Taiwan, China und die UNO
Moritz Hieronymi, Brandenburg an der Havel
Am 2. August besuchte die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die Insel Taiwan. Der Besuch hatte bereits im Vorfeld diplomatische Spannungen zwischen den USA und China, welches Taiwan als eigenes Territorium betrachtet, ausgelöst. In Folge von Pelosis Stippvisite führte die Volksbefreiungsarmee mehrtägige Militärmanöver in unmittelbarer Nähe Taiwans durch. Angesichts dieser verschärften Situation erklärte der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Michael Roth, im Deutschlandfunk, dass er in Pelosis Reise keine Provokation sehe. Vielmehr sollten die westlichen Demokratien, so Roth, nicht das chinesische Narrativ leichtfertig übernehmen. Welches Narrativ der SPD-Politiker der Volksrepublik China entgegenhalten möchte, ließ er dagegen offen.
Roth mag wie Pelosi vergessen haben, dass es gerade die westlichen Staaten waren, welche konsequent eine Ein-China-Politik verfolgten. – Bloß unter anderen Vorzeichen! Als im Jahr 1949 die chinesische Revolution siegte, floh Chiang Kai-shek mit seinen Gefolgsleuten auf Taiwan, um dort eine chinesische Exilregierung zu etablieren. Trotz der Entmachtung durch die KPCh blieb das Chiang-Kai-shek-Regime alleiniger Vertreter Chinas in der UNO. Diese Unzulänglichkeit fand erst mit der UN-Resolution 2758 von 1971 ihr Ende [1]. – Eine Resolution, die nicht nur für sich steht, sondern an dieser Stelle veröffentlicht gehört, um dem grassierenden Revisionismus in der Taiwan-Frage entgegenzuwirken:
»Wiederherstellung der legitimen Rechte der Volksrepublik China in den Vereinten Nationen
Die Generalversammlung,
eingedenk der Prinzipien der UN-Charta,
angesichts dessen, dass die Wiederherstellung der legitimen Rechte der Volksrepublik China wesentlich sowohl zur Wahrung der UN-Charta als auch für die Funktionsweise der Vereinten Nationen ist,
anerkennend, dass die Regierungsvertreter der Volksrepublik China die einzigen legitimen Vertreter für China in den Vereinten Nationen sind und dass die Volksrepublik China einer der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ist,
beschließt, alle Rechte der Volksrepublik China wiederherzustellen und ihre Regierungsvertreter als einzige legitime Vertreter in den Vereinten Nationen anzuerkennen sowie die Vertreter Chiang Kai-Sheks umgehend von ihrem unrechtmäßig erlangten Sitz in den Vereinten Nationen und in allen ihren Organisationen auszuschließen.
1976. Plenarsitzung, 25. Oktober 1971«
Quell-Dokumente in den sechs Amtssprachen der UN: https://digitallibrary.un.org/record/192054. (Übersetzt aus dem Englischen)
Anmerkung:
[1] Zu den Hintergründen siehe den Beitrag von Wolfram Adolphi »Seit 50 Jahren: Die Volksrepublik China in der UNO« in den Mitteilungen, Heft 10/2021: https://kpf.die-linke.de/mitteilungen/detail/seit-50-jahren-die-volksrepublik-china-in-der-uno/.
Mehr von Moritz Hieronymi in den »Mitteilungen«:
2022-07: Die anderen Menschenrechte
2022-06: Drei Hypothesen für eine linke Außenpolitik
2022-04: Der Rapallo-Komplex