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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vor 90 Jahren: Gründung der KPD

Prof. Dr. sc. Heinz Karl, Berlin

 

Als am 4. August 1914 die sozialdemokratische Reichstagsfraktion die Kriegskredite bewilligte, faktisch ein Bündnis mit der kaiserlichen Regierung und der Generalität einging, wurde die tiefe Krise offenbar, in die die größte, angesehenste und scheinbar erfolgreichste Partei der II. Internationale geraten war. Unter den Gegnern dieser Entwicklung begann die Suche nach einem Ausweg aus der eingetretenen Katastrophe und nach Klarheit über deren Ursachen. Liebknechts "Nein!" im Reichstag am 2. Dezember 1914 wirkte wie ein Befreiungsschlag. Entschiedene Unterstützung fand er aber nur bei den Linken um Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Franz Mehring. Sie gaben im April 1915 die Zeitschrift "Die Internationale" heraus (deshalb "Gruppe Internationale"), seit Januar 1916 die (illegalen) "Spartacus"-Briefe ("Spartakusgruppe").

Nachdem im Dezember 1915 und März 1916 außer Liebknecht und Otto Rühle (der sich ihm im März 1915 angeschlossen hatte) weitere 18 Abgeordnete gegen die Kriegskredite gestimmt hatten, wurden sie aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen und bildeten die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft. Im Januar 1917 wurden diese, die Spartakusgruppe und andere oppositionelle Gruppierungen aus der Partei ausgeschlossen. Daraufhin trat im April 1917 in Gotha eine Reichskonferenz der sozialdemokratischen Opposition zusammen und gründete die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD).

Die Partei war sehr heterogen; in ihr waren alle Strömungen der Sozialdemokratie – von den revolutionären Linken bis zu Revisionisten – vertreten. Gemeinsamer Nenner war im wesentlichen die Ablehnung des imperialistischen Krieges und der Burgfriedenspolitik. Die neue Partei litt vor allem an zwei Schwächen: Zum einen orientierte sie nicht auf praktische Aktionen der Massen; zum anderen scheute sie die prinzipielle Auseinandersetzung mit der Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie, die zum 4. August und zur Burgfriedenspolitik geführt hatte.

Aber trotz dieser Defizite war die Gründung der USPD ein wichtiger Schritt nach vorn. "Nun gab die Existenz einer konkurrierenden legalen Partei, der USP, den Arbeitern die Chance, ihre Abwendung von der Politik des ‚Burgfriedens’ offen zu zeigen." /1/ Deshalb schloß sich auch die Spartakusgruppe als politisch-ideologisch selbständige, als organisierte politische Richtung der USPD an. Sie war bestrebt, diese "vorwärtszutreiben", vermochte jedoch keinen bestimmenden Einfluß auf sie zu nehmen. Immer hemmender wirkte sich aus, daß ein entscheidender Faktor für systematisches politisches Wirken fehlte – Karl Liebknecht nannte ihn: die "unterirdische – für Polizei u. Militärdiktatur unerreichbare, unfaßbare Organisation!!" /2/

Von der Spartakusgruppe ...

Angesichts der Entwicklung einer revolutionären Krise im Herbst 1918 beriet Anfang Oktober eine illegale Reichskonferenz in Berlin über Situation und Aufgaben. An der Konferenz nahmen auch Vertreter der revolutionären Strömung teil, die vor allem in und um Bremen, Hamburg und Dresden wirkte, sich selbst als "Linksradikale" bezeichnete und sich nicht der USPD angeschlossen hatte. Die Oktober-Konferenz forderte u.a. Freilassung der politischen Gefangenen, Aufhebung des Belagerungszustandes, Enteignung des Bankkapitals, der Bergwerks- und Hüttenbesitzer, Verkürzung der Arbeitszeit, Demokratisierung des Heerwesens und Abschaffung der Einzelstaaten und Dynastien. Im Kampf um diese Forderungen sollte die revolutionäre Bewegung entfaltet werden.

Nach aktiver Teilnahme an den revolutionären Aktionen Anfang November konstituierte sich die Spartakusgruppe auf einer Beratung am 11. November in Berlin als "Spartakusbund". Sie wählte eine Zentrale (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring, Leo Jogiches, Ernst Meyer, Hermann und Käte Duncker, Wilhelm Pieck, Hugo Eberlein, August Thalheimer, Paul Levi, Willi Budich und Paul Lange) und gab die von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg geleitete "Rote Fahne" heraus.

In dieser erschien am 14. Dezember unter dem Titel "Was will der Spartakusbund?" der von Rosa Luxemburg verfaßte Programmentwurf, der dann vom Gründungsparteitag ohne wesentliche Änderungen angenommen wurde.

Nach dem Reichsrätekongreß, auf dem sich die opportunistischen, antirevolutionären Kräfte durchgesetzt hatten, berief die Spartakus-Zentrale zum 29. Dezember eine Reichskonferenz nach Berlin ein. An ihr nahmen auch die Vertreter der Linksradikalen teil, die sich in Internationale Kommunisten Deutschlands umbenannt und die Vereinigung mit dem Spartakusbund beschlossen hatten.

Die Konferenz wurde durch eine freiwillige Wachmannschaft aus Angehörigen der Volksmarinedivision militärisch gesichert. Leo Jogiches, der organisatorische Kopf des Spartakusbundes, in jahrzehntelangem Ringen mit dem zaristischen Polizeiapparat zum "Meisterkonspirateur" geworden, unterzog jeden der eintreffenden Delegierten einer eingehenden Befragung, um die Konferenz vor Spitzeln und Provokateuren zu schützen.

... zur KPD

Die Reichskonferenz beschloß gegen drei Stimmen die organisatorische Trennung von der USPD und die Gründung einer eigenen Partei. Am 30. Dezember setzte sie ihre Beratungen als Gründungsparteitag fort und faßte den Beschluß über die Gründung der KPD (Spartakusbund). Zuvor hatte Karl Liebknecht in seinem Referat "Die Krisis in der USP" dargelegt, daß angesichts der Politik der USPD in der Revolutionszeit, insbesondere ihrer Regierungstätigkeit, und der Verweigerung eines außerordentlichen Parteitages ein weiteres Verbleiben des Spartakusbundes in der USPD nicht möglich sei.

"Der revolutionäre Vortrupp des deutschen Proletariats hat sich zu einer selbständigen politischen Partei zusammengeschlossen", urteilte Rosa Luxemburg unmittelbar nach dem Gründungsparteitag, und sie fügte hinzu, dies sei "nur der Anfang eines ganz selbstverständlichen, unaufhaltsamen Prozesses der Vereinigung aller wirklich proletarischen und revolutionären Elemente in einem organisatorischen Rahmen". /3/ Das heißt, der Gründungsparteitag verstand sich als Ausgangspunkt, als Impuls zur Gewinnung aller revolutionären Sozialisten, vor allem der Mitglieder der USPD, in einer handlungsfähigen marxistischen Massenpartei, die tatsächlich als revolutionäre Vorhut der Arbeiterklasse wirken konnte. In diesem Sinne wurde während des Parteitages mit einer Delegation der revolutionären Obleute und Vertrauensleute der Großbetriebe Berlins über ihren eventuellen Anschluß an die KPD verhandelt, jedoch ohne Ergebnis.

Die im Raum stehende Frage, ob die Trennung von der USPD und Konstituierung als selbständige kommunistische Partei herangereift oder verfrüht war, ist wohl kaum eindeutig zu beantworten. Karl Liebknecht und die überwiegende Mehrheit der Zentrale des Spartakusbundes drängten seit Wochen auf die Parteigründung. Leo Jogiches war entschieden dagegen, Clara Zetkin zumindest bis Mitte November. (Ihre sehr dezidierte Stellungnahme ist vom 17. November, einem sehr frühen Zeitpunkt.) Rosa Luxemburg schloß sich erst gegen Ende Dezember der Meinung der Mehrheit an. Für die Position Jogiches/Zetkin sprach, daß der Spartakusbund auch innerhalb der USPD als eigenständige politische Kraft versuchen konnte, im Sinne einer Linksentwicklung wirksam zu werden. Für die Position der überwiegenden Mehrheit sprach, daß die Zugehörigkeit zur USPD Illusionen über deren Politik (die der Spartakusbund kaum zu beeinflussen vermochte) und Wesen erzeugen mußte und der Spartakusbund ständig Gefahr lief, unkenntlich zu werden und den Klärungsprozeß nicht zu fördern, sondern zu hemmen.

Die Menschheit retten - den Kapitalismus abschaffen!

Der Parteitag hat Standort und Aufgaben der neuen Partei klar bestimmt. Mit dem Weltkrieg "hat die bürgerliche Klassenherrschaft ihr Daseinsrecht verwirkt" /4/, heißt es in dem von Rosa Luxemburg verfaßten Parteiprogramm. Auf dem Parteitag hat sie in ihrem Programmreferat diesen Gedanken weiter ausgeführt: "den Kapitalismus aus der Welt zu schaffen ... ist heute überhaupt die einzige Rettung für den Bestand der menschlichen Gesellschaft." /5/ Rosa Luxemburg beantwortete damit eindeutig und richtig die Frage, ob die gesellschaftliche Entwicklung reif für den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus sei.

Das Parteiprogramm hat diese rettende Alternative deutlich umrissen, aber ebenso die ungeheure, atemberaubende Dimension und Problematik ihrer Realisierung. "Die Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung ist die gewaltigste Aufgabe, die je einer Klasse und einer Revolution der Weltgeschichte zugefallen ist." /6/ Gegen sie "erheben sich ... alle Kapitalisten, Junker, Kleinbürger, Offiziere, alle Nutznießer und Parasiten der Ausbeutung und Klassenherrschaft wie ein Mann zum Kampf auf Leben und Tod." /7/ Rosa Luxemburgs folgende Ausführungen sind von besonderer, prinzipieller Bedeutung, weil sie eine unmißverständliche Absage an jegliche reformistischen Illusionen betreffend den Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus darstellen:

"Es ist ein toller Wahn, zu glauben, die Kapitalisten würden sich gutwillig dem sozialistischen Verdikt eines Parlaments, einer Nationalversammlung fügen, sie würden ruhig auf den Besitz, den Profit, das Vorrecht der Ausbeutung verzichten. Alle herrschenden Klassen haben ... Ströme von Blut vergossen, sie sind über Leichen, Mord und Brand geschritten, sie haben Bürgerkrieg und Landesverrat angestiftet, um ihre Vorrechte und ihre Macht zu verteidigen.

Die imperialistische Kapitalistenklasse überbietet als letzter Sproß der Ausbeuterklasse die Brutalität, den unverhüllten Zynismus, die Niedertracht aller ihrer Vorgänger. ... Sie wird Himmel und Hölle gegen das Proletariat in Bewegung setzen. Sie wird das Bauerntum gegen die Städte mobil machen, sie wird rückständige Arbeiterschichten gegen die sozialistische Avantgarde aufhetzen, sie wird mit Offizieren Metzeleien anstiften, sie wird jede sozialistische Maßnahme durch tausend Mittel der passiven Resistenz lahmzulegen suchen, ... sie wird lieber das Land in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandeln, als freiwillig die Lohnsklaverei preisgeben." /8/

Die Erfahrungen der sozialistisch-kommunistischen Bewegung in den folgenden 90 Jahren haben diese Erkenntnisse Rosa Luxemburgs vollauf bestätigt, sowohl durch die Erfahrungen in den realsozialistischen Ländern, als auch durch erfolgreiche bürgerliche Konterrevolutionen wie in Chile. Nie und in keinem einzigen Lande wurden Tatsachen geschaffen und Erfahrungen gemacht, die dies widerlegen würden.

Die Machtfrage lösen!

Aus diesen nicht zu bestreitenden Prämissen zog Rosa Luxemburg die logische Schlußfolgerung:

"All dieser Widerstand muß Schritt um Schritt mit eiserner Faust, mit rücksichtsloser Energie gebrochen werden. Der Gewalt der bürgerlichen Gegenrevolution muß die revolutionäre Gewalt des Proletariats entgegengestellt werden. ...

Nicht wo der Lohnsklave neben dem Kapitalisten, der Landproletarier neben dem Junker in verlogener Gleichheit sitzen, um über ihre Lebensfragen parlamentarisch zu debattieren, dort, wo die millionenköpfige Proletariermasse die ganze Staatsgewalt mit ihrer schwieligen Faust ergreift, um sie wie der Gott Thor seinen Hammer den herrschenden Klassen aufs Haupt zu schmettern, dort allein ist die Demokratie, die kein Volksbetrug ist." /9/ Im Programm wurde erstmals in der deutschen Arbeiterbewegung seit dem Kommunistischen Manifest, das Erfurter Programm präzisierend, ausdrücklich auf die Erkämpfung der "Diktatur des Proletariats" /10/ orientiert.

Ihre politische Bilanz des Gründungsparteitages schloß Rosa Luxemburg mit der ihr eigenen Prägnanz: "Das deutsche Proletariat zu dem gewaltigen Hammer zu schmieden, der die Klassenherrschaft zerschmettern wird, das ist die geschichtliche Mission der Kommunistischen Partei Deutschlands." /11/

Daß die KPD in besonderem Maße die Aufmerksamkeit und den Haß der bürgerlich-junkerlichen Konterrevolution auf sich zog, verwundert also nicht. Im Unterschied zur SPD trat sie prinzipiell gegen die kapitalistische Klassenherrschaft, für deren revolutionäre Beseitigung ein. Im Unterschied zu den zentristischen USPD-Führern hielt sie nichts davon, radikale Phraseologie und praktische Passivität zu verbinden. Im Unterschied zu manchen radikalen Linken verband sie die revolutionäre Zielsetzung mit konkreten Forderungen, die der aktuellen Situation entsprachen, verfolgte sie eine Taktik, die sie mit Massen verband und bündnisfähig machte. Ein großer Teil des Programms umfaßte Sofortmaßnahmen zur Sicherung und Weiterführung der Revolution. Neben Forderungen, die bereits die Oktober-Konferenz aufgestellt hatte, betrafen sie u.a. die gründliche Umgestaltung des Ernährungs-, Wohnungs- und Erziehungswesens, die Konfiskation aller dynastischen Vermögen und Einkünfte sowie die Regelung und Kontrolle der Produktion durch die Betriebsräte.

Auf dem Gründungsparteitag artikulierten sich aber auch unrealistische, insbesondere radikalistische und syndikalistische Stimmungen. Zu großen Auseinandersetzungen kam es über die Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung und in der Gewerkschaftsfrage. Der Parteitag lehnte mit großer Mehrheit die Wahlbeteiligung ab, weil bei vielen Delegierten die Einsicht fehlte, daß die gewählten politischen Kampfformen dem realen Kräfteverhältnis entsprechen müssen. In der Gewerkschaftsfrage äußerte sich zum einen gefühlsmäßige, von Empörung über die Gewerkschaftsbürokratie getragene Ablehnung der Arbeit in den Gewerkschaften, zum anderen die – vor allem aus Kreisen der bisherigen Internationalen Kommunisten vertretene – syndikalistische Auffassung, die Kommunistische Partei als eine politisch-gewerkschaftliche "Einheitsorganisation" zu gestalten.

Partei der Massen

Wie die weitere Entwicklung zeigte, wurden diese und ähnliche "Kinderkrankheiten" nach und nach überwunden. In historisch kurzer Frist wurde die KPD zu einer der stärksten politischen Kräfte Deutschlands. Bei den Reichstagswahlen erhielt sie 1920: 0,44 Mill. Stimmen (SPD: 5,6 Mill., USPD: 4,9 Mill.), im Dezember 1924: 2,7 Mill. (SPD: 7,9 Mill.), 1928: 3,26 Mill. (SPD: 9,15 Mill.), im November 1932: rd. 6 Mill. (SPD: 7,25 Mill.). In Berlin war sie seit 1930 wählerstärkste Partei und erhielt im November 1932 ein Drittel aller Stimmen. Bei dieser Wahl erzielte die KPD auf dem Gebiet der heutigen Bundesländer Berlin, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sowie in Oberschlesien mehr Stimmen als die SPD. In den Industriegebieten erhielt die SPD 1,7 Mill., die KPD 2,5 Mill. Stimmen.

Die KPD verankerte sich vielfältig in den Massen, z.B. konnte sie die Zahl ihrer Kommunalmandate von 6000 im Jahre 1923 bereits bis 1929 auf 15.283 steigern. Symptomatisch ist auch, daß zur Reichstagswahl 1930 Willi Eichler, Oskar Maria Graf, George Grosz und viele andere Intellektuelle einen Aufruf für die KPD erließen; daß zur Reichspräsidentenwahl 1932 Carl v. Ossietzky dazu aufrief, Thälmann zu wählen, und nicht nur die linkssozialdemokratische Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) und die von dem katholischen Politiker Vitus Heller geführte Christlich-radikale Arbeiter- und Bauernpartei sich diesem Aufruf anschlossen, sondern auch beispielsweise Graf und Gräfin Moltke aus Kreisau diesem Appell folgten.

Angesichts dieser Entwicklung kann es auch nicht verwundern, daß sich die KPD als größte und aktivste Kraft im antifaschistischen Widerstand bewährte, vom Naziregime als Hauptfeind bekämpft wurde und drei mal so viele Verfolgte und Ermordete zählte wie alle anderen politischen Richtungen zusammen. Ernst Thälmann war der einzige von den Nazis ermordete deutsche Parteiführer. Das gleiche Schicksal erlitt sein Stellvertreter und Nachfolger John Schehr.

Warum erstarkte die KPD?

Was verschaffte der KPD dieses Ansehen und diese Akzeptanz in den Massen? Sie ergaben sich vor allem daraus, daß die Politik der KPD fest in den deutschen Klassenauseinandersetzungen verwurzelt war. Ihr Inhalt wurde vor allem durch die Bedürfnisse und Aktivitäten werktätiger Massen in Deutschland bestimmt – sonst hätte sie diese Massen auch nicht ergriffen. Mit ihrem außerparlamentarischen und parlamentarischen Kampf auf ausnahmslos allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens, der Millionen erfaßte und bewegte, verfocht die KPD tagtäglich Klasseninteressen, Volksinteressen, bewährte sie sich als Arbeiterpartei, als sozialistische Kraft, stand sie ganz in der Tradition der revolutionären Partei August Bebels und setzte deren Werk fort.

Von der KPD ging die konsequenteste Kritik an den egoistischen Machteliten und überlebten gesellschaftlichen Zuständen aus: an der Dominanz der Konzerne und Großbanken, dem prägenden Einfluß der "Wirtschaft" auf politische Entscheidungen und der zunehmenden Rolle von Expansions- und Revancheinteressen, an der Fortexistenz und dem politischen Einfluß des junkerlichen Großgrundbesitzes, dieses Hortes der Reaktion und des Militarismus, an der weitgehenden Kontinuität des militärischen und Repressionsapparates und der obrigkeitsfixierten Staatsbürokratie vom Kaiserreich bis zur faschistischen Diktatur (und weiter bis in die Bundesrepublik), an der privilegierten Stellung der beiden Großkirchen (und faktischen Staatskirchen) und der völlig unzulänglichen Trennung von Kirche und Staat.

Angelpunkt im praktischen Wirken der KPD war die Klassenauseinandersetzung mit dem Kapital.

In diesem Ringen initiierte die KPD Streiks gegen Arbeitszeitverlängerung und Lohnabbau, gegen Massenentlassungen und sozialpolitische Verschlechterungen. Sie organisierte Aktionen der Erwerbslosen gegen den Sozialabbau, Mieterstreiks und die Verhinderung von Exmittierungen wie auch der Zwangsversteigerung von Bauernhöfen.

Mit ihrer umfangreichen Parlamentsarbeit flankierte die KPD den außerparlamentarischen Kampf und verteidigte die demokratischen Rechte und Freiheiten. In den Landtagen und Kommunalparlamenten kämpfte sie gegen den Zentralismus der Reichsregierungen, für die Realisierung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung. Im Reichstag brachte sie mehr Gesetzentwürfe, Anträge und Interpellationen ein als jede andere Partei.

Die KPD wirkte am nachhaltigsten der Beeinflussung und politischen Manipulation der breiten Volksschichten durch die besitzenden Machteliten entgegen, beleuchtete die Gegensätzlichkeit und Unvereinbarkeit ihrer Interessen, deckte die negativen Konsequenzen von Koalitionspolitik und sozialpartnerschaftlicher Orientierung auf, weckte den Geist des Widerstandes gegen die Herrschenden und ihre Politik.

Vor allem bewährte sich die KPD als entschiedenste Verfechterin einer antikapitalistischen, sozialistischen Alternative in Deutschland.

Die KPD erschloß der deutschen Arbeiterbewegung und anderen demokratischen Kräften vielfältige neue Organisations- und Kampferfahrungen: Formen der politischen Arbeit im Betrieb (nach 1945 auch von der SPD in immer größerem Umfange aufgegriffen), des Kampfes für den Frieden, gegen Rüstungspolitik, der internationalen Solidarität, des Kampfes gegen Faschismus und Rechtsextremismus, des Zusammenwirkens von Werktätigen in Stadt und Land.

Die KPD hatte ein unverwechselbares politisches Profil als antikapitalistische, den Gedanken einer Zusammenarbeit mit dem Konzern- und Bankkapital entschieden ablehnenden Kraft, als Partei, die für eine Entmachtung der traditionellen deutschen Machteliten durch grundlegende gesellschaftliche Veränderungen, namentlich der Eigentumsverhältnisse, eintrat. Diese nur von ihr durchgängig, umfassend und mit Konsequenz vertretenen Positionen bestimmten ihren spezifischen und unverzichtbaren Platz in der deutschen Parteienlandschaft, im politischen Spektrum der Arbeiterbewegung.

Diese Grundzüge des Wirkens der KPD sind – wie die Geschichte bewiesen hat – nicht an eine bestimmte historische Periode gebunden. Sie sind – durch reiche historische Erfahrungen geprüfte und bestätigte – Grundbedingungen des Wirkens einer marxistischen Massenpartei für die Klassen- und Volksinteressen, für Demokratie und Sozialismus, und heute nicht weniger aktuell als vor 90 Jahren.

 

Anmerkungen:

/1/ W. Abendroth: Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie, Köln 1978, S. 48.

/2/ K. Liebknecht: Gesammelte Reden und Schriften, Bd. IX, Berlin 1968, S. 425.

/3/ R. Luxemburg: Der erste Parteitag. In: Gesammelte Werke [GW], Bd. 4, Berlin 1974, S. 514/515.

/4/ R. Luxemburg: Was will der Spartakusbund? In: GW, Bd. 4, S. 443.

/5/ R. Luxemburg: Unser Programm und die politische Situation. In: GW, Bd. 4, S. 495.

/6/ R. Luxemburg: Was will der Spartakusbund?, S. 444.

/7/ Ebenda, S. 445/446.

/8/ Ebenda, S. 446.

/9/ Ebenda, S. 446/447.

/10/ Ebenda, S. 447.

/11/ R. Luxemburg: Der erste Parteitag, S. 517.

Unsere Zeit, 27. Dezember 2008, S. 15 (dort aus Raumgründen redaktionell gekürzt).

 

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