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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Auf den Spuren des Mordes an Liebknecht und Luxemburg

Prof. Dr. Heinz Karl, Berlin

 

Am 13. Januar, dem Tag der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung, wollen Neonazis in Berlin-Lichtenberg, im Weitling-Kiez (nur einige hundert Meter von der Gedenkstätte der Sozialisten entfernt) aufmarschieren – unter der Parole "Gegen das Vergessen – Freikorps, Soldaten für Deutschland". Auftakt dieser bisher frechsten Naziprovokation war es, daß die neofaschistische NPD am 13. Dezember in der Lichtenberger BVV den Antrag einbrachte, den Anton-Saefkow-Platz in "Waldemar-Pabst-Platz" umzubenennen. Diese Provokation wurde von der BVV – gestärkt durch das demonstrative Auftreten antifaschistischer Bürger – einstimmig, gegen die zwei Nazistimmen, ohne Enthaltungen zurückgewiesen.

Hauptmann W. Pabst war 1918/19 Erster Generalstabsoffizier (d.h. Stabschef) der Garde-Kavallerieschützendivision, der Elitetruppe der sozialdemokratischen Regierung Ebert-Noske. Er führte Regie bei der – ihm vom Mitglied des Rates der Volksbeauftragten und "Oberbefehlshaber in den Marken" Noske (SPD) erst geradezu soufflierten und danach gebilligten – Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts durch ihm unterstellte Offiziere, die er so deckte, daß sie mit Bagatellstrafen oder gänzlich straffrei davonkamen, so wie Noske und dessen Regierungskollegen ihn selbst vor einer Vernehmung schützten. In ihre Fußtapfen trat die BRD, die auch, als er sich 1962 im Spiegel offen zu seiner Rolle bekannte, nicht einmal ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleitete.

Den größten Beitrag zur Aufhellung der politisch bedeutsamen Biographie Pabsts leistete die Bremer Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Doris Kachulle, Kommunistin von der Gründung der DKP bis zu ihrem Tode 2005. Ausgehend von den relativ bekannten Phasen seines Agierens in der Garde-Kavallerieschützendivision und dem aus ihr hervorgegangenen Armeekorps 1918/19, als militärischer Verschwörer und Kapp-Putschist 1919/20 sowie als ein Inspirator und Organisator des österreichischen Heimwehr-Faschismus hat D. Kachulle durch langjährige ausgedehnte Quellenstudien und minutiöse (mitunter nicht ungefährliche) Recherchen die Rolle Pabsts als einer einflußreichen und höchst umtriebigen Figur hinter den Kulissen aufgedeckt, in der sich die Komplexität von Militär, Politik und Wirtschaft, von Innen- und Außenpolitik, Geheimdiplomatie, Geheimdienstarbeit und Medienmanipulation verkörpert.

Pabst war Generalstäbler und Industriemanager, Rüstungslobbyist und Regisseur geheimer Rüstungsvorhaben und illegaler Waffengeschäfte und vieles andere mehr. Immer aber war er ein initiativreicher Akteur der bürgerlichen Reaktion, gleichermaßen für raffiniertes Taktieren und brutalsten, blutigen Terror zu gebrauchen, ein Repräsentant der Interessen- und Handlungseinheit von Militärclique, Rüstungskapital und Faschismus.

Doris Kachulle, die im Juni 2005 einem Krebsleiden erlag, konnte ihre weitgespannte Untersuchung nicht selbst vollenden. Der Bremer Historiker Karl Heinz Roth hat aus ihrem reichen Nachlaß eine hochinteressante, streckenweise geradezu spannende, sowohl wissenschaftlich relevante als auch politisch wichtige Auswahl vorgelegt.

Doris Kachulle: Waldemar Pabst und die Gegenrevolution. Vorträge, Aufsätze, Aus dem Nachlaß.
Hrsg. von Karl Heinz Roth, EDITION ORGANON, Berlin 2007. (ISBN 3-931034-10-0)

 

 

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