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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Bad Harzburg

Ronald Friedmann, Berlin

 

Am 11. Oktober 1931, vor genau 80 Jahren, trafen sich in Bad Harzburg, einem beschaulichen Kurort im damaligen Freistaat Braunschweig, die Spitzen der faschistischen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), der rechtskonservativen großbürgerlichen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), des "Stahlhelms", einem reaktionären Zusammenschluß ehemaliger Frontsoldaten, des sogenannten Reichslandbundes und des völkischen Alldeutschen Verbandes. Ziel dieser Zusammenkunft war es, die verschiedenen Parteien und Organisationen der äußersten Reaktion, die sich selbst als "nationale Opposition" bezeichneten, in einer gemeinsamen "Front" gegen die bereits im Todeskampf liegende Weimarer Republik zusammenzuführen. Als vordringliche gemeinsame Aufgabe wurde der Sturz des seit März 1930 im Amt befindlichen Reichskanzlers Heinrich Brüning gesehen, eines Politikers der Zentrumspartei. Zwar hatte auch Brüning, der vor allem auf dem Wege von Notverordnungen regierte, also unter Umgehung des Parlaments und gestützt auf das "Vertrauen des Reichspräsidenten", sich der "politischen und wirtschaftlichen Gesundung Deutschlands" verschrieben, d.h. einer Politik des massiven Abbaus politischer und sozialer Rechte, doch gingen die von ihm ergriffenen Maßnahmen den Wirtschafts- und Finanzkreisen, die hinter der "nationalen Opposition" standen, nicht weit genug.

Die Initiative zum Harzburger Treffen war von Alfred Hugenberg ausgegangen, der nicht nur Vorsitzender der DNVP war, sondern als bedeutender Montan-, Rüstungs- und Medienunternehmer einer der mächtigsten und einflußreichsten Menschen in Deutschland war. Seine erklärte Absicht war es, Hitler und dessen Partei in ein Bündnis der faschistischen und profaschistischen Kräfte einzugliedern, um so die ständig wachsende Massenbasis der deutschen Faschisten für die eigenen politischen Zwecke nutzen zu können. Entsprechend gering war die Bereitschaft Hitlers, überhaupt an dem geplanten Spitzentreffen teilzunehmen: Er konnte und wollte nicht zulassen, daß sein alleiniger Führungsanspruch im rechten und extrem rechten Spektrum in Frage gestellt wurde. Den Zugang zu den führenden Kreisen der deutschen Wirtschaft und des Finanzwesens hatte er inzwischen auch ohne die Hilfe Hugenbergs gefunden: Seit Anfang 1931 gehörte der vormalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht zum weiteren Umfeld Hitlers, und Schacht war es auch gewesen, der Hitler während dessen mehrwöchiger Rundreise durch Deutschland im Sommer 1931 die Türen zu den Salons der "führenden Köpfe" der deutschen Wirtschaft geöffnet hatte. So konnte Hitler immer neue Bedingungen für seine Teilnahme an dem Harzburger Treffen stellen: Hugenberg mußte sich beispielsweise Ende September 1931 auf "Wunsch" Hitlers dafür einsetzen, daß erneut ein faschistischer Minister in die Braunschweiger Landesregierung berufen wurde.

Die Zusammenkunft von Bad Harzburg war bereits der zweite Versuch, ein Bündnis der verschiedenen rechten und extrem rechten bürgerlichen Parteien mit der faschistischen NSDAP zu schaffen. Allerdings hatte der "Reichsausschuß für das Volksbegehren gegen den Young-Plan", der das Vehikel für ein solches Bündnis sein sollte, nur eine sehr kurze Lebenszeit gehabt. Nach dem faktischen Scheitern des sogenannte Dawes-Plan aus dem Jahre 1924 hatten Anfang 1929 in Paris internationale Verhandlungen mit dem Ziel begonnen, für die deutschen Reparationszahlungen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg im Versailler Vertrag festgelegt worden waren, ein für alle beteiligten Seiten akzeptables Verfahren zu finden. Mit dem Young-Plan, wie die nun ausgehandelte neue Vereinbarung allgemein genannt wurde, erkannte Deutschland eine Reparationspflicht in Höhe von 36 Milliarden Reichsmark an, die einschließlich der Zinsen bis zum Jahre 1988 abgezahlt werden sollten. Auf der Grundlage der Zahlen des Jahres 1930 bedeutete das, daß Deutschland für die Zahlungen dauerhaft 2,5 Prozent seines Nettosozialprodukts bzw. 7,3 Prozent sämtlicher öffentlicher Einnahmen aufwenden mußte. Obwohl der Young-Plan im Vergleich zu den früheren Festlegungen für Deutschland eine spürbare Entlastung brachte, versuchten die extrem rechten und faschistischen Kräfte in Deutschland, den Young-Plan zum Gegenstand einer Kampagne gegen die Weimarer Republik zu machen: Im Juli 1929 entstand der erwähnte "Reichsausschuß", dem die Deutschnationale Volkspartei, der Stahlhelm und die deutschen Faschisten um Hitler angehörten. Bis Ende Oktober 1929 fand ein Volksbegehren über das sogenannte Freiheitsgesetz statt, das nicht nur eine Ablehnung des Young-Planes beinhaltete, sondern faktisch auf eine Gesamtrevision des Versailler Vertrages von 1919 hinauslief. Mitglieder der Reichsregierung, die der Zahlung von Reparationen zustimmten, sollten wegen "Landesverrats" verurteilt werden. Zwar war beim Volksbegehren mit 10,02 Prozent der Wählerstimmen das Quorum knapp erreicht worden, doch gelang es nicht, beim Volksentscheid am 22. Dezember 1929 das Ergebnis deutlich zu steigern: Für das "Freiheitsgesetz" stimmten nur 13,2 Prozent der Wähler. In den folgenden Wochen fiel der "Reichsausschuß" sang- und klanglos auseinander. Im März 1930 wurde das Gesetzespaket zum Young-Plan im Reichstag mit großer Mehrheit verabschiedet – Stimmen gab es auch aus Kreisen des vormaligen "Reichsausschusses".

Anderthalb Jahre später hatte sich auch der Young-Plan de facto erledigt: Angesichts der massiven Folgen der seit 1929 anhaltenden Weltwirtschaftskrise war Deutschland nicht mehr in der Lage, die zugesagten Zahlungen leisten. Nur ein von US-Präsident Herbert C. Hoover am 20. Juni 1931 verkündetes Moratorium bewahrte Deutschland vor der Zahlungsunfähigkeit.

Am 7. Oktober 1931, vier Tage vor dem Harzburger Treffen, konnte sich Reichskanzler Brüning bei einer Vertrauensabstimmung im Reichstag nur mit weitreichenden Zugeständnissen eine denkbar knappe Mehrheit von 24 Stimmern sichern. In dieser Situation, und das war Brüning durchaus bewußt, konnte von einer "Harzburger Front" für seine Regierung eine ernsthafte Gefahr ausgehen. Mit einem politischen Trick versuchte Brüning daher in letzter Minute, das ohnehin vorhandene gegenseitige Mißtrauen innerhalb des geplanten Rechtsblocks weiter zu vertiefen. Durch Vermittlung des Generals Kurt von Schleicher, dem späteren kurzzeitigen Reichskanzler, der in gewisser Weise die Rolle einer "grauen Eminenz" der Reichswehr innerhalb der Reichsregierung spielte, gelang es ihm, kurzfristig eine Audienz für Hitler bei Reichspräsident Paul von Hindenburg zu arrangieren. Tatsächlich trafen der greise Feldmarschall und der "böhmische Gefreite", wie Hindenburg Hitler in Unkenntnis von dessen tatsächlicher Herkunft im engen Kreis verächtlich nannte, am Abend des 10. Oktober 1931, also nur wenige Stunden vor der Zusammenkunft der "nationalen Opposition" in Bad Harzburg, zusammen. Nach den überlieferten Berichten kam ein wirkliches Gespräch nicht zustande: Hitler ermüdete Hindenburg mit einem endlosen Monolog über seine Vorhaben, Hindenburg revanchierte sich mit einer Schilderung der großen Opfer, die er angeblich für das deutsche Volk gebracht hatte. Nur für einen kurzen Augenblick ging es bei dem mehrstündigen Zusammentreffen um die politische Lage in Deutschland: Hindenburg wollte von Hitler wissen, welche Parteien er in eine Koalition einbeziehen würde, falls er zu einem nicht näher benannten Zeitpunkt mit der Regierungsbildung beauftragt werden würde. Hitler allerdings wich einer klaren Antwort aus, in dem er erklärte, Personen vor Parteien den Vorzug zu geben.

Die Begegnung Hindenburgs mit Hitler hatte keine unmittelbare Wirkung, sie gab Hitler aber die Überzeugung, nicht mehr unbedingt auf die Unterstützung der übrigen Kräfte der "nationale Opposition" bei seinem Weg an die Spitze der deutschen Regierung angewiesen zu sein. In der "Weltbühne" vom 13. Oktober 1931 kommentierte Carl von Ossietzky das Treffen Hindenburgs mit dem "brauen Häuptling des deutschen Faschismus" mit diesen Worten: "Ein Ereignis von unerhörter propagandistischer Wirkung für die Reaktion, auch wenn sich die beiden Herren nur über das Wetter unterhalten haben."

Entsprechend war das Auftreten Hitlers in Bad Harzburg: Demonstrativ versäumte er die Teilnahme an einer lange geplanten gemeinsamen Sitzung der Reichstagsfraktionen von NSDAP und DNVP. Mehr noch, auf einer separaten Zusammenkunft seiner faschistischen Reichstagsfraktion ließ er entgegen den im Vorfeld des Treffens von Bad Harzburg getroffenen Vereinbarungen eine eigene Erklärung verabschieden. Und schließlich verließ er eine "Truppenschau" der rechtsextremen Schlägerbanden, die ein wichtiger Teil des Veranstaltungsprogrammes von Bad Harzburg war, gerade in dem Augenblick, als der Vorbeimarsch des "Stahlhelms" begann.

Das einzige greifbare Ergebnis des Harzburger Treffens war daher eine "Entschließung", in der lautstark lamentiert wurde: "Die nationale Opposition hat seit Jahren vergeblich gewarnt vor dem Versagen der Regierungen, [...] dem Blutterror des Marxismus [...] und der Zerreißung der Nation durch den Klassenkampf, [...] vor einer Politik, die in der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Entmannung Deutschlands noch über das Diktat von Versailles hinausgeht." Und: Wir sind "entschlossen, unser Land vor dem Chaos des Bolschewismus zu bewahren."

Das Ende der "Harzburger Front" kam nur wenige Monate später, als es nicht gelang, für die im April 1932 anstehenden Reichspräsidentenwahlen einen gemeinsamen Kandidaten zu benennen: Weite Teile der vormaligen "Front" unterstützten Hindenburg. Hitler bestand auf einer eigenen Kandidatur. Auch die DNVP benannte einen eigenen Bewerber.

So blieb die "Harzburger Front" nur eine kurze und letztlich wenig bedeutungsvolle Episode im Prozeß des Untergangs der Weimarer Republik. Doch sie machte deutlich, daß der Aufstieg Hitlers und seiner Bande kein "Unfall" der Geschichte war, sondern ein Ergebnis zielgerichteten Handelns maßgeblicher Kreise an der Spitze der deutschen Wirtschaft und Politik. Und auch die Zustimmung der bürgerlichen Parteien zum "Ermächtigungsgesetz" im März 1933, mit dem Hitler der faschistischen Diktatur in Deutschland in Übereinstimmung mit Geist und Buchstaben der Weimarer Verfassung eine "rechtliche" Grundlage gab, war keine Entscheidung aus dem Augenblick, sondern Ausdruck einer tiefgehenden demokratiefeindlichen Gemeinsamkeit mit dem deutschen Faschismus.

 

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