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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

USA: Friedensnobelpreisträger ist »Terrorist«

Gerhard Mertschenk, Berlin

 

Wie willkürlich sind die USA-Terrorismuslisten?

 

Bekanntlich hat Donald Trump neun Tage vor Ablauf seiner Präsidentschaft Kuba wieder auf die Liste angeblich Terror fördernder Staaten gesetzt. Sein Nachfolger Joe Biden hat Kuba in dieser Liste belassen und nicht wie Barack Obama, dessen Vizepräsident er war, Kuba von dieser Liste gestrichen, auf die es 1982 von Ronald Reagan gesetzt worden war.

Wie man zu der »Ehre« kommt, auf diese Liste gesetzt und eventuell wieder gestrichen zu werden, sei am Beispiel Nelson Mandelas erläutert.

Der am 18. Juli 1918 geborene Nelson Mandela engagierte sich ab 1944 im African National Congress (ANC) und musste aufgrund seiner Aktivitäten gegen die Apartheid­politik in seiner Heimat von 1963 bis 1990 insgesamt 27 Jahre als politischer Gefange­ner in Haft verbringen. 1980 wurde der ANC wegen seiner Aktivitäten gegen das Apart­heidregime von den USA unter Präsident Jimmy Carter auf die Liste der Terrororganisa­tionen gesetzt. Auch in den übrigen westlichån Ländern wurde Mandela als Terrorist verleumdet, nicht als Kämpfer gegen das menschenverachtende Apartheidregime aner­kannt und geachtet. Mit der Regierung des Apartheidregimes dagegen wurde unter Missachtung der von der UNO verhängten Sanktionen reger Handel getrieben.

1988 wurde Nelson Mandela für seinen Kampf gegen die Apartheid als Einzelperson von Ronald Reagan mit der Aufnahme in die Terrorismusliste »belohnt«. Mit dem Sieg der angolanischen, von Kuba unterstützten Streitkräfte in der Schlacht von Cuito Cuanavale zu Beginn des Jahres 1988 war das strategische Ziel erreicht, Südafrika zu Friedensverhandlungen zu zwingen, die letztendlich zur Abschaffung des Apartheidregi­mes führten, woran Kuba also seinen Anteil hatte.

Nach dem Fall des Apartheidregimes 1993 lud Mandela mit seiner Politik der Versöhnung »alle Menschen, die die Apartheid aufgegeben haben«, zur Mitarbeit an einem »nichtrassi­schen, geeinten und demokratischen Südafrika mit allgemeinen, freien Wahlen und Stimm­recht für alle« ein. Für die USA blieb er trotzdem weiterhin ein Terrorist und wurde nicht von der Liste gestrichen.

Für die Überwindung des Apartheidsystems und die Erarbeitung einer neuen, vorläufigen Verfassung wurde ihm gemeinsam mit dem damaligen Präsidenten Südafrikas, de Klerk, der Friedensnobelpreis verliehen. Dessen ungeachtet verblieb Nelson Mandela auf der Ter­rorismusliste der USA, von denen er entsprechend behandelt wurde. Was scherte die USA-Regierungen schon ein Friedensnobelpreis für jemanden, der ihnen nicht genehm war.

1994 wird Nelson Mandela zum Präsidenten der vom Apartheidregime befreiten Republik Südafrika gewählt, natürlich dazu beglückwünscht auch von der USA-Regierung, für die diese demokratische Wahl in das Präsidentenamt aber durchaus kein Grund war, ihn von der Terrorismusliste zu streichen, sondern ihn nichtsdestotrotz in dieser Liste beließ.

Im Oktober 1994 weilt Nelson Mandela zum Staatsbesuch in den USA und wird von Bill Clinton empfangen. Der USA-Präsident empfängt einen Terroristen!!! Für diesen Besuch und nachfolgende wurde stets eine Sondergenehmigung erteilt, damit der »Terrorist« ein­reisen durfte. Welch Heuchelei! Welch Willkür!

1996 schuf er in Südafrika eine Wahrheits- und Versöhnungskommission unter Leitung von Erzbischof Desmond Tutu zur Aufarbeitung der Apartheidverbrechen. Auch das ist kein Anlass für die USA, ihn von der Terrorismusliste zu streichen.

1998 beging Nelson seinen 80. Geburtstag mit hochrangigen Gästen aus aller Welt, auch aus den USA. Aber für die USA wiederum keine Veranlassung, ihn als Geburtstagsge­schenk von der Liste zu streichen.

1998 bis 1999 wurde Mandela der Vorsitz der Bewegung der blockfreien Staaten übertra­gen. Gemäß den USA-Kriterien wurden die blockfreien Staaten also von einem Terroristen angeführt.

Die Präsidentschaft der Republik Südafrika übte Mandela bis 1999 aus. Aus Altersgründen trat er nicht für eine Wiederwahl an und zog sich aus der Politik zurück. Gleichwohl blieb er auf der Terrorismusliste der USA.

Erst zu seinem 90. Geburtstag 2008 sah man in den USA die Zeit für gekommen, ihn von der Liste zu streichen. US-Außenministerin Condoleezza Rice war es peinlich, dass sie Mandela immer noch eine Sondergenehmigung für die Einreise ausstellen müsse. Eine wahre Heldentat der ach so demokratischen, auf Menschenwürde bedachten USA. Fünf Jahre später verstarb er – nicht mehr mit dem Makel behaftet, von den USA als Terrorist bezeichnet zu sein.

Bei den Friedensverhandlungen zwischen verschiedenen kolumbianischen Regierungen und mehreren kolumbianischen Guerillagruppen hat Kuba jeweils (zusammen mit Norwe­gen) die Rolle als Garantiemacht übernommen und ist Gastgeber für die Verhandlungen gewesen bzw. ist es auch gegenwärtig bei den laufenden Gesprächen zwischen der kolum­bianischen Regierung und der ELN (Nationale Befreiungsarmee). Kuba steht trotzdem auf dieser berüchtigten Terrorliste mit dem Argument, dass es Terroristen Unterschlupf gewäh­re. Mit den »Terroristen« sind die Abgesandten der ELN gemeint, die von Kolumbien als politische Gesprächspartner anerkannt sind und nicht als Terroristen betrachtet werden.

Warum wird dann aber Mexiko nicht auf die Terrorliste gesetzt, wo zeitweise auch verhan­delt, also »Terroristen« Unterschlupf gewährt wurde? Wo bleibt da eine logische Erklärung? Die einzige Erklärung dafür ist die arrogante Anmaßung der USA, willkürlich festlegen zu dürfen, wer Terrorist ist und wer nicht. Wertegeleiteter Westen? Völkerrecht und UNO-Charta? Fehlanzeige. Die Schlussfolgerung kann nur sein, Kuba sofort von der Terrorismus­liste zu streichen, damit es wieder am normalen internationalen Finanzgeschehen teilhaben kann.

Am 15. Juni 2024 gaben die Bewegung der Block­freien Staaten sowie die Gruppe der 77+China eine Erklärung ab, in der sie die sofortige Strei­chung Kubas von der Terrorismusliste fordern und außerdem einen Stopp der gegen die kubani­sche Bevölkerung gerichteten einseitigen Zwangs­maßnahmen verlangen. Die Erklärung prangert an, dass die Aufnahme Kubas in die Terrorismus­liste jeglicher sachlichen, rechtlichen oder morali­schen Grundlage entbehre. Unterstützen wir die­se Forderung und sorgen wir dafür, dass Kuba schnellstmöglich von der Terrorismusliste gestri­chen wird.

Rede auf der Solidaritäts-Kundgebung vor der kubanischen Botschaft in Berlin am 11. Juli 2024 gegen angekündigte Aktivitäten der Contras.

 

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