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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ukraine im Visier

Prof. Dr. Anton Latzo, Langerwisch

 

Rezension zu: Russlands Nachbar als Zielscheibe geostrategischer Interessen. Von Roland Thoden/Sabine Schiffer (Hg.). Erschienen im Verlag Selbrund GmbH, 2014. ISBN 978-3-9816963-0-1. Bezug: Verlag Selbrund GmbH, Bockenheimer Landstr. 17/19, 60325 Frankfurt am Main, Tel. 02225/7085-373, www.selbrundverlag.de.

 

Auf der Frankfurter Buchmesse (2014) wurde diese Publikation vorgestellt, die ihre Leser bei denjenigen finden wird, die an der Wahrheit über den Kampf um die Ukraine interessiert sind. Es ist ein Sammelband, der verschiedene Sichten auf das Thema und Betrachtungen aus verschiedenen Blickwinkeln anbietet. Den Herausgebern ist es gelungen, Themen und Autoren auszuwählen, die zusammengenommen ein komplexes Bild der Ereignisse entwerfen, die Ursachen ansprechen und die Autoren des Kampfes um die Ukraine sowie ihre politischen Ziele deutlich benennen. Die Beiträge selbst werden von Kennern der Materie geschrieben, die unmittelbar mit den Ereignissen konfrontiert waren und sind oder sich über lange Zeit journalistisch oder wissenschaftlich mit dem Thema und der Region beschäftigen. Man habe sich zu dieser Publikation entschieden, so Eckart Spoo im Vorwort, »weil das weltpolitische Klima immer heißer« wird. »Zur Abkühlung brauchen wir dringend verlässliche Informationen«. In diesem Sinne weist Hannes Hofbauer auf wichtige politische Prozesse in der Ukraine hin und zeigt, wie sich mit der »Orangenen Revolution« der Kurswechsel der Ukraine Richtung Atlantik vollzog.

Wichtige soziale und ökonomische Bedingungen für diese Prozesse werden von Thomas Immanuel Steinberg und Hannes Hofbauer in getrennten Beiträgen dargestellt. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Beitrag von Reinhard Lauterbach hingewiesen, dessen Gegenstand der Nationalismus in der Ukraine (Westukraine) und seine Wirkung als ideologische Grundlage aktueller politischer Strömungen in Kiew und in der Außenpolitik der Ukraine ist.

Die Expansionspolitik der EU und ihrer Großmächte, darunter die BRD an führender Stelle, wird von Jürgen Wagner in seinem Beitrag »Der lange Arm der EU« herausgearbeitet. Zentraler Platz wird dabei der Vorgängen um den Abschluss des Assoziierungsabkommens EU-Ukraine eingeräumt. Es wird der enge Zusammenhang zwischen der »Europäischen Nachbarschaftspolitik«, dem Assoziierungsabkommen und der Osterweiterung der EU herausgearbeitet.

Ein Tableau der politischen Kräfte des Imperialismus im Kampf um die Ukraine und gegen Russland wird von Kurt Gritsch durch seinen Beitrag »Die Folgen der NATO-Entwicklung« skizziert, in dem er den Kampf um die Ukraine in die Veränderungen der NATO-Strategie hineinstellt.

Jochen Scholz behandelt, dazu passend, unter der Überschrift »Worum es geht« den Zusammenhang zwischen der »Ukraine-Krise und der geopolitischen Konstante auf dem eurasischen Kontinent« (Brzeziński-Konzept).

Eine wichtige Seite in den Aktivitäten der imperialistischen Kräfte gegenüber der Ukraine vor und während der Ukraine-Krise behandelt Matthias Rude in seinem Beitrag »Die gekaufte Revolution«. Er beschäftigt sich mit der Einflussnahme der Geheimdienste, der NGOs und der verschiedensten Stiftungen auf die Vorbereitung und auf den Verlauf der antiukrainischen und antirussischen Aktionen.

Ein weiterer Komplex sind die Vorgänge auf dem Maidan. Thomas Eipeldauer (Euromaidan) geht der Frage nach, wie sich die Entwicklung vom Sozialprotest zur Hegemonie der äußersten Rechten vollzog. Er weist darauf hin, dass der Rechte Sektor und andere neofaschistische Gruppen eine zentrale Rolle auf dem Maidan spielten, dass es ohne ihr Gewaltpotenzial wohl kaum so rasch zur einer derartigen Eskalation gekommen wäre, die Janukowitsch zur Flucht gezwungen hat.

Zu diesem Komplex gehört auch der Beitrag von Sebastian Range, der unter der Überschrift »Blutige Wende« den Einsatz von Scharfschützen auf dem Maidan behandelt.

In einem zweiten Beitrag geht Thomas Eipeldauer in »Im Griff der Oligarchen« auf die Frage der Kontinuität nach dem Euromaidan ein. Susann Witt-Stahl überschreibt ihren Beitrag »Daily Terror des Faschismus« und kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die neue Regierung der Ukraine nach einer Gesellschaft ohne (linke) Opposition strebt.

Sebastian Range stellt die Ereignisse um die Halbinsel Krim in den Gesamtzusammenhang der innen- und außenpolitischen Vorgänge in der Ukraine. Seine Analyse beruht auch auf einer Reihe von Dokumenten, die nur wenig oder gar nicht bekannt sind. Er kommt zur Schlussfolgerung, dass man von einer Annexion der Krim nicht sprechen kann. Auf der Krim sei es zu einer Sezession gekommen, die von einem Referendum gebilligt wurde. Ihr folgte der Beitrittsantrag zur Russischen Föderation, den Moskau annahm.

Kai Ehlers beschäftigt sich mit der Ukraine-Frage unter Berücksichtigung der Strategie des USA-Imperialismus zur Bewältigung der »asiatischen Herausforderung«. Unter der Überschrift »Und immer noch die Ukraine« behandelt er die Rolle des Landes »auf dem Weg zu einer multipolaren Welt«.

Unter der Überschrift »Da stimmt etwas Nicht« vertritt Christoph Jehle den Standpunkt, dass der Absturz des Fluges MH17 über der Ostukraine voller Rätsel bleibt. Den Diffamierungskampagnen und den politischen Zerrbildern der Medien stellt Peter Vonnahme mit seinem Beitrag »MH17 - Der Glaubwürdigkeits-Gau« »Trennschärfe bei der Bewertung von Politik und glattgebürsteter Publizistik« entgegen.

Mit der Rolle der Medien beschäftigen sich weitere drei Aufsätze. Volker Bräutigam (Herrschaft beginnt mit der Sprache) stellt dar, wie der Missbrauch des Begriffs OSZE-Militärbeobachter in den Nachrichtensendungen von ARD-Aktuell erfolgt. David Goeßmann (Berichterstattung mit Schlagseite) berichtet über Halbwahrheiten, Doppelstandards und Schweigen bei den Medien. In ihrem Beitrag (Einspruch unerwünscht) analysiert Sabine Schiffer (Mitherausgeberin des Bandes) die kritischen Stimmen in der Ukraine-Berichterstattung. Sie geht der Frage nach, warum diese Stimmen verhallten, warum ihre Hinweise und Erkenntnisse nicht die Nachrichtenredaktionen des eigenen Mediums erreichen, warum keine Korrekturen des Mainstreams stattfanden.

Es wird ein Buch vorgelegt, das aktuell und voll von Informationen, Standpunkten, Betrachtungsweisen und Handschriften ist, die den Missbrauch der Ukraine im Dienste der Verwirklichung der Expansion der USA und der EU, besonders der BRD, und ihrer antirussischen Politik charakterisieren. Unterschiedlich strukturierte Beiträge liefern in ihrer Gesamtheit aufklärende Informationen zu verschiedenen Seiten des Kampfes um die und in der Ukraine. Es ist ein wichtiger Beitrag zur Einschätzung des Verlaufs der internationalen Auseinandersetzung mit dem Imperialismus in einer wichtigen strategischen Region. Es werden nicht nur die aggressive Expansionspolitik des Imperialismus veranschaulicht, sondern auch Gefahren verdeutlicht, die sich daraus für Europa und für Stabilität und Frieden in der Welt ergeben. Dem Buch sind möglichst viele Leser zu wünschen!

15. Oktober 2014

 

Mehr von Anton Latzo in den »Mitteilungen«:

2014-11: Die USA und die Ukraine

2014-04: Zur Geschichte deutscher Kolonialpolitik

2014-03: Signal auf Krieg