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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Mit Liebknecht gegen den Krieg

Dr. Artur Pech, Land Brandenburg

 

Vorweg: Nach 58 Jahren Parteimitgliedschaft schmerzt es sehr, zu erleben, wie die eigene Partei friedenspolitisch zu entgleisen droht.

Und dennoch rede ich hier auch als Sprecher des Karl-Liebknecht-Kreises Brandenburg nicht nur, weil es um die Partei geht. Es geht um viel mehr: Es geht darum, dass Imperialisten mit der Existenz nicht nur der Völker Europas pokern.

Denn der Krieg kommt näher. Ukrainische Spitzen lassen sich in Washington die Ziele genehmigen, die sie in Russland vernichten wollen. Und uns soll eingeredet werden, Waffenlieferung, Zielzuweisung und Feuerleitung seien keine Kriegsbeteiligung. Was, wenn dann die Stationen bekämpft werden, von denen aus Feuerleitung und Zielzuweisung erfolgt?

Nun war sowohl vor als nach der vorigen Bundestagswahl vom damaligen Wahlkampfleiter der Linken zu hören: »Die Friedensfrage ist nicht wahlentscheidend.« Demnach ginge es um Frieden nur, soweit das im Wahlkampf nützlich ist.

Dabei soll es in Halle bleiben. Wir haben Krieg, aber für linke Antworten sollen wir auf das Wahlprogramm 2025 warten. [1] Unter den dafür genannten »Fokussierungen« findet sich der Frieden dann allerdings nicht.

Zugleich heißt es, ein Friede könne »nur ein gerechter Friede sein ... Der russische Abzug sollte Ergebnis, nicht Vorbedingung für Verhandlungen sein.« [2]Der Konsens, dass »Putin« bezwungen werden muss, reicht damit von den Regierungen der USA und der BRD über die NATO bis in Teile der Linken.

Grund genug, an Karl Liebknecht zu erinnern. Der meinte 1916 – also mitten im Krieg:

»Würden die deutschen Sozialisten z. B. die englische Regierung und die englischen Sozialisten z. B. die deutsche Regierung bekämpfen, so wäre das eine Farce oder Schlimmeres. Wer den Feind, den Imperialismus, nicht in den Repräsentanten angreift, die ihm Auge in Auge gegenüberstehen, sondern in denen, die ihm und denen er weit vom Schusse ist, und noch gar unter Approbation und Förderung der eigenen Regierung (…), ist kein Sozialist, sondern ein trauriger Offiziosus der herrschenden Klassen. Eine solche Sorte Politik ist Kriegshetzerei und nicht Klassenkampf, sondern das Gegenteil davon.« [3]

Und Liebknecht fragte auch, ob sich »die proletarische Politik dahin konzentrieren« soll, den Krieg »auf eine bestimmte günstige Richtung zu drängen?« [4] Seine Antwort, das ist »unmöglich …ohne zugleich für den Krieg selbst einzutreten. Jede positive Mitwirkung in dieser Art wird stets in ein positives Eintreten für den Krieg umgeschmolzen«. [5]

Bei der Augsburger Formel, »mit Ländern wie China, Indien und Brasilien diplomatischen Druck auf Russland auszuüben« [6] ist es im Aufruf des Parteivorstandes für die Demo am 3. Oktober geblieben. Im von Karl Liebknecht gegeißelten Sinne ist das nicht das Gegenstück zur Politik von der Leyens und Co., sondern – bei Übereinstimmung im Ziel – deren nur scheinbar linke Ergänzung.

Liebknecht entlarvte die Lüge vom Kampf gegen den Zarismus. – Heute wird sie fortgeschrieben als »Kampf gegen den Autoritarismus«, und die »Vaterlandsverteidigung« mutierte zum »Recht auf Selbstverteidigung«.

Regelrecht Schindluder wird mit der Gerechtigkeit getrieben.

Auch Frau von der Leyen spricht gerne vom »gerechten Frieden«. Dafür hat das EU-Parlament beschlossen, »den Sieg der Ukraine zu sichern« und »alle EU-Mitgliedstaaten und NATO-Verbündeten« aufgefordert, »jährlich mindestens 0,25 Prozent ihres BIP für die militärische Unterstützung der Ukraine aufzuwenden«. [7] Für die Bundesrepublik Deutschland wären das jährlich 10 Milliarden Euro.

28 Milliarden wurden bereits zur Verfügung gestellt bzw. bis Anfang 2024 zugesagt. [8] Auch deshalb wird es eng um den Bundeshaushalt 2025.

Heute verbrämt die Erzählung vom »gerechten Frieden« die Forderung nach dem »Krieg bis zum Sieg«, denn der »gerechte Krieg« ist noch nicht salonfähig.

Wer immer Putin zum Teufel schicken und erst danach über Frieden mit Russland nachdenken will, sollte nicht vergessen: Der hat die Mittel, uns alle mitzunehmen. Das entschuldigt nichts, macht aber das Problem derer deutlich, die Russland mit welchen Mitteln auch immer bezwingen wollen. Da gilt dann nicht mehr nur im übertragenen Sinne: »Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde«. Wie gerecht kann eine Politik sein, die das heraufbeschwört?

Welche »legitimen Interessen« der jeweils anderen Seite sind von Mächten zu respektieren, die in der Lage sind, sich gegenseitig zu vernichten«? Was kann im Angesicht einer möglichen Allesvernichtung in einem Atomkrieg noch als »gerecht« gelten?

Den Verfechtern des »gerechten Friedens« und den ihnen dienenden Medien ist es gelungen, diese Fragen aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen.

Kriege werden erst aufhören, »wenn die kapitalistische Wirtschaftsordnung beseitigt ist oder wenn die Größe der durch die militär-technische Entwicklung erforderlichen Opfer an Menschen und Geld und die durch die Rüstungen hervorgerufene Empörung der Völker zur Beseitigung dieses Systems treibt.« [9] Das wusste schon der Sozialistenkongress von 1907.

Die Allesvernichtung in einem atomaren Inferno ist das größtmögliche Opfer und eine höchst akute Gefahr. Diese Erkenntnis in das öffentliche Bewusstsein zu heben und nicht zuzulassen, dass sie durch die Kriegsformel vom »gerechten« Frieden vernebelt wird, ist eine Voraussetzung für das gemeinsame Überleben und letztlich dafür, dass die Empörung der Völker zur Beseitigung dieses Systems treibt.

Wenn den Regierungen die Waffen verweigert werden, dann müssen sie ihre Politik ändern.

Dafür braucht es im Sinne Liebknechts Druck auf die eigene Regierung, auch wenn die aktuellen Sachwalter des deutschen Imperialismus Parteibücher der Sozialdemokraten oder der Grünen haben.

Dieser Druck muss sich jetzt mit der Demonstration am 3. Oktober entfalten. Dazu muss Die Linke ihren Beitrag leisten.

 

Anmerkungen:

[1] Antrag L01-03: Eine Linke auf der Höhe der Zeit ..., Zeilen 27-34.

[2] Antrag L01-03: Eine Linke auf der Höhe der Zeit …, Zeilen 52-57.

[3] Das Zuchthausurteil gegen Karl Liebknecht, Wörtliche Wiedergabe der Prozeßakten, Urteile und Eingaben Liebknechts, in: Karl Liebknecht, Gesammelte Reden und Schriften Bd. IX, 2. Aufl. Berlin 1971, S. 17.

[4] Karl Liebknecht, Prinzip für die sozialdemokratische Taktik im Kriege, Gesammelte Reden und Schriften Bd. VIII, Berlin 1972, S. 142.

[5] Ebenda, S. 142 f.

[6] Antragsheft 1, Leitantrag L.01., Zeilen 2657-2658, für den Augsburger Parteitag im November 2023.

[7] Europäisches Parlament 2024-2029, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Juli 2024 zu der Notwendigkeit der anhaltenden Unterstützung der EU für die Ukraine (2024/2721(RSP)).

[8https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/krieg-in-der-ukraine/lieferungen-ukraine-2054514.

[9] Internationaler Sozialistenkongress Stuttgart 1907, Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1907, S. 86.

 

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2024-06: Unvereinbare Interessen benennen!

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