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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Patrice Lumumba – Fanal Afrikas

Dr. Hartmut König, Panketal

 

Vor 100 Jahren wurde der Vorkämpfer der afrikanischen Befreiungsbewegung geboren

 

Eiligst hatte CIA-Chef Dulles seinen Brüsseler Büroleiter Laurence Devlin ins kongolesi­sche Léopoldville beordert, damit er sich um den Außenposten der Agency kümmern und vor allem die im Weißen Haus suspekte Regierungsarbeit des frei gewählten Pre­miers Patrice Lumumba taxieren sollte. Wochen später, am 18. August 1960, so ent­hüllt Tim Weiner in seinem Opus Magnum »CIA – Die ganze Geschichte«, telegrafierte Devlin an die Zentrale: »Kongo erlebt klassische kommunistische Übernahme … Mögli­cherweise nur noch wenig Zeit für Maßnahmen zur Verhinderung eines zweiten Kuba.« Dulles habe die Nachricht noch am selben Tag dem Nationalen Sicherheitsrat vorgetra­gen, worauf ihm Präsident Eisenhower erklärt habe, Lumumba müsse beseitigt werden. Eine solche Order erging telegrafisch an Devlin, der später von Sidney Gottlieb, dem Chemiespezialisten der CIA, Besuch bekam. Im Handgepäck Phiolen mit tödlichem Gift, das tropfenweise im Essen verabreicht oder in die Zahnpasta gemischt werden sollte. Devlin sagte später unter Eid aus, der hochrangige Giftbote hätte auf seine Frage nach dem Auftraggeber geantwortet: »Auf Befehl des Präsidenten«. Er selbst habe sich für die Anweisung geschämt und das Gift vergraben, wissend, dass die CIA über andere Methoden verfügte.

Mord im Auftrag

Devlin irrte sich nicht. Längst hatte sich die CIA mit Joseph Mobutu, einst ein Wegge­fährte Lumumbas und nun Stabschef der kongolesischen Armee, ihren Quisling ausge­sucht. In dem beschönigend als »Kongo-Wirren« bezeichneten Umsturz verbündete sich Mobutu mit Präsident Kasavubu. Im Zuge seines von den USA bestellten Putsches ord­nete Mobuto die Verhaftung Lumumbas an. Nach wiederholten Festsetzungen und Fluchtversuchen wurde der gestürzte Premier in die abtrünnige Provinz Katanga ver­schleppt, wo er in die Fänge des sadistischen Separatistenführers Moise Tschombé geriet. Hier erfüllte sich nach grausamer Folter der Mordplan der CIA. Patrice Lumumba wurde am 17. Januar 1961 in der Nähe von Élisabethville erschossen. Der Versuch sei­ner Mörder, den Tod als Lynchmord der einheimischen Dorfbevölkerung hinzustellen, scheiterte. Der 2001 veröffentlichte Abschlussbericht einer Untersuchungskommission des belgischen Parlamentes spricht von einer Exekution unter belgischem Kommando. Zunächst an Ort und Stelle verscharrt, sei der Leichnam Tage später exhumiert, in Salz­säure aufgelöst und die Überreste verbrannt worden. Der seinen kolonialen Sentiments anhängende belgische König habe von den Plänen zur Tötung gewusst.

Was hatte Patrice Lumumba zu jener gefürchteten Hassfigur werden lassen, gegen die sich eine Allianz von CIA und belgischen Kolonialherren samt höriger kongolesischer Oberschicht, aber auch Südafrikas Rassistenregime sowie die portugiesische Kolonial­verwaltung verschworen hatten? Es waren panische Ängste vor einem Weckruf, vor einem Fanal zum Aufbruch, dem eine Lawine nationaler, gar sozialer Befreiungskämpfe folgen könnte. Und Wirtschaftsinteressen, versteht sich.

Antiimperialistischer Rebell im Kalten Krieg

Als Lumumba vor 100 Jahren, am 2. Juli 1925, geboren wurde, betrat er als Élias Okit'Asombo die Welt.Lumumba, was landessprachlich für massenverbunden oder auf­müpfig stehen soll, ist eine spätere Zuschreibung. Aber sie trifft offenbar einen schon früh erkennbaren Charakterzug des Jungen. Jedenfalls flog er wegen Aufsässigkeit von der protestantischen Missionsschule. In Stanleyville zum Postbeamten ausgebildet, war der junge Mann alsbald im kulturellen und wissenschaftlichen Leben der gebildeten Schichten präsent, betätigte sich publizistisch und engagierte sich in der Beamten­gewerkschaft. 1958 gehörte er zu den Gründern und bald auch zu den führenden Köp­fen der für die nationale Unabhängigkeit eintretenden Partei »Mouvement National Con­golais« (MNC). 1959 verhaftet, nach Folterungen aber wieder auf freiem Fuß, erlebte er den Sieg der MNC bei den Parlamentswahlen im Mai 1960, dem am 30. Juni die Unab­hängigkeit des Kongo folgte. Patrice Lumumba wurde Premier und Joseph Kasavubu, der ihn später verraten sollte, Staatspräsident des unabhängigen Kongo. Bereits beim Festakt konfrontierte Patrice Lumumba den anwesenden belgischen König Baudouin, der seinem Kolonialregime vollmundig »zivilisatorische Verdienste« zugesprochen hatte, mit dem Vorwurf von Ausbeutung und Unterdrückung, unter denen das ausgeplünderte und rückständig gehaltene Land gelitten hatte. Verhältnisse, die die verbliebenen wei­ßen Agrarier und Unternehmer, gestützt vom noch unter belgischem Kommando ste­henden Militär, gern konserviert hätten. Vor allem die europäischen Herren der Berg­baubetriebe sorgten sich angesichts der in Aussicht stehenden Verstaatlichungen um ihre Pfründe und betrieben die Destabilisierung der Lumumba-Regierung. Nicht zuletzt durch die Unterstützung von Sezessionen, gegen die auch die entsandten Blauhelmkon­tingente nichts unternahmen. Mit seiner naiven Hoffnung auf Unterstützung der USA bei der politischen und wirtschaftlichen Konsolidierung seines Landes war Lumumba in Washington abgeblitzt. Als er sich nach der überfallartigen Landung belgischer Fall­schirmjäger mit der Bitte um Hilfe an die Sowjetunion wandte, geriet er unweigerlich in den Sog des mit der amerikanischen Containment-Politik forcierten Kalten Krieges. Hatte schon des Reizpotential der selbstbewussten ghanaischen Regierung unter Kwame Nkrumah die Machtzentren des Großkapitals alarmiert, so wollte man den emanzipatorischen Ideen Lumumbas nunmehr keinerlei Raum geben. Aus geopoliti­schen Erwägungen, aber auch wegen der reichen, unverzichtbaren Rohstoffvorkommen des Kongo wie Cobalt, Kupfer, Mangan, Gold, Zink, Zinn, Diamanten und Uran.

Vorkämpfer der afrikanischen Befreiung

Lumumba geriet aus politischem Kalkül ins Visier seiner Mörder. Dieses Schicksal teilt er mit anderen Staatsmännern, die zu seiner oder in späterer Zeit die nationalen Be­dürfnisse ihrer Länder vor die egoistischen Interessen des angemaßten amerikanischen Weltgendarmen gestellt hatten. Regime-Change samt Ausschaltung unliebsamer Politi­ker, diese perfide Spezialität der CIA ist ein älteres und noch immer nicht überwunde­nes Übel. In der Person des charismatischen Patrice Lumumba traf es damals die Per­spektiven des in antikolonialistische Vibration geratenen afrikanischen Kontinents.

Dass Lumumbas Gegner alarmiert waren und jene abgefeimte Zweckallianz bildeten, die seinen Kopf forderte, ergab sich aus deren Bedrängnis. Der belgische Kolonialismus war im Begriff, die überseeischen Reichtümer zu verlieren und leckte seine Wunden. Uncle Sam ängstigte ein möglicher Funkensprung in Afrika, und er argwöhnte gar einen Überflug auf den eigenen lateinamerikanischen Vorhof. Das südafrikanische Rassisten­regime befürchtete, was später mit dem Sturz des Apartheidsystems eintraf. Die portu­giesischen Kolonialherren plagten Albträume um den Verlust ihrer Besitzungen in Ango­la, Mosambik oder Guinea-Bissau. Mit dem damaligen sozialistischen Weltlager als Ver­bündetem konnten sich, dem alten Kolonialstiefel und allen neokolonialistischen Schraubzwingen des Imperialismus zum Trotz, auf dem afrikanischen Kontinent günsti­ge Entwicklungen vollziehen.

Die Verschiebung der Weltachsen infolge des Niedergangs der sozialistischen Staaten­gemeinschaft in Europa mag sie zeitweilig gedämpft oder beseitigt haben. Aber diese Gegenläufe setzten kein bleiernes, ewiges Siegel auf die noch einmal reaktionär gewen­deten Zustände. Längst platzieren alerte Nationalstaaten neue, souveräne Ausrufezei­chen in der Weltagenda. Denken wir an die Allianz der Sahel-Staaten, die sich vereint altem französischen Kolonialgehabe widersetzt. Zum gemeinsamen Vorteil wenden sich immer mehr Länder dem von der Volksrepublik China initiierten Seidenstraßenprojekt zu. Die in der BRICS-Gruppe verbundenen Nationen ringen um ein wirtschaftlich ver­nünftiges, den Frieden bewahrendes und die ökologische Substanz erhaltendes Leben auf unserem Planeten. Das wirft auch wieder Fragen nach den Freiheitsgraden in den Gesellschaften auf. Werte der unbelehrbar missionierenden westlichen Usurpatoren, die nur noch als überlegen behauptet, im Alltagsleben der Menschen jedoch nicht ein­gelöst werden, verlieren ihre Überzeugungskraft. Während sich die Welt unter Mühen neu ordnet, wünschte man sich, dass die Vorkämpfer für Frieden, Fortschritt und sozia­le Gerechtigkeit aufmerksam von den Völkern gehört würden. Patrice Lumumba und seinesgleichen haben der Welt Entscheidendes zu sagen.

 

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