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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Uwe-Jens Heuer

Prof. Dr. Hermann Klenner, Berlin

 

Am 22. Oktober dieses Jahres verstarb in Berlin der am 11. Juli 1927 in Essen geborene Uwe-Jens Heuer, seit 1979 Mitglied der DDR-Akademie der Wissenschaften und Gründungsmitglied der Leibniz-Sozietät. Von Haus aus war Heuer Rechtshistoriker. Seine aus den Quellen erarbeitete und gegen den Widerstand hauseigener Dogmatiker schließlich doch noch publizierte Dissertation "Allgemeines Landrecht und Klassenkampf" ist bis heute unübertroffen. Sodann war er dem kleinen Kreis derer zugehörig, die – wiederum gegen das Ränkespiel machthabender Meinungsmonopolisten – ein sozialistisches Wirtschaftsrecht konzipierten, wofür bereits seine fast vorzeitig und überdies radikalkonzipierte Abhandlung "Demokratie und Recht im Neuen ökonomischen System" von 1965 und, darauf aufbauend, weitere Veröffentlichungen zuhauf zeugten, besonders anregend: "Recht und Wirtschaftsleitung im Sozialismus – von den Möglichkeiten und der Wirklichkeit des Rechts", 1982 erschienen. Seine 1989 publizierte Monographie "Marxismus und Demokratie" mit ihren 500 Seiten ist das mit Abstand Beste, was zu diesem Thema bisher im deutschen Sprachraum erarbeitet worden ist.

Während seine wissenschaftlichen Gegner sich nach der "Kehre" zumeist aus ihrer Verantwortung schlichen, war er es, der 1992 "Der Rechtsstaat – eine Legende?" und drei Jahre danach eine umfangreiche Gesamtanalyse "Die Rechtsordnung der DDR. Anspruch und Wirklichkeit" initiierte und edierte. Seine Erfahrungen als Abgeordneter der letzten Volkskammer der DDR und danach zwei Wahlperioden lang als Abgeordneter des Deutschen Bundestages bis 1989 für die PDS, sowie als von Freund und Feind in je eigener Weise respektierter Urheber und Sprecher des Marxistischen Forums verarbeitend, publizierte er 2003 in Hamburg "Marxismus und Politik" sowie 2004 in Baden-Baden seine Autobiographie "Im Streit – Ein Jurist in zwei deutschen Staaten". Danach wandte er sich einem Thema zu, das man von ihm überhaupt nicht erwartet hatte, nämlich "Marxismus und Glauben", im Ergebnis seiner wundersamen Belesenheit wie seiner antidogmatischen Problembewußtheit mit einem Material- und Gedankenreichtum ohnegleichen ausgestattet und in Hamburg 2006 publiziert.

Heuer hatte immer schon zu jenen Autoren gehört, deren Gedanken auf einen Hintergedanken zu befragen lohnte. Seine differenzierende Urteilskraft scheute nicht davor zurück, Widersprüche sowohl innerhalb einer für Sozialismus gehaltenen Praxis als auch innerhalb der für sozialistisch gehaltenen Theorien aufzudecken und auf deren Ursachen sowie Folgen zu hinterfragen. Intellektuelle Produktivität war sein Markenzeichen. Kann man Wichtigeres von einem Wissenschaftler sagen?

 

Mehr von Hermann Klenner in den »Mitteilungen«:

2010-04: Fünf Fragen – fünf Überlegungen

2008-11: Kampf für Menschenrechte

2008-01: Terrorismusverdacht und Bürgerrechte

2007-07: Querelen eines Juristen