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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vor sechzig Jahren – Die USA brechen ihre Beziehungen zu Kuba ab

Prof. Dr. Norman Paech, Hamburg

 

Als die USA am 3. Januar 1961 ihre diplomatischen Beziehungen zu Kuba abbrachen, war ihre Geduld mit dem neuen Regime in Havanna zu Ende. Genau zwei Jahre zuvor, am Neujahrstag 1959 hatte der mafiose Fulgencio Battista die Insel gen Dominikanische Republik verlassen und den Kampf gegen die Rebellen der »Bewegung 26. Juli«, Fidel Castro, Raul Castro, Ché Guevara und Camilo Cienfuegos aufgegeben. Diese zogen wenige Tage später im Triumph in Havanna ein und begannen ohne Umschweife mit der Umsetzung ihres revolutionären Programms. [1] Am 17. Mai 1959 verkündeten sie das erste Agrarreformgesetz, welches den Grundbesitz über 400 Hektar zur Enteignung vorsah. So maßvoll der Eingriff in den Großgrundbesitz der vorwiegend US-amerikanischen Eigentümer auch war, die USA sahen darin zu Recht nicht nur den Angriff auf ihre luxuriösen Latifundien und profitablen Zuckerrohrplantagen auf Kuba, sondern zugleich die Herausforderung der westlichen demokratischen Werteordnung, wie sie ihren imperialen Herrschaftsanspruch nannten. Die USA protestierten umgehend und verlangten Entschädigung nach der alten von den alten Kolonialmächten entwickelten Formel einer »prompten, adäquaten und effektiven Entschädigung«. Die kubanische Regierung lehnte das Ansinnen angesichts der jahrzehntelangen Ausbeutung durch die Zuckerbarone und die Verluste des Befreiungskrieges ab – und damit begann der Wirtschaftskrieg der USA gegen Kuba, der bis heute andauert.

Die Regierung Eisenhower setzte dort an, wo die kubanische Wirtschaft am verwundbarsten war, beim Zucker. Der Zuckerexport machte 1958 25 Prozent des kubanischen Bruttoinlandsprodukts aus, und 80 Prozent der Exporte in die USA bestanden aus Zucker. Nixon hatte schon im September 1959 eine umfassende Quarantäne gegen Kuba vorgeschlagen. Diese Idee griff Eisenhower jetzt auf und verhängte in der Folgezeit eine totale Blockade über Kuba, um die Revolutionäre auszuhungern. Nachdem er sich Anfang 1960 vom Kongress die Vollmacht geholt hatte, die Kuba eingeräumte Importquote zu reduzieren, kürzte er im Juli 1960 die Zuckerquote um 700.000 Tonnen und setzte sie im Dezember 1960 auf Null.

Verstaatlichungen im Wirtschaftskrieg

Doch die junge kubanische Regierung blieb bei der Agrarreform nicht stehen. Als die großen US-amerikanischen Ölfirmen, Shell, Esso und Texaco sich weigerten, sowjetisches Öl zu raffinieren, zögerte die Regierung nicht und enteignete die Firmen noch im Juni 1960. Die US-Regierung mobilisierte die »Organisation Amerikanischer Staaten« (OAS), die die Nationalisierungen in ihrer »Deklaration von San José« als »Versuch der sino-sowjetischen Mächte, die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in einem amerikanischen Staat für ihre Zwecke auszunutzen«, verurteilte. Zugleich verhängte sie über alle US-Produkte ein Exportverbot, ausgenommen nur Medikamente und nicht-subventionierte Nahrungsmittel. Die kubanische Regierung ließ sich nicht schrecken, bis Oktober 1960 hatte sie sämtliche US-amerikanische Firmen enteignet und verstaatlicht.

Das Tischtuch zwischen den USA und ihrer einstigen Luxus-Kolonie war endgültig zerschnitten, eine diplomatische Vertretung überflüssig und der Abbruch der Beziehungen im Januar 1961 nur folgerichtig. Denn die neue Kennedy-Regierung hatte schon damit begonnen, Exilkubaner und Söldner für eine mögliche Invasion auf der Insel zu trainieren. Zwar verkündete Kennedy noch am 12. April, dass er keine Invasion gegen Kuba aus den Vereinigten Staaten zulassen werde. Aber schon drei Tage später am 15. April bombardierten B-26 Flugzeuge San Antonio de los Baños, Havanna und Santiago de Cuba. Sie sollten den Luftschirm für die nachfolgende Invasionstruppe »Brigade 2506« von 150.000 »Patrioten« bilden, die am gleichen Tage die Küste Kubas erreichten. Fidel Castro hatte immer schon mit einem Überfall gerechnet und bereits im Mai 1960 auf einer öffentlichen Versammlung vor einer Intervention gewarnt. Die Kubaner waren gut vorbereitet, sodass die Invasoren innerhalb von drei Tagen in der »Schweinebucht«, wo sie gelandet waren, geschlagen wurden. Eine herbe Niederlage für den jungen John F. Kennedy zu Beginn seiner Präsidentschaft. Er brauchte ein Jahr und acht Monate sowie 500 Traktoren als Entschädigung, um die 1.113 Gefangenen wieder nach Miami zurückzubringen. Aber seine Invasionspläne gab er dennoch nicht auf. Die US-Administration begriff wohl, dass ein Wirtschaftskrieg mit Blockade und Sanktionen allein diese revolutionäre Regierung in Havanna nicht stürzen konnte. Sie setzte trotz der blamablen Niederlage in der »Schweinebucht« auf ihre überlegene Militärmacht, der kein Staat in ihrem Hinterhof standhalten konnte.

Kennedy plante weitere Invasion

Als am 22. August 1962 die CIA von verstärkten Aktivitäten der Sowjets auf Kuba berichtete, kam sogleich der Verdacht auf, dass dies nur Vorarbeiten für die spätere Stationierung von Mittelstreckenraketen sein könnten. Kennedy lud am folgenden Tag seinen engsten Beraterkreis ein, um unter strengster Geheimhaltung die Lage zu analysieren. »Das Problem Kuba sollte so schnell wie möglich und gewaltsam aus der Welt geschafft werden. Von politisch-diplomatischen Initiativen ist im Beschlussprotokoll mit keinem Wort die Rede. Eindeutig war ein Wendepunkt in der amerikanischen Kubapolitik erreicht. Von diesem Zeitpunkt an kam es zu einer Radikalisierung und Militarisierung. Sieben Wochen vor den ersten Luftaufnahmen und drei Wochen vor dem ersten Entladen der ersten Raketen in kubanischen Häfen begann der Countdown. Jetzt war für Washington der Zeitpunkt gekommen, um die sozialistischen Kräfte aus dem politischen Leben Kubas zu verbannen. Mit jeder Ladung neuer Gewehre verschlechterten sich nämlich die Aussichten auf eine erfolgreiche Konterrevolution.« [2]

Und so beantragte Kennedy Anfang September 1962 beim US-Kongress die Ermächtigung, 150.000 Reservisten einzuberufen mit der offiziellen Begründung zum Schutze Berlins. Es war jedoch vollkommen klar, dass diese Reservisten für eine erneute Invasion auf Kuba rekrutiert werden sollten. Denn schon knapp drei Wochen später am 26. September 1962 ließ er sich vom Kongress in einer »Joint Resolution« das Recht erteilen, auf Kuba zu intervenieren, wenn von dort aus eine Gefahr für die Sicherheit der USA ausgehen sollte. Diese Aktualisierung der Monroe-Doktrin sollte als »Kennedy-Doktrin« [3] den Geschichtsbüchern überliefert werden, wonach »das Eindringen einer offensiv-bedrohlichen fremden militärischen Macht in Kuba ... als unmittelbare Bedrohung der Sicherheit der Vereinigten Staaten und Amerikas angesehen« werden muss.

Heutiger Wirtschaftskrieg soll Kubas wachsendes Ansehen schwächen

Schon vier Wochen später trat diese kritische Situation für die US-Administration ein, als detailliert Luftaufnahmen von Raketen und Abschussvorrichtungen vorgelegt wurden. Der anschließende »Ritt auf der Rasierklinge« der beiden Atommächte und der friedliche Ausgang in letzter Minute wären an sich eine Erfahrung und ein Anlass gewesen, ein neues Kapitel in der Politik gegenüber Kuba aufzuschlagen. Eine offene militärische Intervention hat es seitdem in der Tat nicht mehr gegeben. Aber zahllose Versuche, Fidel Castro zu töten, Anschläge auf Hotel- und Ferieneinrichtungen, um dem Tourismus zu schaden, Sabotageakte und Vernichtung von Ernten, permanente Verletzung der territorialen Integrität – derartige Beziehungen sind alles andere als friedlich und haben die kubanische Gesellschaft nie zur Ruhe kommen lassen. Der Wirtschaftskrieg hat mit Boykott und Sanktionen nie eine Pause eingelegt und ist unter Präsident Trump sogar noch verschärft worden. Er hat der kubanischen Wirtschaft unermesslichen Schaden zugefügt und die Entwicklung des Landes immer wieder verzögert. Doch eines hat er nicht vermocht, »die sozialistischen Kräfte aus dem Land zu verbannen«. Wenn die USA dennoch, ob mit einer demokratischen oder republikanischen Regierung, ihren Wirtschaftskrieg nicht beenden, so nicht etwa wegen der Hoffnung, doch noch Regierung und System in Kuba zu stürzen, sondern um es nachhaltig zu schädigen und damit seine Strahlkraft auf die anderen Gesellschaften Latein- und Südamerikas zu schwächen. Alljährlich wird diese Politik in der UNO als völkerrechtswidrig verurteilt. Das Votum ist fast einstimmig, an der Seite der USA verbleiben nur Israel und der eine oder andere Ministaat, jüngst auch Bolsonaros Brasilien. Eine derart zynische Arroganz der Macht ist nur möglich auf Grund der Schwäche der übrigen Welt und insbesondere der EU. Die USA kämpfen an vielen Plätzen in der Welt um ihre Vorherrschaft. Gemessen an China oder Russland ist Kuba nur ein kleiner Kampfplatz, aber von großer politischer und moralischer Bedeutung, die wir nicht mit Gleichgültigkeit übersehen dürfen.

 Hamburg, 24. Dezember 2020

 

Anmerkungen:

[1]  Vgl. Frank Niess, Der Koloss im Norden. Geschichte der Lateinamerikapolitik der USA, Köln 1984, S. 243 ff.

[2]  Bernd Greiner, Kuba-Krise, Nördlingen, 1988, S. 25.

[3]  Knud Krakau, Die Kubanische Revolution und die Monroedoktrin, Eine Herausforderung der Außenpolitik der Vereinigten Staaten, Frankfurt a. Main, 1968, S. 168.

 

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