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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Naturschutz trotz Blockade

Hellmut Naderer, Oelsnitz

 

Kuba leidet mehr als 60 Jahre unter einer Wirtschafts- Handels- und Finanzblockade. Dazu kommen Klimaveränderungen, die Kuba belasten. Die Tropensturmsaison 2024 hat u. a. mit den Stürmen Oscar und Rafaelihre Spuren hinterlassen. Die Frequenz besonders schwerer Stürme nimmt stetig zu. Hinzu kamen 2024 zwei Erdbeben mit der Magnitude 6,8 bzw. 5,9 in der Provinz Granma. Hurrikans und Erdbeben haben beson­ders die Landwirtschaft und das individuelle Leben zum Teil erheblich geschädigt.

Trotz dieser schwierigen Verhältnisse ist sich Kuba bewusst, dass es in der weltweiten Krise der Biodiversität eine hohe Verantwortung für den Erhalt seiner Arten und Lebensräume hat. Kuba ist sich auch des potenziellen Schadens bewusst, der seinen natürlichen Ressourcen zugefügt werden kann, und legt daher großen Wert auf den Schutz und die Erhaltung der Natur. Schon 1992 hat Fidel Castro in seiner berühmten Rede auf der UN-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro auf den Schwund von Lebensräu­men weltweit und dessen negative Auswirkungen auf die Menschheit hingewiesen.

Kuba selbst wird oft als »Perle der Antillen« bezeichnet, da es die biologisch vielfältigste und ökologisch reichhaltigste Insel der Karibik ist. Kuba verfügt über eine große Viel­falt an Ökosystemen (42 Typen) und Landschaften (23 Typen), von trockenen und halbtrockenen Gebieten bis hin zu feuchten, tropischen Wäldern und Bergen. 75 Prozent des Territoriums sind von Ebenen bedeckt, 18 Prozent von Bergen und die restlichen 4 Prozent von feuchten Küstengebieten. Mangroven machen 26 Prozent der Waldfläche des Landes und 70 Prozent seiner Küsten aus. Obwohl natürliche und anthropogene Stressfaktoren mehr als 30 Prozent der bestehenden Mangroven betroffen haben, steht dieses Ökosystem Kubas an erster Stelle unter den karibi­schen Inselstaaten und an neunter Stelle weltweit. Kuba ist das wichtigste Zentrum der Evolution und Artbildung auf den Antillen und eine der weltweit wichtigsten Inseln für die Artenvielfalt.

Der hohe Grad an Endemismus (alleiniges Vorkommen von Ar­ten in natürlicherweise abge­grenzten geografischen Berei­chen) ist auf extreme Klimabe­dingungen, Lebensraumvielfalt, geologische Evolution und geo­grafische Isolation zurückzu­führen. Infolgedessen kommen etwa 50 Prozent der 6.519 Gefäßpflanzenarten und 42 Prozent der schätzungsweise 26.953 Tierarten nur in Kuba vor. Zu den endemi­schen Arten der 612 Wirbeltierarten zählen 15 Säugetierarten, 91 Reptilien, 43 Amphibien, 23 Fischarten und 22 Vogelarten. Dazu gehört auch der weltweit kleinste Vogel – die Bienenelfe. Die Zahl der Meeresarten wird auf 10.500 ge­schätzt, wobei 30 Prozent der Gesamtzahl der Meeresarten vermutlich noch unent­deckt sind. Mit mehr als 2.600 Quadratkilometern Korallenriffen verwaltet Kuba über ein Drittel aller Riffe im karibischen Becken. 30 Prozent der Korallenriffe Kubas sind durch 70 Meeresschutzgebiete geschützt.

Ungefähr 10 Prozent der Fauna des Landes und 2 Prozent seiner Gefäßpflanzen gelten als gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Wie in anderen Entwicklungs­ländern ist auch in Kuba die Artenvielfalt aufgrund der Veränderung natürlicher Lebensräume rückläufig.

Kuba legt daher großen Wert auf den Schutz und die Erhaltung der Natur. Das Thema Biodiversität wurde schrittweise in nationale Programme und Sensibilisierungs­maßnahmen für die Öffentlichkeit integriert (z.B. Nationales Forstprogramm (2000–2015), Turquino-Plan (integrierte Bergentwicklung), Nationales Programm zur Erhaltung und Verbesserung von Böden, Nationale Aktionspläne für phytogene­tische Ressourcen, Nationaler Rahmen für Biosicherheit, Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung der Wüstenbildung).

Die Bemühungen Kubas um den ökologischen Schutz sind offensichtlich. Gab es vor der Revolution nur äußerst wenig geschützte Areale, verfügt Kuba heute über 263 Schutzgebiete, die etwa 22 Prozent der gesamten Inselfläche ausmachen. Sie sind gezielt ausgewählt und sind alle Bestandteil des Nationalen Systems der Schutzgebiete Kubas. Diese werden gemanagt vom dem Umweltministerium unterstellten Nationalen Zentrum der Schutzgebiete. Um die gesamte Insel gibt es eine Fülle vielfältiger Meeres­lebewesen, an Land Wildtiere und Pflanzen. Daher sind auch die Schutzpläne vielfältig. Das Schutzgebietssystem besteht aus sechs UNESCO-Biosphärenreservaten, 14 Natio­nalparks und weiteren Schutzgebieten unterschiedlicher Kategorien mit landesweiter bzw. regionaler Bedeutung. Jährlich am 12. April wird der Tag der Schutzgebiete began­gen, um die Problematik des Naturschutzes der Öffentlichkeit nahezubringen, auf Erreichtes zu blicken und neue Ziele festzulegen.

Obwohl z. B. in der BRD der Naturschutz im Grundgesetz verankert ist, werden prakti­sche Landschaftspflege- und Artenschutzmaßnahmen, Schutzgebietsbetreuung, Teile der Feldarbeit (Erhebungen und Monitoring) auf Vereine und private Initiativen übertra­gen. Die dazu ausgereichten Fördermittel sind häufig unzureichend, um die Kosten zu decken. Aktuell wird überlegt, was nach Abzug der Rüstungskosten noch für den Natur­schutz übrig bleibt. Zunehmend muss versucht werden, privates Sponsoring zur Finan­zierung notwendiger Naturschutzmaßnahmen einzuwerben. Auf Kuba übernimmt das im Wesentlichen ein dem Landwirtschaftsministerium zugeordneter Betrieb, das Nationale Unternehmen zum Schutz von Flora und Fauna. Zusammen mit dem Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Umwelt werden die entsprechenden Konzepte erarbei­tet und umgesetzt. Dazu gehören auch Aufgaben der Umweltbildung und des Touris­mus.

Auch aktiver Artenschutz wird staatlich organisiert betrieben. So wird z. B. das Kubani­sche Krokodil nachgezüchtet, Eiablagen der Grünen Meeresschildkröte bewacht und der vom Aussterben bedrohte endemische Kubakranich gefördert. Auch Wildpflanzen werden vermehrt, um die jeweiligen Populationen zu stützen. Hier nehmen die Mangro­ven einen breiten Raum ein.

Sicherung der Lebensgrundlagen

Derzeit befindet sich Kuba ähnlich wie viele andere Staaten an einem Wendepunkt, da es nach einem Gleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum und der Erhaltung seiner natürlichen Ressourcen sucht. Doch die Herangehensweise Kubas im Vergleich zu den kapitalistischen Ländern ist eine völlig andere. In Kuba geht es bei der Lösung der auf­tretenden Probleme nicht um Profitmaximierung, sondern um die Sicherung der Lebensgrundlagen des kubanischen Volkes. Das kommt auch im neuen Gesetz »Über das System der natürlichen Ressourcen und der Umwelt« zum Ausdruck. Basierend auf der neuen Verfassung und angepasst an die aktuellen nationalen und internationalen Entwicklungen stellt es die Grundlage zur Umsetzung des Verfassungsgrundsatzes dar, wonach das Recht aller Menschen auf eine gesunde und ausgewogene Umwelt garan­tiert wird. Darüber hinaus zielt das Gesetz darauf ab, die Umweltdimension in die wirt­schaftlichen und sozialen Entwicklungspläne zu integrieren und das Naturerbe des Lan­des zu fördern. Die politischen und gesetzlichen Vorgaben des kubanischen Staates im Umwelt- und Naturschutzsektor haben weitgehenden Einfluss auf die Entwicklung des Landes. So muss die land- und forstwirtschaftliche Nutzung Vorgaben zu naturverträgli­chen und nachhaltigen Wirtschaftweisen erfüllen. Auch die Tourismuswirtschaft, die maßgebliche Staatseinnahmen sichern muss, unterliegt konkreten Einschränkungen. Touristische Aktivitäten in ufernahen Flachwasserbereichen sind zwar in ausgewählten Arealen möglich, aber die Meeresschutzgebiete werden nicht touristisch genutzt. Ein weiteres Beispiel ist der Humboldt-Nationalpark im Osten Kubas, der zum Weltnatur­erbe gehört. Er umfasst 70.680 ha, aber auf nur 2 Touristenwege und 1 Bootstour wer­den die Besucher gelenkt. Trotzdem nimmt der Ökotourismus zu, weil Kuba viele land­schaftlich schöne Gebiete mit interessanten Tieren und Pflanzen zu bieten hat, die durch Besucherlenkung unter Berücksichtigung des Schutzes der Natur erschlossen werden.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Kuba einerseits zur Lösung der welt­weiten Biodiversitätskrise einen bedeutenderen Anteil leistet als die Länder des globa­len Nordens, insbesondere die USA, in der die Regierung nicht einmal bereit ist, diese Krise als solche anzuerkennen. Andererseits ist es sehr naheliegend, dass Kuba zur Erhaltung seiner Natur bei Beendigung der Blockade noch wesentlich intensiver arbei­ten könnte.

Abb.: Bienenelfe auf Kuba (Männchen).

 

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