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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Justiz wird zum Verbrechen

Ralph Dobrawa, Gotha

 

Vor 70 Jahren begann der Prozess gegen das Ehepaar Rosenberg

 

Der Fall des Ehepaars Ethel und Julius Rosenberg steht bis heute als Synonym dafür, wie in der Hochphase der vom Antikommunismus geprägten McCarthy-Ära in den USA die Verfolgungsjagd auch vor den Gerichten nicht Halt machte.

Die Rosenbergs wurden beide in New York geboren, er am 12. Mai 1918, sie am 28. September 1915. Sie stammten aus jüdischen Familien. Julius schloss sich in jungen Jahren einer kommunistischen Jugendgruppe an. Einige Zeit später trat er der Kommunistischen Partei  bei.

Ethels  Bruder  arbeitete Ende der 1940er  Jahre an der Entwicklung der Atombombe in den Vereinigten Staaten mit. Er wurde 1950 als Kundschafter für die Sowjetunion enttarnt. Leider schreckte er nicht davor zurück, seine Schwester und deren Ehemann zu denunzieren und damit auch der Verfolgung wegen Spionageverdachts auszusetzen. Vermutlich tat er das, um sich selbst Vorteile in Bezug auf eine zu erwartende Strafe zu verschaffen. Ob seitens des FBI auf sein Aussageverhalten Einfluss genommen wurde, ist nicht bekannt, erscheint aber durchaus denkbar. Dies hatte zur Konsequenz, dass das Ehepaar Rosenberg Mitte des Jahres 1950 festgenommen wurde. Der dann folgende Prozess gegen beide nahm seinen Auftakt am 6. März 1951.

Feldzug gegen alles Linke

Das Verfahren stand unter erheblichem Druck. Vermutlich wurde erwartet, dass die Justiz Erfolge vorweist, auch indem behauptet wurde, dass es die Rosenbergs erst ermöglicht hätten, der Sowjetunion einen Informationsvorsprung in Bezug auf die Atombombe zu verschaffen. Der Bruder von Ethel, David Greenglass, wiederholte seine belastenden Angaben und schaffte damit eine wesentliche Grundlage für die spätere Verurteilung seiner Schwester und seines Schwagers. Skrupel hat er dabei offensichtlich nicht gehabt, da er auch späterhin nie zu einer anderen Überzeugung kam und jegliche Scham vermissen ließ, auch wenn er im Jahr 2001 in einem Interview einräumte, dass er in Bezug auf seine Schwester gelogen hatte. Er selbst war damals mit einer Strafe von 15 Jahren Gefängnis bedacht worden, die er nicht vollständig verbüßen musste. Dies, obgleich er tatsächlich geheime Nachrichten übermittelte, die den Bau der Atombombe beinhalteten. Der gegen die Rosenbergs geführte Prozess dauerte auch nur einen Monat. Bereits am 5. April 1951 wurden sie durch ein New Yorker Gericht zum Tode verurteilt. Dagegen eingelegte Rechtsmittel führten nicht zu einem anderen Ergebnis. Auch der damalige amtierende US-Präsident verweigerte jegliche Gnade. Da auch Ethel Rosenberg als eine Frau mit kommunistischer Überzeugung galt, sollte offenbar nichts anderes opportun sein als die verhängte Todesstrafe. Die von Joseph McCarthy in jenen Jahren betriebene Hexenjagd auf Kommunisten wurde sowohl mit einer erheblichen Intensität als auch mit Mitteln geführt, die deutlich machen, welchen Generalfeldzug er gegen alle linksgerichteten Kreise in den USA zu führen bereit war. Auch zahlreiche andere prominente Zeitgenossen mussten vor dem amerikanischen  Kongressausschuss für »unamerikanische Umtriebe« erklären, ob sie Verbindung zum Kommunismus haben und wurden genötigt, ihre Gesinnung offenzulegen.

Reichlich zwei Jahre nach der Verhängung des Todesurteils wurden die Rosenbergs auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Soweit bekannt, waren sie die einzigen Zivilpersonen, die wegen Spionagevorwurfs im Kalten Krieg in den USA zum Tode verurteilt wurden. Die UdSSR galt dort als das Zentrum und der Hort des Kommunismus auf der Welt. Die USA sahen in ihr den erklärten Erzfeind. Jeder, der auch nur im entferntesten mit ihr sympathisierte, sollte verfolgt und diskriminiert werden. Das hatte zur Konsequenz, dass zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten, die in den USA auf unterschiedlichen Gebieten eine herausragende Arbeit leisteten, durch diese Art der Verfolgung in nicht unerhebliche Bedrängnis gebracht wurden. Die Atmosphäre jener Zeit war vergiftet vom Hass auf den Kommunismus und richtete sich gegen alle, die sich nicht mit Deutlichkeit davon distanzierten.

Zu ihnen gehörten unter anderem auch das Ehepaar Ingeborg und Samuel Mitja Rapoport, die als Mediziner sehr erfolgreich in den USA wirkten. Nachdem sie bereits schon einmal 1937 bzw. 1938 wegen der zunehmenden Hetze der deutschen Faschisten gegenjüdische Mitbürger aus Nazideutschland flüchten mussten und schließlich in die USA kamen, wiederholte sich dies, als der Druck in den USA wieder so sehr zunahm, dass er unerträglich wurde. Sie fanden dann ab 1952 in der DDR eine neue Heimat und halfen an der Berliner Charite eine hochqualifizierte medizinische Versorgung unter sozialistischen Bedingungen aufzubauen. Dabei haben sich beide große Verdienste erworben. Das Ehepaar Rosenberg und das Ehepaar Rapoport eint dabei, dass diese sich zu keinem Zeitpunkt von ihrer kommunistischen Überzeugung distanziert oder losgesagt haben.

Es gibt Hinweise darauf, dass sich die Rosenbergs im gegenteiligen Fall hätten retten können und die Todesstrafe wäre ihnen wohl erspart geblieben. Der Prozess gegen sie wurde auf der ganzen Erde mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und insbesondere nach Verkündung des Todesurteils kam es zu einem Aufschrei in der friedlichen Welt gegen das verhängte Strafmaß. Aus vielen Ländern hagelte es Proteste mit der Forderung, das Urteil zu revidieren. Internationale Künstler und Wissenschaftler, darunter Pablo Picasso, Bertolt Brecht und Albert Einstein setzten sich für die Rosenbergs ein. Selbst der damals amtierende Papst wandte sich gegen das verhängte Todesurteil. Sämtliche dieser  Stimmen wurden ignoriert und die Strafe beibehalten.

Ein Justizmord!

Bis heute gehen die Meinungen auseinander, ob das Ehepaar Rosenberg wirklich Spionage betrieben hat oder nicht. Das liegt vor allem daran, dass es lange Zeit an überzeugenden belastenden Beweismitteln fehlte. In Bezug auf Julius Rosenberg äußerte sich erst nach dem Zerfall der UdSSR ein früherer Offizier des  sowjetischen Geheimdienstes NKWD,  der seinerseits behauptete, es habe militärische Geheim-Informationen an die Sowjetunion gegeben. Bei Ethel Rosenberg seien sie allerdings eher von allgemeiner Natur gewesen. Welchen Stellenwert diese Informationen allerdings hatten, bleibt weiterhin völlig ungeklärt. In einem Beitrag der »New York Times« vom 28. Juni 2008 wird unter Bezugnahme auf einen amerikanischen General davon berichtet, »dass das Todesurteil gegen Ethel als  Bluff  benutzt werden sollte, um Julius dazu zu bringen, die Namen weiterer Spione zu verraten, und das Ethel ihre Unschuld hätte beweisen können; insbesondere hoffte man, dass ihre 'mütterlichen Instinkte' ihre ideologische Linientreue brechen würden«. Diese Strategie ging nicht auf. 1993 musste selbst von richterlicher Seite eingeräumt werden, dass es »damals keine wirklichen Beweise für eine Beteiligung der Rosenbergs gegeben« hat. Auch der spätere US-Präsident Nixon sprach von »manipuliertem Belastungsmaterial«.

Die Rosenbergs hatten zwei Söhne, Robert und Michael. Beide waren noch Kleinkinder, als sie ihre Eltern durch die Vollstreckung des Urteils verloren. Wenn man bedenkt, dass diese  bereits drei Jahre vor ihrer Hinrichtung verhaftet wurden, konnten sie nur wenig Zeit mit den Kindern verbringen. Auch wenn es nach den Erinnerungen des Sohnes Robert etwa zwölf Besuche im Gefängnis gegeben hat, so waren das doch völlig unnatürliche Bedingungen für Begegnungen zwischen Eltern und Kindern. Wie nachhaltig solche Erlebnisse auf beide gewirkt haben, kann man nur erahnen. Dies umso mehr, als für die Hinrichtung zunächst ein Aufschub gewährt wurde, den man dann kurzerhand widerrief. Was für ein Wechselbad der Gefühle muss damit verbunden gewesen sein, auch wenn versucht wurde, das zumindest von den Kindern fernzuhalten. Bereits vor mehr als zehn Jahren erschien auch in der Bundesrepublik das Buch von Robert Meeropol, der bis zu seiner Adoption nach dem Tod seiner Eltern noch den Nachnamen Rosenberg trug, mit dem Titel »Als die Regierung entschied, meine Eltern umzubringen. Der Fall Rosenberg«. In der DDR konnte man in den Büchern »Kein Anruf aus Sing Sing« (benannt nach dem  Gefängnis nahe New York) und »Mord auf Befehl. Warum mussten die Rosenbergs sterben?« über das bewegende Schicksal dieses Ehepaars lesen.

Nach neueren Erkenntnissen war Julius Rosenberg zeitweilig als Kundschafter für den Frieden in den USA tätig, aber Umfang und Inhalt seiner Informationen bleiben weiterhin umstritten, jedoch ein »gefährlicher Verräter« für die USA, der ein  »Atombombengeheimnis« preisgegeben habe, war er wohl nicht.

Trotz aller Bemühungen um eine Rehabilitierung von Ethel Rosenberg, die maßgeblich auch ihre Söhne betrieben, wurde dem bis heute nicht entsprochen. Nach Lage der Dinge war sie unschuldig. Mit der Verurteilung beider Rosenbergs sollte aber offenbar ein Exempel statuiert werden, in Wahrheit war es ein Justizmord! Interessant dürfte allerdings sein, dass der Staatsanwalt, der einst die Rosenbergs anklagte, später Berater im McCarthy-Ausschuss wurde und in den 1970er Jahren der Anwalt eines gewissen Donald Trump war.

 

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