Realitätsverlust vermeiden
Ellen Brombacher, Berlin, Diskussionsbeitrag auf dem Hannoverschen Parteitag
Manchmal muss zunächst eine Begriffsklärung erfolgen. Ein Heckenschütze ist jemand, der aus dem Hinterhalt auf Menschen schießt, im übertragenen Sinne ist es jemand, der sich intrigant und hinterhältig benimmt. In der Ausgabe des Freitag vom 8. Juni 2017 bezeichnet Benni Hoff die Unterzeichner eines Offenen Briefes an die Parteitagsdelegierten als Heckenschützen. Sie würden immer dann an die Öffentlichkeit treten, wenn Gestaltungspolitik mit »roten Haltelinien« kollidiert.
Warum eigentlich sollte es intrigant sein, sich gegen die Verbreitung der Doppel-Illusion zu wenden, es könne a) in etwa 100 Tagen Rot-Rot-Grün geben und b) mit Rot-Rot-Grün gäbe es dann einen Politikwechsel. Wer in diesem Saal kann sich vorstellen, dass SPD und Grüne die NATO ablehnen und mit ihr Auslandseinsätze der Bundeswehr; oder dass diese beiden Parteien sich der forcierten Militarisierung der EU – der sogenannten »strategischen Autonomie« – in den Weg stellen würden? Oder ist es ernsthaft vorstellbar, dass wir – DIE LINKE – unsere friedenspolitischen Grundsätze aufgeben? Aus Zeitgründen verzichte ich hier auf analoge Fragestellungen, z.B. den sozialen Bereich betreffend.
Und auch rein arithmetisch ist doch an Rot-Rot-Grün nicht zu denken. Man kann natürlich Corbyn und seine Aufholjagd als Zeugen aufrufen. Aber – Merkel ist nicht May und Schulz ist nicht Corbyn! Von Schulz lernen heißt eben nicht unbedingt siegen lernen. Bei der Vorstellung des Rentenkonzepts der SPD mit Blick auf die Belastungen der Rentenkasse im Jahr 2029 äußerte Schulz, dann – 2029 – sei er, wenn alles gut liefe, im zwölften Jahr Kanzler. Diese Art von Realitätsverlust sollten wir vermeiden. Denn Realitätsverlust hat eine ungute Konsequenz. Man erkennt nicht mehr zur Genüge, worum es geht. Es geht im Wahlkampf nicht darum, Rot-Rot-Grün beinahe voraussetzungslos zu propagieren, sondern es geht um unsere Erkenntlichkeit. Kein Zweifel darf aufkommen hinsichtlich unserer Friedenspolitik, kein Zweifel an unserem konsequenten Antifaschismus und keiner daran, dass für uns soziale Gerechtigkeit und Hartz IV unvereinbar sind. Stellen wir uns auf einen klaren Oppositionswahlkampf ein, auch, um den Demagogen der AfD keine Möglichkeit einzuräumen, sich als die wahre Oppositionskraft darzustellen.
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