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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

»... nicht Klassenkampf, sondern das Gegenteil davon«

Dr. Artur Pech, Schöneiche

 

Liebe Genossinnen und Genossen!

»Wir dürfen diese Partei nicht aufgeben! Wir dürfen sie nicht einigen wenigen überlassen, deren Ziel offenkundig darin zu bestehen scheint, Helfer am Krankenbett des Kapitalismus zu sein. Wir wollen dieses System nicht heilen, sondern müssen es überwinden.«

»Die SED ging zugrunde, weil die Führung selbstgefällig und arrogant, unbeirrt und unbe­eindruckt ihren Kurs verfolgte und ignorierte, was die kritische Basis daran anstößig fand. Damit zerstörte diese Führung objektiv die Partei von oben. Das Ende ist bekannt. Am Ende meiner Tage fürchte ich die Wiederholung.«

Das schrieb Hans Modrow vor etwas mehr als einem Jahr. Dafür wurde er zum Ziel einer niederträchtigen Intrige, die ihm sein letztes Jahr schwer machte.

Darüber habe ich schon auf unserem vorigen Parteitag gesprochen. Und weil seine Be­fürchtungen sich immer mehr bestätigen, muss ich erneut daran anknüpfen. Denn der Ver­such, diese grundsätzliche Erkenntnis in vielen Einzelfragen aufzulösen und so die Kernfra­ge zu umgehen, wird die Probleme der LINKEN nicht lösen, sondern ihre Krise weiter ver­schärfen.

Ein wesentlicher Teil unseres heutigen Parteitages wird durch den Leitantrag zur Vorberei­tung der Kommunalwahlen 2024 bestimmt. Nun vollende ich in diesem Jahr mein dreißigs­tes Jahr als kommunaler Mandatsträger. Da kamen viele Erfahrungen zusammen. Auf zwei davon will ich eingehen.

Die erste: Auch bei aufopferungsvollstem Einsatz kann die kommunale Ebene die strategi­schen Fehler der Gesamtpartei nicht ausgleichen.

Die Zweite: Formelkompromisse zur Wahrung des innerparteilichen Friedens verhindern die Klärung der Fragen, an denen nicht nur die Existenz der Partei hängt, und führen letzt­lich in den Untergang.

Ich mache es konkret: Im Oktober erhielt ich aus der Fraktion in Brüssel die Information, dass der Stab für die Ausbildung ukrainischer Soldaten durch die Bundeswehr in Straus­berg residiert. Eine solche Ausbildung hatte einige Monate vorher der wissenschaftliche Dienst des Bundestages noch als Schwelle zur Kriegsbeteiligung benannt. Ich schlug vor, etwas dagegen zu tun und die Kreisvorstände in LOS und MOL ergriffen dafür die Initiative. Ein Ergebnis war der von einem Bündnis getragene Ostermarsch in Strausberg, der den von der offiziellen Linken in Potsdam organisierten Ostermarsch bei weitem in den Schat­ten stellte.

Und gleichzeitig spaltete die LINKE in Potsdam Ostermarsch und Friedensbewegung. Ich kann nicht sagen, ob die Marginalisierung der Friedensbewegung die Absicht der Spaltung war. Das Ergebnis spricht für sich.

Im Herbst bin ich auf alle Fraktionen des Kreistages mit Ausnahme der AfD zugegangen, um einen gemeinsamen Antrag zu erreichen, der von der Bundesregierung Friedenspolitik einfordert. Letztlich hat die Fraktion FDP/B-J-A/BVFO mit uns gemeinsam einen solchen Antrag eingebracht. Der ist dann nur deshalb bei Stimmengleichheit im Kreistag geschei­tert, weil ein Mitglied unserer Fraktion zur Kriegspartei übergelaufen ist und gegen unse­ren Antrag gestimmt hat. Mit welchen nachgeschobenen abstrusen Begründungen auch immer gerechtfertigt: Im Ergebnis wird so Widerstand gegen Kriegspolitik unterwandert.

Ich weiß, dass Zitate nichts beweisen. Aber da in der LINKEN jährlich im Januar die Tradi­tionslinie zu Karl Liebknecht aufgerufen wird, will ich als Sprecher des jüngst als LAG kon­stituierten Karl-Liebknecht-Kreises in der LINKEN Brandenburg abschließend unseren Na­mensgeber zitieren. Vielleicht macht das ja doch die eine oder den anderen nachdenklich. Liebknecht schrieb während des ersten Weltkrieges:

»Würden die deutschen Sozialisten z. B. die englische Regierung und die englischen Sozia­listen z. B. die deutsche Regierung bekämpfen, so wäre das eine Farce oder Schlimmeres … Eine solche Sorte Politik ist Kriegshetzerei und nicht Klassenkampf, sondern das Gegen­teil davon.«

Das all jenen hierzulande ins Stammbuch, die ihren Beitrag zum Kampf gegen die »russi­schen Oligarchen« leisten wollen.

Es gibt also Grund, sich an die Lehren der Arbeiterbewegung, sich an Karl Marx, an Fried­rich Engels, an Karl Liebknecht zu erinnern. Eine weltanschaulich und theoretisch entkern­te und in Formelkompromissen erstarrte Linke wird nicht Bestand haben.

Diskussionsbeitrag zum Landesparteitag Brandenburg am 22. April 2023

 

Mehr von Artur Pech in den »Mitteilungen«:

2020-07: 70 Jahre Vertrag über die Oder-Neiße-Friedensgrenze

2016-02: Grenzregime heute

2011-01: Kriegsverhinderung verlangt klare Begriffe