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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Spaniens Himmel (II): Fliegen und Siegen der Legion Condor [1]

Horsta Krum, Berlin

 

Den Kampf um Madrid brach Franco 1936 zunächst ab, denn der dauerte ihm zu lange. Um seine Führungsposition zu festigen, wollte er einen schnellen Sieg, den er mit der Stadt Toledo und der bekannten Burg Alcázar Ende September errang.

Die deutsche Herrschaft

Damit wuchs auch seine Abhängigkeit vom seit Ende Juli in Spanien intervenierenden Deutschland. Er musste täglich mit Verbindungsoffizieren kommunizieren; ein ständiger deutscher Vertreter gehörte zu seinem Stab. Deutsche Offiziere bildeten Spanier aus, die Kampfeinsätze in der Luft standen unter deutschem Kommando.

Deutschland hatte bereits mit der republikanischen Regierung Abkommen über die Lieferung von Eisenerz und Schwefelkies geschlossen. Seit Ende 1936 ging es zu einer schonungslosen Ausbeutung über: Es machte die Gebiete, die von Francos Truppen kontrolliert wurden, zur billigen Rohstoffquelle und zum Absatzmarkt für Fertigprodukte und zur Brücke nach Nordafrika. Um das Maß der Ausbeutung gegenüber der republikanischen Regierung und auch gegenüber der Bevölkerung zu verschleiern, wurden scheinbar private Firmen in Spanien und in Deutschland geschaffen, die von deutschen Ministerien abhängig waren.

Franco versuchte, den deutschen Anteil an Minenrechten einzuschränken, spielte Deutschland gegen Großbritannien aus, das ebenfalls an Minenrechten interessiert war. Auch US-amerikanische Unternehmen erwarben im Laufe des Krieges Anteile. Die Abhängigkeit von der Legion Condor zwang Franco immer wieder zu Zugeständnissen an Nazi-Deutschland. Als die republikanischen Truppen im Juli 1938 ihre Offensive am Ebro begannen, brauchte Franco dringend deutsche Unterstützung. Danach gingen alle Minenrechte in Marokko und eine Mehrheitsbeteiligung an fünf spanischen Bergwerksgesellschaften an Deutschland.

Auch außerhalb von Militär und Wirtschaft war Deutschland in Spanien zunehmend präsent: in Erziehung und Kultur und damit auch innerhalb der deutschen Kolonien. Die nazi-ergebenen »Deutschen Christen« beeinflussten die evangelischen Gemeinden. Die Zahl der bereits bestehenden deutschen Schulen wurde vergrößert. Zwei Frauen deutsch-spanischer Herkunft aus der Frauenabteilung der Falange richteten eine Art Winterhilfe nach deutschem Vorbild ein. Sprachkurse der jeweils anderen Sprache waren in beiden Ländern gefragt, ergänzt durch Gruppenreisen hin und her. Das Ibero-Amerikanische Institut in Berlin verstärkte seine Aktivitäten, der Deutsche Akademische Austauschdienst legte seinen Schwerpunkt auf Spanien.

Viele Feiern prägten das öffentliche Leben in Spanien, wobei sich Deutschland, Spanien, Italien und Portugal meist gemeinsam mit ihren Flaggen und Hymnen präsentierten. Spanische Heilige, das deutsche Erntedankfest – es gab viele Anlässe zum Feiern. Großen Einfluss übten das »Deutsche Nachrichtenbüro« und ein Sonderstab des Propagandaministeriums auf die Presse aus. Seit November 1937 richteten die Deutschen ein national-spanisches Radionetz ein. Die anti-kommunistische und anti-republikanische Propaganda wurde immer aggressiver. Ein deutsch-spanisches Polizeiabkommen sorgte für den Aufbau eines Polizeifunks – weitere Beispiele der Präsenz und des Einflusses Nazi-Deutschlands in Spanien ließen sich nennen.    

Die offiziellen Feiern und die Fotos mit deutschen und spanischen Soldaten, die sich lachend umarmen, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Präsenz auf Misstrauen stieß, auch unter den Anhängern Francos. Zwar geschah die wirtschaftliche Ausbeutung möglichst verdeckt, blieb aber weder in Spanien noch im Ausland verborgen.

Madrid

Während des Vorstoßes auf Madrid gingen die Nationalisten und ihre Verbündeten brutal gegen die Zivilbevölkerung vor, um sie von den Republikanern zu trennen. Aber Madrid verteidigten nicht nur die Republikaner, sondern auch die Internationalen Brigaden, Antifaschisten aus vielen Ländern, die hochmotiviert, jedoch schlecht ausgebildet waren. Die starke Bombardierung Madrids sollte den Widerstandswillen aller derer brechen, die in der Stadt waren. Ausländische Journalisten berichteten fassungslos über gezielte Tötung von Zivilisten (»sadistic bombing«). Dem festen Widerstandswillen der Einwohner hatten sich sogar die anarchistischen Arbeitergruppen angeschlossen. Anfänglich führten die Republikaner ihre Luftkämpfe nur mit französischer Unterstützung, so dass die Nationalisten bereits Siegesfeiern vorbereiteten; der gute Katholik Franco ließ verkünden, dass er die Weihnachtsmesse in Madrid feiern werde. Aber die Flugzeuge, Piloten und Waffenlieferungen aus der Sowjetunion stärkten die Republikaner. Im Dezember 1936 ließ Franco den Kampf abbrechen. Ein Teil der nationalistischen Truppen blieb und belagerte die Hauptstadt, die sich nicht ergab – bis zur endgültigen Niederlage der Republikaner im März 1939.

Nicht nur militärische Hilfe stärkte den Widerstandswillen der Hauptstadt. Künstler, Intellektuelle hielten sich in der belagerten Stadt auf. Im Juli 1937 tagte dort der II. »Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur«. Egon Erwin Kisch beschreibt, wie oben und »hinter uns der Franco geflogen ist« [2] – vermutlich flog da aber nicht Franco, sondern Göring!

Was Ernst Busch von Madrid und Spaniens Himmel sang und andere Zeugnisse dieser Zeit werden heute, nach dem Sieg des totalen Kapitalismus, nicht mehr so oft gehört; aber sie werden noch da sein, wenn es die Trümmer der Flugzeuge, die einst Spaniens Himmel verdunkelten, längst nicht mehr gibt.

Guernica

Wolfram von Richthofen, Stabschef der Legion Condor, sollte in Spanien Flugzeuge und Bomben testen und deren besondere Auswirkung auf die Zivilgesellschaft dokumentieren. Die Zerstörung der Häuser, der Infrastruktur und die Zahl der Toten sollten, wie auch in Madrid, die Moral der Überlebenden zermürben. Dabei ergänzten sich die Brutalität der Franco-Truppen am Boden und das Zerstörungswerk der Legion Condor aus der Luft.

Die ersten Erfahrungen sammelten die Deutschen im Süden: Von vielen Dörfern »ist buchstäblich nichts als ein Trümmerhaufen übriggeblieben«. [3] Aber Richthofen wollte Städte testen. Mit den Städten des Südens war er aber nicht zufrieden, »da ›der überwiegende Teil der Wohnungen nur eine ganz spärliche Möbelausstattung aufweisen (!) und auch andere brennbare Ausstattungen, z.B. Fenstervorhänge, meist nicht vorhanden sind.‹ Falls ›unter Berücksichtigung nicht vorherzusehender glücklicher Umstände‹ dennoch einzelne Brände entstünden, würden sich diese jedoch ›nach allen bisherigen Erfahrungen nicht zu den erstrebten Brandkatastrophen entwickeln, da die Einwohner die Zimmerbrände mit einfachen Mitteln löschen‹ könnten.« [4]

So ließ Franco Ende März 1937 die Nordfront eröffnen. Endlich konnten Richthofen und seine Leute Städte testen, die in ihrer Bauweise den Städten der westlichen Nachbarländer Deutschlands ähnelten. So sammelte Nazi-Deutschland in Spanien nicht nur allgemeine Erfahrungen, sondern bereitete schon Details seines geplanten Krieges vor. Richthofen, der ja auch die spanischen und italienischen Kontingente der Luftwaffe befehligte, war nur Franco gegenüber verantwortlich. Er bezeichnete das als »Spaß«, denn »praktisch führen wir den ganzen Laden, ohne eigentliche Verantwortung.« [5]

Am 26. April befahl er, die baskische Kleinstadt Stadt Guernica, die 5- bis 6.000 Einwohner zählte, aus der Luft zu bombardieren. Ihre kulturelle und religiöse Tradition gab der Stadt eine besondere Bedeutung.

Die Bomben und der anschließende Großbrand zerstörten 80 Prozent aller Gebäude, darunter den Bahnhof, eine Olivenfabrik. Die Zerstörung der Wasserleitungen vereitelte Löschversuche. Nach zweieinhalbstündigem Bombardement schossen Flugzeuge auf Flüchtende. Ob die Zahl der getöteten Zivilisten mehrere hundert oder über tausend betrug, konnte nicht festgestellt werden, denn in die Stadt hatten sich Überlebende aus kleineren Nachbarorten geflüchtet, die kurz vorher unbewohnbar gebombt worden waren.

Das erschütternde Gemälde von Pablo Picasso hat das Verbrechen von Guernica auf besondere Weise im kollektiven Gedächtnis festgehalten. Aus dem besetzten Paris ist folgende Anekdote überliefert: Ein deutscher Offizier betritt Picassos Atelier und deutet auf das Guernica-Bild: »Haben Sie das gemacht?« – »Nein, Sie!« antwortete Picasso.

Das Ende

Auch wenn Franco auf weitere Kämpfe um Madrid zunächst verzichtete, konnten seine Truppen mit Hilfe der Verbündeten, besonders der Legion Condor, weitere Siege erringen. Im April 1938 brachen sie zum Mittelmeer durch und teilten so das republikanische Gebiet. Im Mai bot die republikanische Regierung Frieden an; Franco verlangte bedingungslose Kapitulation. Im Juli begannen die Republikaner ihren monatelangen Kampf am Ebro, um ihr Gebiet wieder zusammenzubringen. Im November erhielten die Nationalisten die letzte deutsche Waffenlieferung. Katalonien konnten sie bis zum 10. Februar 1939 erobern.

Die Furcht vor den Nationalisten hatte etwa 450.000 Menschen auf die Flucht nach Frankreich getrieben. Wie viele vor Kälte, Hunger und durch Beschuss aus der Luft starben, ist nicht bekannt. Die noch verbliebenen republikanischen Streitkräfte konnten sich nicht behaupten, waren zudem durch innere Auseinandersetzungen geschwächt. Madrid fiel am 27. März 1939. Am 1. April erklärte Franco den Krieg für beendet.

Am 6. Juni 1939 fand in Berlin die große Siegesparade der Spanienkämpfer statt. Nach der demütigenden Niederlage von 1918 war endlich ein Sieg zu feiern, ein ganz großer Sieg! Hitler nutzt die Parade, um Botschaften an verschiedene Adressaten zu senden: Den Feinden Deutschlands gegenüber demonstriert dieser Sieg »die Stärke der Wehrmacht«; dem deutschen Volk stärkt er das »Vertrauen zu sich selbst«; den Soldaten gibt er »Vertrauen in die neue deutsche Wehrmacht und in die Güte unsere neuen Waffen«. [6]

Während Hitler von den heldenmütigen Spanienkämpfern spricht und der tatkräftigen Hilfe des Deutschen Reiches, sitzen seine Beamten in ihren Büros und schreiben die Rechnung: Akribisch listen sie alles auf: Flugzeuge, Waffen, Munition, Taschenlampenbatterien, Filtereinsätze für die Gasmasken, Zeitungen, Filme für die Truppe, Beerdigungskosten der knapp 300 Toten; auch Zinsen für nicht pünktlich gezahlte Rechnungen. Der jeweilige Endpreis des Materials berücksichtigt Wertminderung und eventuelle Rückführung. Gelieferte Rohstoffe werden verrechnet. Bis Oktober 1940 konnte Spanien nicht alle Rohstoff- und Devisenforderungen erfüllen, so willigte das Deutsche Reich ein, die Restschuld im Wert von 16 Millionen Reichsmark in Peseten abzugleichen.

»Aus gegebenem Anlass gehört eine Kopie des Guernica-Bildes zur obligatorischen Ausstattung aller öffentlichen Räume, in denen Verhandlungen über Krieg und Frieden stattfinden. Wer glauben machen will, Picasso habe sich mit seiner anklagenden Mahnung nicht auch an ihn gewandt, irrt.« (Daniela Dahn) 

 

Anmerkungen:

[1] Teil I siehe Mitteilungen 6/2019 ab Seite 13.

[2] Egon Erwin Kisch, Briefe an Jarmila, 1998, S. 221, Hg. Klaus Haupt.

[3] Stefanie Schüler-Springorum, Krieg und Fliegen – Die Legion Condor, 2010, S. 182.

[4] Ebd. S. 183.

[5] Ebd. S. 186.

[6] Max Domarus, Hitler, Reden und Proklamationen, Teil II, 1988, S.1209.

 

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