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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vor 100 Jahren: Kommunistische Partei Deutschlands!

Prof. Dr. sc. Heinz Karl, Berlin

 

In der deutschen Novemberrevolution 1918/19 vollzog sich eine Um- und Neuformierung politischer Kräfte und Organisationen, die von weitreichender Bedeutung für die gesell­schaftliche Entwicklung Deutschlands im 20. Jahrhundert und darüber hinaus war und ist. Eine dieser Kräfte war die am 30. Dezember 1918 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Sie ging aus der Opposition in der deutschen Sozialdemokratie gegen die Politik des 4. Au­gust 1914 hervor, deren konsequenteren Kräften Karl Liebknechts »Nein!« am 2. Dezem­ber 1914 Orientierung gab, die sich 1915 als »Gruppe Internationale« [1] um Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Franz Mehring sammelten und seit Januar 1916 illegal die »Spartacus-Briefe« verbreiteten.

Als die Spaltungspolitik der sozialchauvinistischen SPD-Spitze die Gründung der alternati­ven Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) erzwungen hatte, schloss sich die Spartakusgruppe – unter Wahrung ihrer politischen Eigenständigkeit – der neuen Partei an, obwohl sie durch zentristische Kräfte dominiert wurde. Diese Entschei­dung war richtig, weil sie das Wirken in einer sozialistischen Massenpartei (die die USPD von Anfang an war) und die maximale Ausnutzung aller legalen Möglichkeiten gestattete. Eine sofortige Konstituierung als selbständige revolutionäre  Partei hätte die Spartakus­gruppe vermutlich in eine sektenhafte Isolierung geführt. Dieses Vorgehen – anders als das linksradikaler Gruppen – trug wesentlich dazu bei, dass die Spartakusgruppe die bei weitem einflussreichste und gewichtigste politische Kraft links von der USPD war.

Als solche wirkte sie in der Antikriegsbewegung, insbesondere den Streikaktionen der Jah­re 1917/1918, die in die Novemberrevolution mündeten. [2]

Was will der Spartakusbund?

Schon in den ersten Revolutionstagen, am 11. November 1918, konstituierte sich die Spartakusgruppe in Berlin als Spartakusbund mit einer aus 13 Mitgliedern bestehenden Zentrale. In dieser waren verantwortlich für die Redaktion der seit dem 9. November er­scheinenden Tageszeitung »Die Rote Fahne«: Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg; für Reichsagitation: Leo Jogiches, der wie schon in der Illegalität sich auch jetzt als der überra­gende Organisator von Spartakus bewährte; für Groß-Berliner Agitation: Wilhelm Pieck; für Geschäftsführung: Hugo Eberlein; für Soldatenagitation: Willi Budich; für Frauen- und Ju­gendagitation: Käthe und Hermann Duncker. Ferner gehörten Franz Mehring, Paul Lange, Paul Levi, Ernst Meyer und August Thalheimer der Zentrale an.

Der nächste wichtige Schritt war die Veröffentlichung der von Rosa Luxemburg verfassten Programmschrift »Was will der Spartakusbund?« am 14. Dezember. Zwei Tage später trat der 1. Reichsrätekongress zusammen, der von einer Veränderung des politischen Kräfte­verhältnisses zugunsten der bürgerlichen Konterrevolution und der mit ihr kooperierenden rechten Sozialdemokraten zeugte und für den 19. Januar Wahlen zu einer Nationalver­sammlung anberaumte. [3] Angesichts der sich zuspitzenden Situation beschloss die Zentra­le des Spartakusbundes am 22. Dezember die Durchführung einer Reichskonferenz und forderte – ebenso wie zahlreiche USPD-Organisationen – vom Parteivorstand der USPD die Einberufung eines Parteitages, was abgelehnt wurde.

Die Reichskonferenz am 29. Dezember sprach sich für die Trennung von der USPD und die Gründung einer selbständigen Partei aus. (Drei Gegenstimmen richteten sich nicht gegen diese grundsätzliche Entscheidung, sondern plädierten für deren längere Vorbereitung.) Sie trat am 30. Dezember als Gründungsparteitag zusammen, der bis zum 1. Januar 1919 tagte. Noch am 30. Dezember 1918 fasste er den Beschluss: »Unter Lösung seiner organi­satorischen Beziehungen zur USP konstituiert sich der Spartakusbund als selbständige politische Partei unter dem Namen: Kommunistische Partei Deutschlands (Spartakusbund).« [4] Am Parteitag nahm eine starke Delegation linksradikaler Gruppen (seit November 1918: Internationale Kommunisten Deutschlands) teil, die am 31. Dezember de­ren Beitritt zur KPD (Spartakusbund) erklärten. [5] Eindrucksvoll demonstrierte der Parteitag seine internationalistische Verbundenheit mit der KP Russlands und der Russischen Sowjetrepublik, als deren Vertreter Karl Radek ihn begrüßte.

… wird Himmel und Hölle gegen das Proletariat in Bewegung setzen

Das am 14. Dezember veröffentlichte Programm fand – von Rosa Luxemburg erläutert – allgemeine Zustimmung und wurde, mit unwesentlichen Veränderungen, zum Programm der jungen Partei. Es arbeitete mit aller Klarheit heraus, dass nur eine grundlegende Um­wälzung der Eigentumsverhältnisse, der Übergang zum Sozialismus den bisher vom Kapital ausgebeuteten oder benachteiligten Klassen und Schichten ein menschenwürdiges Leben und den Völkern den Frieden sichern könne. Aber es sei »ein toller Wahn zu glauben, die Kapitalisten würden sich gutwillig dem sozialistischen Verdikt eines Parlaments, einer Na­tionalversammlung fügen, sie würden ruhig auf den Besitz, den Profit, das Vorrecht der Ausbeutung verzichten.« [6] Die imperialistische Bourgeoisie »wird Himmel und Hölle gegen das Proletariat in Bewegung setzen. Sie wird das Bauerntum gegen die Städte mobil ma­chen, sie wird rückständige Arbeiterschichten gegen die sozialistische Avantgarde aufhet­zen, sie wird mit Offizieren Metzeleien anstiften, sie wird jede sozialistische Maßnahme durch tausend Mittel der passiven Resistenz lahmzulegen suchen ... – sie wird lieber das Land in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandeln als freiwillig die Lohnsklaverei preisgeben.« [7] Deshalb setze eine Lösung der Eigentums- frage die konsequente Entschei­dung der Machtfrage voraus. »All dieser Widerstand muß Schritt um Schritt mit eiserner Faust und rücksichtsloser Energie gebrochen werden. Der Gewalt der bürgerlichen Gegen­revolution muß die revolutionäre Gewalt des Proletariats entgegengestellt werden, ... die Bewaffnung des Volkes und Entwaffnung der herrschenden Klassen.« [8]

Das Programm konkretisierte dies mit Forderungen zur allseitigen Ersetzung des monar­chistisch-bürgerlichen Staatsapparates durch einen von den Arbeiter- und Soldatenräten geprägten sowie nach Abschaffung der Einzelstaaten und Dynastien. Es forderte die Ent­eignung des Bankkapitals, der Bergbau- und Hüttenindustriellen, aller Großbetriebe in In­dustrie und Handel sowie der Großagrarier, die »Wahl von Betriebsräten in allen Betrieben, die im Einvernehmen mit den Arbeiterräten die inneren Angelegenheiten der Betriebe zu ord­nen, die Arbeitsverhältnisse zu regeln, die Produktion zu kontrollieren und schließlich die Betriebsleitung zu übernehmen haben« [9], ferner die »Bildung sozialistischer landwirt­schaftlicher Genossenschaften unter einheitlicher zentraler Leitung im ganzen Reiche; bäuerliche Kleinbetriebe bleiben im Besitze ihrer Inhaber bis zu deren freiwilligem An­schluß an die so­zialistischen Genossenschaften«. [10]

Dass es in der neugegründeten Partei aber nicht nur grundlegende Übereinstimmung, son­dern auch Differenzen in wichtigen Fragen gab, bewiesen vor allem zwei Debatten. So lehnte eine große Mehrheit der Delegierten, getragen von revolutionärer Ungeduld, einem rein gefühlsmäßigen Herangehen, die von der Zentrale empfohlene Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919 ab, obwohl Luxemburg und Liebknecht in der Diskussion sehr prinzipiell und in aller Schärfe nachwiesen, dass man damit den konterrevolutionären Kräften ihren Volksbetrug erleichtere und eigene Möglichkeiten zur Aufklärung der Massen verschenke. In der Diskussion zum Tagesordnungspunkt »Wirt­schaftliche Kämpfe« wurde – argumentierend mit der Haltung der rechten Gewerkschafts­führer im Krieg und in der Revolution – der Parole »Heraus aus den Gewerkschaften!« und dem anarchosyndikalistischen Irrweg einer »wirtschaftlich-politischen Einheitsorganisati­on« das Wort geredet. Dem traten vor allem Fritz Heckert und Rosa Luxemburg entgegen. Wichtig war, dass schon auf dem Gründungsparteitag empfunden wurde, dass es in Bezug auf die Agrarpolitik und die Stellung zu den werktätigen Bauern erhebliche Defizite gab.

In die Zentrale der neuen Partei wurden die Mitglieder der bisherigen Spartakus-Zentrale gewählt mit Ausnahme des kranken Franz Mehring, der vier Wochen nach dem Parteitag verstarb, und von Willi Budich, der bei einem vom sozialdemokratischen Stadtkommandan­ten Otto Wels veranlassten Feuerüberfall auf eine Protestdemonstration schwer verletzt worden war. Neu in die Zentrale gewählt wurde Paul Frölich von den bisherigen Internatio­nalen Kommunisten.

Marxistische Vorhut und antifaschistische Massenpartei

Mit der Gründung der KPD erhielt die deutsche Arbeiterbewegung wieder eine marxis­tische Vorhut als wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf zum Sturz der imperialistischen Bourgeoisie und den Übergang zum Sozialismus.

Sie überwand die auf und unmittelbar nach dem Gründungsparteitag aufgetretenen links­sektiererischen und anarchosyndikalistischen Verirrungen, verbunden mit einer zeitweili­gen erheblichen zahlenmäßigen Schwächung, aber zugleich einer viel gewichtigeren pro­grammatischen und taktischen Stärkung. Es war die wichtigste Voraussetzung, um alle re­levanten Kräfte links von der reformistischen SPD in einer revolutionären marxistischen Partei zu sammeln.

Im Ringen um eine konsolidierte Massenpartei und deren realistische Politik – vor allem in Auseinandersetzung mit linkssektiererischen Positionen – formierte sich Mitte der 20er Jahre ein stabiles Führungskollektiv um Ernst Thälmann. Nächst der Einheitsfrontpolitik wurde besonderes Gewicht auf die Entwicklung einer antimonopolistischen und antifa­schistischen Bündnispolitik gelegt. [11] Von 1925 bis 1933 hat sich die Mitgliederzahl der KPD verdreifacht, die Zahl ihrer Wähler mehr als verdoppelt: von 2,7 Millionen im Dezember 1924 (SPD 7,9 Mill.) auf fast 6 Mill. im November 1932 (SPD 7,2 Mill.). In Berlin war sie seit 1930 wählerstärkste Partei und erhielt im November 1932 mehr als ein Drittel aller Stimmen. Bei den Wahlen im November 1932 erzielte die KPD auf dem Gebiet der heuti­gen Bundesländer Berlin, NRW, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sowie auch in Oberschlesien mehr Stimmen als die SPD; dies galt auch für das Saargebiet. In den Indus­triegebieten erhielt die SPD 1,7 Mill., die KPD 2,5 Mill. Stimmen.

In diesen Wahlergebnissen widerspiegelt sich die herausragende Rolle der KPD im Kampf gegen die faschistische Gefahr, insbesondere auch auf Grund ihrer klaren Sicht auf deren Faktoren. [12] Im Widerstand gegen die faschistische Diktatur brachte die KPD drei Mal so vie­le Opfer wie alle anderen politischen Richtungen zusammen. In Weiterentwicklung ihrer bis 1933 erarbeiteten antiimperialistischen und antifaschistischen Positionen fixierten die Par­teikonferenzen 1935 und 1939 ein Programm der KPD für eine antifaschistisch-demokra­tische Umwälzung als Voraussetzung des Übergangs zum Sozialismus. [13]

Seit 1945 wurde es realisiert. Für fast ein halbes Jahrhundert war in einem Teil Deutsch­lands die Macht des Kapitals gebrochen und eine sozialistische Entwicklung in Angriff ge­nommen.

Der gegenwärtige und künftige Kampf für die Überwindung des menschenfeindlichen und naturzerstörenden Kapitalismus, für eine vom Druck des Kapitals befreite, sozialistische Welt kann sich also auch in Deutschland auf reiche Kampferfahrungen, auf reale Erfahrun­gen des Sieges über die imperialistische Bourgeoisie stützen, deren sinnvolle Nutzung un­abdingbar für einen erfolgreichen Kampf heute und morgen ist. Begonnen hat es vor 100 Jahren mit der Gründung der KPD.

 

Anmerkungen:

[1]  Vgl. Heinz Karl: Gruppe »Internationale«. In: Mitteilungen der KPF, Heft 3/2015, S. 10-12.

[2]  Vgl. H. Karl: Vor 100 Jahren: Deutsche Novemberrevolution 1918/19. In: Ebenda, H. 11/2018, S. 2 ff.

[3]  Vgl. ebenda, S. 4/5.

[4]  Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe II, Bd. 2, Berlin 1957, S. 688.

[5]  Ebenda, S. 690.

[6]  Ebenda, S. 700.

[7]  Ebenda.

[8]  Ebenda.

[9]  Ebenda, S. 703.

[10]  Ebenda.

[11]  Vgl. H. Karl: Geschichte der KPD im Spiegel gegenwärtiger Geschichtsschreibung. In: Mitteilungen der KPF, H. 3/2009, S. 18, 21, 25.

[12]  Vgl. H. Karl: November 1932: Wird Hitler gestoppt? In: Ebenda, H. 11/2012, S. 23-27 u. 12/2012, S. 29-31.

[13]  Vgl. H. Karl: Ein Wendepunkt in der Entwicklung der KPD. In: Ebenda, H. 11/2010, S. 26 u. 28.

 

Mehr von Heinz Karl in den »Mitteilungen«: 

2018-11: Vor 100 Jahren: Deutsche Novemberrevolution 1918/19

2018-08: Wir erinnern

2017-06: Zum 160. Geburtstag Clara Zetkins am 5. Juli 2017