Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Spaniens Himmel (I): Fliegen und Siegen der Legion Condor [1]

Horsta Krum, Berlin

 

Am Anfang war nur ein Transport vorgesehen: einige Flugzeuge sollten marokkanische Soldaten  und Kriegsgerät von Spanisch-Marokko auf das spanische Festland bringen – mehr nicht.

Vorgeschichte des Bürgerkrieges

Von 1873 bis 1902 hatte es bereits eine erste spanische Republik gegeben. Aber sie konnte die riesigen sozialen Probleme nicht lösen, von denen die verzweifelte Lage der Bauern das schwierigste war: die meisten überlebten recht und schlecht als Saisonarbeiter; sie litten unter den Großgrundbesitzern, der katholischen Kirche, dem Adel und dem Militär. Die darauffolgende Monarchie wurde 1931 von der zweiten Republik abgelöst. Sie sah sich wachsenden Konflikten gegenüber, zu denen auch der zunehmende Antiklerikalismus gehörte, anarchistische und Unabhängigkeitsbestrebungen einiger Provinzen, beispielsweise Katalonien, Baskenland. Kirche, Militär, Monarchisten und das reiche Bürgertum verschärften ihre Opposition gegen die Republik durch antisowjetische und antisemitische Propaganda. Den Militärputsch von 1932 konnte die republikanische Regierung bereits in seinen Anfängen vereiteln. Die bürgerlich-konservative Regierung, die ab Herbst 1933 im Amt war, milderte die Strafen der Putschisten und machte einige bescheidene soziale Verbesserungen rückgängig. Beides forderte scharfe und auch gewalttätige Proteste heraus, beispielsweise den Bergarbeiterstreik in Asturien 1934. Gegen ihn setzte die Regierung Militär ein unter dem Oberkommandierenden General Francisco Franco – mit dem Ergebnis von mindestens 1.300 Toten, davon 78 Prozent Zivilisten. Als Reaktion auf diese blutige Unterdrückung versetzte die Regierung Franco auf die Kanarischen Inseln.          

Nach den Wahlen im Februar 1936 konnte sich, ähnlich wie in Frankreich, eine Volksfrontregierung bilden. Sie versetzte weitere Militärs auf Inseln und nach Spanisch-Marokko und versuchte auf diese Weise, neuen Umsturzplänen zuvorzukommen.

Vorgeschichte der deutschen Intervention

Aber am 17. Juli 1936 begann der Putsch einiger Militärs in Spanisch-Marokko, dann in Nord- und Südspanien gegen die republikanische Volksfront-Regierung. Die Guardia Civil (Polizeieinheit mit militärischen Befugnissen) und der Grenzschutz schlossen sich den Putschisten an. Aber die Aufständischen hatten sich bald verausgabt, so dass General Emilio Mola, der den Putsch in Nordspanien leitete, sich an das Auswärtige Amt in Berlin wandte. Die Schwerfälligkeit der deutschen Bürokratie verhinderte (absichtlich?), dass seine Anfrage gehört wurde.

General Franco wählte einen anderen, einen inoffiziellen Weg: Er befand sich ja auf den  Kanarischen Inseln und übernahm am 19. Juli das Oberkommando über das sogenannte  Afrikanische Heer, das sich in Spanisch-Marokko befand. Auf den Kanarischen Inseln gab es eine alteingesessene deutsche Kolonie, die über die Auslandsorganisation der NSDAP gute Kontakte zu Wilhelm Canaris hatte, dem Chef der deutschen Abwehr. Mit seiner Hilfe und mit Hilfe von Rudolf Heß empfing Hitler am 25. und 26. Juli zwei marokkanische Abgesandte von Franco, die um Transportflugzeuge baten, damit man Soldaten und Kriegsgerät von Spanisch-Marokko auf das Festland transportieren könne. Die eigenen Kräfte reichten nicht für den Luftweg, und der Seeweg war versperrt, weil die spanische Marine zu zwei Dritteln republikanisch geblieben war.

Ohne einen Tag zu verlieren, ordnete Hitler das »Unternehmen Feuerzauber« an.

Vom Segelflug zur Luftwaffe

Gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages durfte Deutschland nach 1918 nur ein zahlenmäßig eingeschränktes und von den Siegermächten kontrolliertes Heer aufbauen; insbesondere bestand ein militärisches Flugverbot. Legenden, heroische Darstellungen von berühmten Fliegern des Ersten Weltkrieges, wie Manfred von Richthofen, nährten die ehemaligen Flieger, denen nun das Fliegen verboten war, und gaben der heranwachsenden männlichen Jugend Persönlichkeiten vor, mit denen sie sich identifizieren konnte.

Das Segelfliegen, das nicht einer Elite vorbehalten war, bot nicht nur die Faszination des Fliegens, sondern kam auch der Begeisterung für Technik entgegen; sie förderte das Gemeinschaftserlebnis, das an Kameradschaften des Krieges anknüpfte, aber auch an die Kriegshelden als Einzelperson. So konnte es Sehnsüchte der Jungen auffangen und Bitterkeit der ehemaliger Kriegsteilnehmer kompensieren.

Für die Frauen, die nach 1918 neue Rechte erworben hatten, bedeuteten die Technik-Begeisterung und die Stärkung des ausschließlich männlichem Sports einen Rückschritt. Sie wurden auf Haushalt und typisch weibliche Tätigkeiten zurückgeworfen, Männlichkeitsideale drängten sich in den Vordergrund und stärkten den Boden für den Faschismus.

Zivilflug war in Deutschland gestattet. Auch er bot Ersatz für Flieger des Weltkrieges. Zunächst übten die Alliierten eine strenge Kontrolle über den Zivilflug aus, lockerten diese aber allmählich;  auch hoben sie 1923 das Verbot motorisierten Sportfluges auf, so dass – unter dem Tarnmantel des zivilen und sportlichen Fliegens – zunehmend militärisch ausgebildet wurde. Auslandserfahrung konnten die Ausgebildeten in Spanien sammeln, auch in der Sowjetunion, wo Stalin 1925, ein Jahr nach Lenins Tod, den deutschen Fliegern ein großes Gelände bei Lipezk, knapp 400 km südöstlich von Moskau, zur Verfügung stellte. Das Flugpersonal reiste getarnt als Zivilisten, die Flugzeuge wurden in kleine Einzelteile zerlegt und gelangten auf abenteuerliche Weise über die Ostsee an den Bestimmungsort. Aufzeichnungen und verräterische Briefe durfte es nicht geben, da die militärische Ausbildung unter strenger Geheimhaltung stand, stehen musste. In Lipezk wurden zwischen 1925 und 1933 etwa 220 Angehörige der zivilen »Lufthansa« als Jagdflieger und Beobachter umgeschult.

Die materielle Aufrüstung ist schwer zu beziffern, da zivile und militärische Einrichtungen stark vermischt waren. Sicher ist, dass Deutschland bereits 1927/28 mehr Luftpassagiere beförderte als Frankreich, Großbritannien und Italien zusammen. Und auch dies ist sicher: In der Weimarer Republik wurde die Basis für die künftige Luftwaffe geschaffen.

Nach 1933 behielt die Nazi-Regierung die Verzahnung von ziviler und militärischer Luftfahrt bei. Das neue »Tausendjährige Reich« wollte den Siegermächten von 1918 keinen Einblick in seine Aufrüstungsbemühungen geben.

Die deutsche Intervention

So waren für das »Unternehmen Feuerzauber« Ende Juli 1936 die personellen, materiellen und technischen Voraussetzungen geschaffen. Allerdings galt auch hier Geheimhaltung, denn Deutschland hatte diplomatische Beziehungen zur spanischen Republik. 25 Offiziere, 66 Unteroffiziere, dazu Soldaten und Techniker, die alle formell aus der Wehrmacht ausgetreten waren, fuhren zunächst mit der Bahn nach Hamburg, von dort aus betraten sie das Schiff  einer zivilen Schifffahrtslinie. An Bord befanden sich bereits zehn Transport- und sechs Jagdflugzeuge, in Einzelteile zerlegt. Am 31. Juli stach das Schiff in See. Wahrscheinlich konnte sich niemand der Beteiligten vorstellen, auch nicht die Verantwortlichen in Berlin, wie sehr sich die anfängliche Transporthilfe ausweiten würde. So lauteten die ersten deutschen Befehle: keine Einmischung in militärische Auseinandersetzungen. Die Jagdflugzeuge sollten lediglich die Transportflugzeuge absichern und nicht von Deutschen geflogen werden. Am 6. August traf das Schiff in der andalusischen Festungsstadt Cadiz ein.

Zu dieser Zeit kontrollierten etwa 100.000 bewaffnete Putschisten den Nordwesten, Altkastilien, Àlava, Navarra, Aragón, Teile Andalusiens und der Balearen und die Kanarischen Inseln, hauptsächlich ländliche Gebiete mit insgesamt etwa 11 Millionen Einwohnern. Die Putschisten, die mit einem schnellen Sieg gerechnet hatten, besaßen kaum Flugzeuge, kaum Devisen für den Kauf von Benzin und Munition; aber materielle Hilfe erhielten sie schnell von nordamerikanischen und britischen Banken, aus Italien, Portugal und vor allem aus Deutschland. Zivile Schiffe lieferten bereits Ende August 1936 Munition und anderes Kriegsgerät. Neben staatlicher Hilfe waren es vor allem Siemens und IG Farben, die für die Putschisten spendeten.

Das Gebiet, das dem republikanischen Spanien zu der Zeit verblieben war, umfasste Asturien, Katalonien, das Baskenland, die Hauptstadt Madrid und Teile anderer Gebiete, insgesamt 14 Millionen Einwohner, industrielle und kommerzielle Zentren und die Nationalbank. Die Luftstreitmacht besaß lediglich veraltete Flugzeuge. Schlecht bewaffnet und schlecht ausgebildet war die etwa 110.000 Mann starke Truppe. Zehn bis zwanzig Prozent der Offiziere waren republikanisch geblieben. Aber dieser Bestand an Menschen und Material hätte sicherlich ausgereicht, den Transport des gut trainierten, kampferfahrenen Afrikaheeres nach Spanien zu verzögern und so vielleicht die Kräfteverhältnisse zugunsten der Republik zu beeinflussen.

Kaum waren die Deutschen angekommen, bauten sie ihre Flugzeuge zusammen. Ein kleines  Kontingent von spanischen und italienischen Flugzeugen hatte bereits mit der Luftbrücke begonnen, die nun systematisch und in großem Stil fortgesetzt wurde. Zu den bereits vorhandenen sechzehn deutschen Flugzeugen kamen neun aus dem Bestand der Lufthansa hinzu. Bis in den Oktober hinein erreichten 13.000 Mann und 270 Tonnen Material das spanische Festland.

In Sevilla rüsteten die Deutschen einige Transportflugzeuge um in Bomber. Bereits eine Woche nach Ankunft begannen sie, in militärische Auseinandersetzungen einzugreifen – ob eigenmächtig oder nicht, wurde nie festgestellt, denn noch waren die Aktivitäten der Putschisten und der Deutschen recht unkoordiniert und unstrukturiert.

Herbst 1936: eine neue Etappe

Das ändert sich ab dem Herbst: Die Putschisten nennen sich offiziell die »Nationalen« oder »Nationalisten«. Mit der Aufwertung der Bewegung »Falange« beansprucht Franco immer deutlicher die militärische und politische Führerposition (Generalissimo und Caudillo). Gestärkt durch Deutschland und Italien, beschließt er die Eroberung der Hauptstadt Madrid.

Die deutschen Aktivitäten, einschließlich der Waffenlieferungen, werden von Berlin aus geordnet. Weitere Flugzeuge kommen hinzu, der Personalbestand wird auf etwa 5.000 Mann erhöht. Diese Zahl bleibt bis zum Ende etwa gleich, aber die Personen wechseln aller neun Monate. Göring nennt die Unternehmung »Legion Condor« – ein beliebter Name für Segelflugzeuge.                                                                      

(Fortsetzung im nächsten Heft)

 

Anmerkung: 

[1]  Historischer Anlass für diesen Beitrag ist der 80. Jahrestag der am 6. Juni 1939 in Berlin Unter den Linden zelebrierten Siegesparade der »Legion Condor«, die im abschließenden Teil II erwähnt wird.

 

Mehr von Horsta Krum in den »Mitteilungen«: 

2019-04: Worte wie winzige Arsendosen

2019-01: Freund der Armen

2018-07: Gründlich bis ins Detail: Die Beseitigung jüdischer Namen auf Berlins Straßenschildern