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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Kuba-Krise 1962: Die Welt am Abgrund

Ronald Friedmann, Berlin

 

Die Kuba-Krise im Oktober 1962 dauerte 13 Tage. Niemals zuvor und niemals danach stand die Welt so dicht vor dem Beginn einer nuklearen Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion, einer Konfrontation, die das Ende der gesamten Menschheit hätte bedeuten können. Im Nachgang zu den dramatischen Herbsttagen vor genau fünfzig Jahren setzte sich in Ost und West die Erkenntnis durch, dass es in einem künftigen Weltkrieg keine Sieger, sondern nur Verlierer geben würde und dass die beiden Supermächte und ihre Verbündeten, bei Strafe des gemeinsamen Untergangs, Möglichkeiten und Formen des friedlichen Zusammenlebens finden mussten.

Seit dem Sturz des Diktators Batista und dem Sieg der Rebellenbewegung um Fidel Castro im Januar 1959 hatte die US-amerikanische Regierung nichts unversucht gelassen, die revolutionäre Entwicklung auf Kuba zu beenden und die alten Verhältnisse auf der Insel wiederherzustellen. Ein Höhepunkt dieser konterrevolutionären Bestrebungen war die Invasion in der Schweinebucht im April 1961. Allerdings mussten die von den USA ausgehaltenen exilkubanischen Söldner, trotz massiver politischer und militärischer Unterstützung aus Washington, bei ihrem Angriff gegen Kuba eine empfindliche Niederlage einstecken. Im Januar 1962 dann hatten die USA den Ausschluss Kubas aus der OAS, der Organisation Amerikanischer Staaten, durchgesetzt und auch damit wesentlich dazu beigetragen, den erst vorsichtig begonnenen Prozess der politischen, wirtschaftlichen und schließlich auch militärischen Zusammenarbeit zwischen dem revolutionären Kuba und der Sowjetunion und ihren Verbündeten zu beschleunigen und zu vertiefen.

Im August und September 1962 besuchte Ernesto Che Guevara, zu dieser Zeit Minister für Industrie in der Regierung von Fidel Castro, die Sowjetunion. Neben der wirtschaftliche Hilfe, so machte es ein gemeinsames Kommuniqué vom 2. September 1962 deutlich, das im Anschluss an die offiziellen Gespräche auf hoher und höchster Ebene in Moskau veröffentlicht wurde, war es bei den Gesprächen und Verhandlungen in der sowjetischen Hauptstadt angesichts der anhaltenden Bedrohung Kubas durch die USA auch um die Lieferung von Waffen und die Entsendung von Ausbildern für die kubanischen Streitkräfte gegangen. Kuba, so hieß es in der gemeinsamen Erklärung, habe das Recht, alle »erforderlichen Schritte zur Gewährleistung seiner Sicherheit und zum Schutze seiner Souveränität und Unabhängigkeit« zu unternehmen.

Die geplante Stationierung sowjetischer atomwaffenfähiger Mittelstreckenraketen auf Kuba, die in Moskau auf Vorschlag und Drängen der sowjetischen Regierung ebenfalls vereinbart worden war, wurde allerdings nicht öffentlich bekannt gemacht. Der damalige sowjetische Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow schrieb zwar wenige Jahre später in seinen Memoiren, dass die sowjetischen Waffen nur aus einem Grund auf Kuba stationiert worden seien - um die Unabhängigkeit Kubas zu gewährleisten. Doch ergab sich für die Sowjetunion nun erstmals auch eine Möglichkeit, wirksam der strategischen Bedrohung durch US-amerikanische nukleare Mittelstreckenwaffen entgegenzutreten: Seit Ende der fünfziger Jahre hatten die USA in Großbritannien, Italien und der Türkei nuklear bestückte Mittelstreckenraketen der Typen »Thor« und »Jupiter« stationiert, die das sowjetische Territorium unmittelbar bedrohten.

Bereits am 10. Juli 1962, also noch vor der formellen Unterzeichnung der entsprechenden sowjetisch-kubanischen Vereinbarung in Moskau, hatte die Sowjetunion damit begonnen, im Rahmen der Operation »Anadyr« Truppen und Material nach Kuba zu verlegen: Bei insgesamt 183 Fahrten transportierten 86 Schiffe der sowjetischen Kriegsmarine und der Handelsflotte 42.000 Angehörige der Sowjetarmee und 230.000 Tonnen Ausrüstung auf die Karibikinsel.

14. Oktober 1962: Beginn der Kuba-Krise

Seit Oktober 1960 unternahmen die USA mit dem berüchtigten Spionageflugzeug U-2 regelmäßige »Aufklärungsflüge« über Kuba. So war es kaum überraschend, dass die umfassenden sowjetischen Verlegungs- und Stationierungsmaßnahmen der USA-Regierung nicht verborgen blieben.

Die eigentliche Kuba-Krise begann am 14. Oktober 1962. An diesem Tag fotografierte eine U-2, die in Texas gestartet war, nahe der nordwestkubanischen Stadt San Cristóbal die im Bau befindlichen Abschussrampen für sowjetische Mittelstreckenraketen mittlerer und größerer Reichweite. Am folgenden Tag wurde die Spionagemission wiederholt und bei der Auswertung der neuen Fotos bestätigte sich, dass die USA nun plötzlich mit einer Situation konfrontiert waren, mit der die Sowjetunion schon seit Jahren leben musste: Große Teile ihres Territoriums befanden sich in der Reichweite von atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen eines potentiellen Kriegsgegners.

Am Morgen des 16. Oktober 1962 wurde US-Präsident John F. Kennedy über die Erkenntnisse des Vortages informiert. Er berief sofort das sogenannte Executive Committee ein, das in den folgenden Tagen sein wichtigstes Beratungsgremium sein sollte. Wenige Wochen zuvor, am 12. September 1962, hatte Kennedy öffentlich erklärt, keine wie auch immer gearteten Offensivwaffen auf Kuba dulden zu wollen. Mit dieser vor allem innenpolitisch motivierten Feststellung hatte er seinen eigenen Handlungsspielraum stark eingeschränkt. So wurde im Executive Committee eine nichtmilitärische Lösung für das Problem der sowjetischen Mittelstreckenraketen auf Kuba, das im Grunde erst durch die US-amerikanische Reaktion tatsächlich zu einem Problem wurde, das sich dann innerhalb von Tagen zu einer weltweiten Krise entwickelte, nach kurzer Debatte verworfen. Man orientierte auf ein ausschließlich militärisches Herangehen: Während Kennedy eher einer - gleichfalls völkerrechtswidrigen - Seeblockade Kubas zuneigte, drängten die führenden US-Militärs ihren Oberbefehlshaber, einer sofortigen Bombardierung der noch im Bau befindlichen Abschussrampen und einer anschließenden Invasion Kubas zuzustimmen. Doch eine Entscheidung wurde zunächst vertagt.

Zwei Tage später, am 18. Oktober 1962, traf der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko zu einem bereits lange geplanten offiziellen Besuch in Washington ein. Doch da man im Executive Committee aus »taktischen Gründen« weiterhin auf strikter Geheimhaltung bestand, wurde die Frage der sowjetischen Mittelstreckenraketen auf Kuba gegenüber Gromyko weder von Kennedy noch von Außenminister Dean Rusk angesprochen. Schlimmer noch: Gromyko bekräftigte während seines Aufenthaltes in Washington mehrfach die sowjetische Forderung nach einer Entmilitarisierung Westberlins, was von seinen US-amerikanischen Gesprächspartnern unter den gegebenen Bedingungen als eine vorsätzliche Verschärfung der Lage missverstanden wurde.

Inzwischen drängte die militärische Führungsspitze der USA weiter auf einen Angriff gegen Kuba. Luftwaffengeneral Curtis E. LeMay, der wenige Jahre später fordern sollte, Vietnam »in die Steinzeit« zurückzubombardieren, erklärte gegenüber seinem Präsidenten kategorisch: »Der rote Hund gräbt im Hinterhof der USA. Dafür muss er bestraft werden.« Doch noch war Kennedy nicht bereit, den Forderungen der »Falken« in seiner Administration nachzugeben. Ausschlaggebend war schließlich eine Mitteilung des Taktischen US-Luftkommandos vom 21. Oktober 1962: Es gäbe keine Garantie dafür, dass bei einem Bombenangriff tatsächlich alle sowjetischen Mittelstreckenraketen auf Kuba zerstört werden würden.

Gefährliche Zuspitzung

Am 22. Oktober 1962 um 19:00 Uhr Washingtoner Zeit informierte Kennedy in einer landesweit übertragenen Fernsehrede die US-amerikanische Öffentlichkeit über die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba und über seine Entscheidung, durch eine vollständige Seeblockade Kuba - er verwendete allerdings den vorsätzlich irreführenden Begriff »Quarantäne« - den sofortigen Abzug dieser Mittelstreckenraketen erzwingen zu wollen. Für die US-amerikanischen Streitkräfte war zu diesem Zeitpunkt bereits weltweit - erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg - »DEFCON 3«, also »Erhöhte Einsatzbereitschaft«, befohlen worden. Wenige Stunden später, inzwischen war es bereits der 23. Oktober 1962, erklärte der sowjetische Partei- und Regierungschef Chruschtschow in Moskau, dass die auf Kuba stationierten Waffen ausschließlich der Verteidigung Kubas dienen würden und dass die Sowjetunion sich deshalb einer Seeblockade nicht beugen würde. Doch trotz der harten Worte, der u.a. ein heftiger verbaler Schlagabtausch zwischen den diplomatischen Vertretern der USA und der Sowjetunion im UNO-Sicherheitsrat folgte, vermied es die Sowjetunion in der Folge, die ohnehin extrem angespannte Situation weiter eskalieren zu lassen. Mehr noch, auf inoffiziellen Kanälen unterbreitete die Sowjetunion umgehend ihre Vorschläge zur Entspannung der entstandenen Lage.

Trotzdem spitzte sich die Situation zunächst weiter zu. Besonders gefährlich wurde der 27. Oktober 1962: In Cape Canaveral in Florida, also nur wenige Dutzend Kilometer von Kuba entfernt, testeten die USA unangekündigt eine neue Interkontinentalrakete. Über Kuba wurde ein US-amerikanisches U-2-Spionageflugzeug abgeschossen. Im Westatlantik griff ein US-Zerstörer ohne Vorwarnung ein sowjetisches U-Boot an. Und von Skandinavien aus drang ein US-amerikanisches Kampfflugzeug »versehentlich« in den sowjetischen Luftraum ein.

Doch am Abend dieses dramatischen Tages kam endlich die Wende: In Washington trafen sich US-Justizminister Robert Kennedy, der Bruder des US-Präsidenten, und der sowjetische Botschafter in Washington, Anatoli Dobrynin, um die aus Moskau übermittelten Vorschläge zu beraten. Noch in der Nacht übermittelte Dobrynin die Ergebnisse an Chruschtschow: Die Sowjetunion würde ihre Mittelstreckenraketen aus Kuba abziehen. Im Gegenzug würden die USA öffentlich erklären, Kuba künftig nicht mehr militärisch zu bedrohen. Die US-amerikanischen Mittelstreckenraketen würden umgehend aus Italien abgezogen werden. Die entsprechenden Waffen in der Türkei würden jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt und geheim entfernt werden. Auch dieser Klausel stimmte die Sowjetunion zu, obwohl es den USA auf diese Art und Weise noch leichter fiel, sich gegenüber der internationalen Öffentlichkeit als »Sieger« der Krise zu präsentieren.

Um keine Zeit zu verlieren, ließ Chruschtschow am 28. Oktober 1962 seine Zustimmung über Radio Moskau verbreiten, bevor die Nachricht auch über diplomatische Kanäle nach Washington übermittelt wurde. Die Kuba-Krise war beendet.

 

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