellen Komplexes einkaufen ließen. Anhand dieser Beispiele erklärt das Buch den Wandel der Grünen von einer linksökologischen zu einer neokonservativen Partei, die auch vor Kriegen als Mittel der Politik nicht zurückschreckt. Wie im Falle Jugoslawiens oder Libyens haben die Grünen unter dem Mantel des "Kampfes für Menschenrechte" sogar die Liberalen und Konservativen als kriegstreibende Kraft überholt. Die Grünen hatten und haben keine Schwierigkeiten, daß Tausenden von Zivilisten von NATO-Bomben das Menschenrecht auf Leben genommen wird.
Während es in den 80er Jahren in der Partei noch Mehrheiten für den Kampf um mehr soziale Gleichheit und gegen den Kapitalismus gab, sind die Grünen spätestens mit ihrer Unterstützung der Hartz-Gesetze "zu einer Partei der sozialen Ungleichheit geworden, die die ökonomischen Interessen eines Teils der mittleren und gehobenen Mittelschicht sowie der Reichen gegen die sozial Schwächeren verteidigt". (Zitat aus dem Buch)
Carsten Schulz, aus: "Die Lupe", 5/2011
Jutta Ditfurth: "Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, Was sie tun: DIE GRÜNEN", Rotbuch Verlag, Berlin 2011, 288 Seiten, ISBN 978-3-86789-125-7.
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