Historische Tendenzen und Donald Trump (abschließender Teil II)
Prof. Dr. habil. Herbert Meißner, Oranienburg
Der im Februar-Heft auf den Seiten 26-34 veröffentlichte Teil I dieses Beitrages über die hauptsächlich vom kapitalistischen Profitstreben verursachten Krisen und Konflikte der Welt und sichtbar werdende Tendenzen enthält folgende Abschnitte: Die Dialektik des geschichtlichen Prozesses – Die Väter des syrischen Krieges und des »Islamischen Staates« – Neuer und alter Brandherd.
Im Januar 2017 hat der Präsident der Palästinensischen Selbstverwaltung Mahmud Abbas in Rom eine palästinensische Botschaft als offizielle diplomatische Vertretung Palästinas beim Vatikanstaat eröffnet.
Inzwischen hat die UNO-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit Israels Siedlungspolitik als illegal und völkerrechtswidrig verurteilt, ohne dass ein US-Veto dies wie früher verhindert hat. Darauf reagierte Netanjahu mit der Verlautbarung, Israel freue sich darauf, gemeinsam mit dem US-Präsidenten Donald Trump »die schädlichen Auswirkungen« dieser Resolution zu beseitigen. Notabene: diesem Problemkreis wird hier so viel Raum gegeben, um deutlich darauf aufmerksam zu machen, welch unmittelbare beträchtliche Friedensgefährdung davon ausgeht. Die Strategie von Netanjahu – nun mit Unterstützung von Trump – geht dahin, die bisher international als Friedensvariante angesehene Zweistaatenlösung beiseite zu schieben und eine Ein-Staatenlösung anzustreben. In solchem israelischen Staat inklusive aller palästinensischen Gebiete wären die Israelis das herrschende Volk und die Palästinenser die unterdrückte und versklavte Völkerschaft. Damit würde Israel aufhören, eine Demokratie zu sein, denn wenigstens vom Prinzip her garantiert eine formale bürgerliche Demokratie allen ihren Bürgern gleiche Rechte. Israel würde damit zu einem Apartheidstaat vergleichbar mit Südafrika zur Zeit der Rassentrennung.
Schon das enthält so viel Konfliktstoff, dass damit der mühsam in Gang gehaltene Friedensprozess beendet wäre. Nun kommt jedoch hinzu, dass Netanjahu mit dieser Ein-Staatenlösung verbindet, die bisher international aufgegliederte Stadt Jerusalem zur israelischen Hauptstadt zu erklären. Das würde bedeuten, die beiden Heiligtümer der gesamten arabischen Welt Tempelberg und Al-Aksa-Moschee würden der bisherigen palästinensischen Verwaltung entzogen und als Bestandteil der israelischen Hauptstadt zum israelischen Herrschaftsgebiet. Alle arabischen Regierungen der Region und auch das mit Israel kooperierende Saudi-Arabien haben bereits erklärt, eine solche Regelung keinesfalls widerstandslos hinzunehmen.
Inzwischen hat Donald Trump damit begonnen, die Realisierung seines Wahlversprechens der Unterstützung von Netanjahu einzuleiten. Er hat vorbereitet, die Botschaft der USA von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.
Wenn die Strategie von Netanjahu mit Unterstützung von Trump verwirklicht wird, käme es mit Sicherheit zu einer dritten Intifada, der palästinensische Widerstand würde gewaltig anwachsen und von vielen arabischen Staaten mindestens mit Waffen, Finanzen und Personal unterstützt – wenn nicht mehr. Es gäbe einen neuen opferreichen zerstörerischen Kriegsschauplatz mit möglicherweise internationaler Beteiligung. Genau darin liegt die große Gefahr und genau das muss verhindert werden.
Allerdings: wenn es Netanjahu gelingt, die Siedlungspolitik und die Orientierung auf eine Einstaatenlösung fortzusetzen und dies durch Trumps Ankündigung der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem unterstützt wird, verstärkt sich die ohnehin zunehmende Isolierung der USA. Die absolute Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft stellt sich gegen diese Strategie.
Solle es aber gelingen, diese zu neuer Kriegsgefahr führende Strategie zu verhindern, wäre das Ausdruck der Stärke der hier konstatierten historischen Gegentendenz.
Ende der unipolaren Herrschaft
Ein kurzer Blick auf Südamerika zeigt auch dort einen deutlichen Einflussverlust der USA. Die Spannweite geht von dem Fehlversuch in der Schweinebucht (1961) über die antiimperialistischen Bewegungen in einigen südamerikanischen Ländern bis zum Besuch von Obama bei Raul Castro.
Als Protest gegen die amerikanische Wirtschaftspolitik wurde 2004 auf Initiative von Fidel Castro und Hugo Chavez die »Bolivarische Alternative für die Völker unseres Amerikas (ALBA)« gegründet. Diesem antiimperialistischen Staatenbund gehören inzwischen 12 Staaten der Region an.
Seit 2010 besteht die »Lateinamerikanische und Karibische Staatengemeinschaft (CELAC)«, der 33 Mitgliedsländer angehören.
Peter Scholl-Latour hat dies zusammenfassend so gekennzeichnet: »Frappierend ist die Tatsache, dass die USA zwar dank ihrer perfekten Spionagetechnologie in der Lage sind, jedes vertrauliche Gespräch abzuhören, jeden potentiellen Gegner exakt zu positionieren, jedoch aufgrund des Mangels an »human intelligence«, ihrer Unfähigkeit, sich in die Mentalität fremder Kulturen zu versetzen, einen Rückschlag nach dem anderen einstecken mussten«.
Diese antikapitalistische Entwicklung in einigen südamerikanischen Ländern vollzieht sich natürlich nicht ohne Widerstand der einheimischen Bourgeoisen sowie ausländischer neoliberalen Wirtschaftskräfte. Wir kennen die Auseinandersetzungen um die Wiederwahl von Evo Morales, um den Führungsstil von Maduro sowie die Intrigen gegen die Präsidentschaft von Dilma Rousseff. Hinzu kommt eine gewisse Enttäuschung, weil die erfolgreich angelaufenen Sozialprogramme ins Stocken geraten sind, da durch den weltweiten Absturz der Öl- und Gaspreise den Staaten große Verluste entstanden sind.
Das Ganze fällt unter die Rubrik Klassenkampf. Aber ungeachtet des Ausgangs bleibt gültig, dass diese Länder in einem langwierigen Prozess erfolgreich erste Schritte getan haben, womit die bis dato diesbezügliche imperialistische Strategie gestoppt wurde.
Diese auf diesen Konfliktfeldern erkennbare Gegentendenz zu den imperialen Interessen der USA wird durch einen weiteren Vorgang ergänzt und erweitert. Ein Teil der Weltgemeinschaft beginnt, diese imperialistische Strategie zu durchschauen und zu erkennen, dass dies für ihre Länder zu zunehmender Abhängigkeit, sozialem Niedergang und kriegerischer Gefährdung führt. Daraus verstärkt sich seit einigen Jahren schrittweise die entsprechende Gegentendenz. Zunächst gab es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes eine unipolare Weltstruktur. Die USA beherrschten mit ihren Verbündeten die globalisierte Welt. Inzwischen hat sich Russland erholt, hat seinen Nationalstolz wieder entfaltet und in geschickter Verbindung von Politik und einflussreicher orthodoxer Kirche einen wieder starken Staat entwickelt. Es ist nach wie vor eine Atommacht und besitzt seinen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan, dem jetzt noch ein weiterer hinzugefügt werden wird. Wirtschaftlich, politisch und militärisch ist die russische Föderation wieder zu einem internationalen Machtfaktor geworden.
Daneben hat China lange Zeit ohne großes Aufsehen seine Kraft entfaltet. Es hat den Hunger beseitigt, eine starke Industrie aufgebaut, ist ein bedeutsamer Exporteur und ein wichtiger Partner für Entwicklungsländer und Entwicklungshilfe geworden. China ist wie auch Russland Vetomacht im Sicherheitsrat der UNO. Durch seine Flächenausdehnung, seine Bevölkerungszahl und die mit beidem verbundene militärische Stärke ist China im Grunde unangreifbar. Interessant ist, wie Scholl-Latour dies zuspitzte: »War das 19. Jahrhundert das Saeculum Großbritanniens und das 20. Jahrhundert das der USA, so wird das 21. von China dominiert«.
Diese Denkweise wird gestützt durch die politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten Chinas auf dem afrikanischen Kontinent. Dazu gehört auch das Projekt Seidenstrasse. Gefördert wird dies durch die Ankündigung von Trump auf dem APEC-Gipfel im November 2017 in Da Nang, aus der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft auszusteigen. Der plötzliche Rückzug Amerikas aus TPP gilt in Peking als große Chance, die eigene Position als Vormacht in Ostasien zu festigen, was auch hier einen Einflussverlust der USA bedeutet.
Durch das Zusammenwirken der Atommacht Russland und der Großmacht China in vielen internationalen Grundfragen ist die unipolare Herrschaft der USA beendet und es besteht wieder Bipolarität.
Staatenbündnisse für friedliche Entwicklung
Auf diesem Hintergrund vollziehen sich weitere Veränderungen. In Südostasien haben sich zehn Länder zu einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammengeschlossen: ASEAN. Dazu gehören Laos, Kambodscha, Myanmar, Vietnam, Indonesien, Thailand, Singapur und die Philippinen. Anfang Februar 2016 lud Obama die zehn Regierungschefs zu einer Beratung, um diese ASEAN-Staaten in die amerikanische Freihandelspolitik einzubeziehen, sie gegen China in Stellung zu bringen und die US-Vorherrschaft in der Asiatisch-Pazifischen Region zu erhalten.
Das ist fehlgeschlagen. Die ASEAN-Staaten haben stattdessen ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen und halten sich an die 2015 gegründete Asiatische Infrastruktur-Investmentbank. Diese Bank agiert kontra Weltbank und IWF.
Auf Initiative Russlands wurde vor 15 Jahren die Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO) gegründet. Die Gründungsmitglieder waren die Staatschefs von Russland, China, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan. Diese Organisation für regionale Zusammenarbeit wurde von der UNO offiziell anerkannt. Ihr gehören inzwischen 18 Mitglieder, Beobachter und Gäste an. Dazu gehören auch Indien und Pakistan. So entwickeln sich auch hier soziale und friedenspolitische Kräfte, die sich in organisierter Form und auf staatspolitischer Grundlage der imperialistischen Weltherrschaftsstrategie entgegenstellten.
Von beträchtlicher Bedeutung ist die Bildung der BRICS-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
Brasilien ist die bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Macht Südamerikas. Indien ist dies im südasiatischen Raum, und es wirken noch die Traditionen von Mahatma Ghandi. Südafrika ist afrikanische Führungsmacht im Erbe von Nelson Mandela. Hinzu kommt, dass es eine BRICS-Entwicklungsbank gibt, dass die chinesische Währung 2016 in den internationalen Devisenkorb als Weltreservewährung neben Dollar, Euro, Pfund und Yen aufgenommen wurde und dass damit die BRICS-Staaten nicht nur allgemein wirtschafts- und handelspolitisch, sondern auch finanzpolitisch eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
Die wirtschaftlichen Möglichkeiten, direkten politischen Interessen und finanziellen Chancen der einzelnen Länder dieser verschiedenen Zusammenschlüsse sind natürlich sehr differenziert und mitunter auch widerspruchsvoll. Aber allen gemeinsam sind drei Hauptziele:
Es geht allen um nationale Souveränität, um Selbständigkeit und Unabhängigkeit – vor allem gegenüber US-amerikanischer Einflussnahme und Bevormundung.
Es geht allen um sozialen Fortschritt, um die Verbesserung der Lebensverhältnisse in ihren Ländern.
Es geht allen darum, zur Verwirklichung dieser Ziele bei sich und ihren Nachbarn friedliche Verhältnisse herzustellen und zu erhalten, also Friedenssicherung zu erreichen.
Diese gemeinsamen Zielstellungen stehen in flagrantem Widerspruch zu den Weltherrschaftsplänen der USA. Dabei vergessen wir keine Sekunde, dass die Kriegsgefahr noch gewaltig ist. Wir wissen, dass ein verwundetes Raubtier, das in seinen Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt wird, an Aggressivität und Gefährlichkeit zunimmt! Die Bändigung dieses Raubtiers erfordert, dass sich alle fortschrittlichen Kräfte darum bemühen, die bereits erkennbare Gegentendenz zu stabilisieren und zu verstärken. Die dafür erforderliche politische, diplomatische, wirtschaftliche und falls nötig verteidigungsmäßige Kraft ist durchaus vorhanden.
Diese Entwicklungen schaffen die Möglichkeit, die militärische Durchsetzung imperialistischer Interessen zunächst zu be- und später zu verhindern. Damit wächst die Chance, der Weltgemeinschaft eine friedliche Zukunft zu sichern.
Natürlich geht diese Entwicklung nicht geradlinig vor sich, ist mit Widersprüchen behaftet und mit Auf und Ab. Aber die generelle Linie dieser historischen Tendenz ist erkennbar! Es ist sichtbar, dass nach der Auflösung des »sozialistischen Lagers« eine unipolare Weltstruktur bestand – mit der USA an der Spitze – und dass dies nach der Erholung Russlands und nach der Entwicklung Chinas wieder in eine bipolare Weltstruktur überging. Aber durch die Entstehung neuer wirtschaftlicher und politischer Verbindungen und Gemeinschaften auf fast allen Kontinenten ist die Weltpolitik auf dem Wege zu einer multipolaren Weltstruktur. »Auf dem Wege« heißt eben: noch nicht angekommen, aber unterwegs mit klar erkennbarem Ziel. Und sicher ist auch, dass eine multipolare Welt mit vielerlei Zentren, Gemeinschaften und Bündnissen, aber mit den drei genannten gemeinsamen Grundzielen sehr viel erfolgreicher imstande sein wird, noch bestehende Herrschaftscliquen mit ihrem Streben nach Maximalprofit daran zu hindern, ihre Interessen mit wirtschaftlichem Druck oder militärischer Gewalt durchzusetzen.
Auch der namhafte amerikanische Soziologe Noam Chomsky hat in seinem Buch »Wer regiert die Welt« bestätigt: »Zwar bleiben die Vereinigten Staaten das mächtigste Land der Welt, trotzdem teilt sich die Macht auf dem Globus immer weiter auf, so dass die USA zunehmend Schwierigkeiten haben ihren Willen durchzusetzen«.
»America first«?
Aber es ist genau diese historische Tendenz, die Donald Trump zu seinem Kampfruf veranlasst: America first! Er hält nichts von einer multipolaren Weltstruktur und will zurück zu einer Unipolarität mit den USA an der Spitze. Der Multimilliardär hat sich dafür ein Kabinett zusammengebaut, von dem amerikanische Journalisten sagen: ein Club der Hochfinanz.
Wie aber sieht diese heutige Welt aus, die von der US-Administration und ihren Verbündeten erhalten, erweitert und beherrscht werden soll?
Die heutige Welt ist gemäß verschiedener Analysen und Expertisen der UNO und vieler ihrer Organisationen dadurch gekennzeichnet, dass in der südlichen Hemisphäre alle 5 Sekunden ein Kind unter 10 Jahren an Hunger oder an eigentlich heilbaren Krankheiten stirbt, dass 2014 mehr Menschen an Hunger starben als in allen in diesem Jahr geführten Kriegen. Umgekehrt berichtet die Welternährungsorganisation, dass die Landwirtschaft bei dem erreichten Produktivitätsniveau imstande ist, 12 Milliarden Menschen normal zu ernähren, d. h. fast das doppelte der heutigen Weltbevölkerung, Das entspricht der alten Erkenntnis: Brot für alle hat die Erde!
Über die Toten und Invaliden der in Nahost und Mittelafrika angezettelten Stellvertreterkriege kann man nichts aussagen – sie sind noch nicht gezählt. Aber gezählt ist von der Kriegsursachenforschung an der Universität Hamburg, dass es 2016 zweiunddreißig Kriege und bewaffnete Konflikte gab. Und wir wissen, dass circa 60 Millionen Flüchtlinge aus den Kriegs- und Hungergebieten unterwegs sind und dass viele Tausend davon im Mittelmeer ertranken oder auf anderen Fluchtwegen zu Tode kamen. Die internationale Organisation für Migration (IOM) in Genf teilte mit, dass 2016 insgesamt 8.079 Menschen im Mittelmeer ertranken.
Der namhafte Schweizer Soziologe und Verantwortliche verschiedener UNO-Organe Jean Ziegler liefert in seinem Buch »Ändere die Welt« noch viele Beispiele dafür, weshalb er diese Weltordnung »kannibalisch« nennt. Diese kannibalische Weltordnung ist entstanden durch die Funktionsweise des Industrie-, Finanz- und Rüstungskapitals, zusammengefasst unter dem Begriff Imperialismus.
Über diese Gesellschaftsordnung gibt es noch ein weiteres Urteil. Papst Franziskus hat im Juli 2015 auf seiner Lateinamerika-Reise betont: »Wenn das Kapital sich in einen Götzen verwandelt und die Optionen der Menschen bestimmt, wenn die Geldgier das ganze sozio-ökonomische System bevormundet, zerrüttet es die ganze Gesellschaft, verwirft es den Menschen, macht ihn zum Sklaven …« Und weiter; »Die Menschen und die Natur dürfen nicht im Dienste des Geldes stehen. Wir sagen NEIN zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der sozialen Ungerechtigkeit, wo das Geld regiert, anstatt zu dienen.« Und nun der entscheidende Satz: »Diese Wirtschaft tötet.«
Diese Aussage aus solch bedeutsamen Munde darf nicht kleingeredet werden. Und dennoch: wollte der Inhaber des Heiligen Stuhles ernsthaft und grundsätzlich Kraft seines Amtes und dank seiner humanistischen Gesinnung die Welt verändern, stieße er auf folgende Fakten: die katholische Kirche ist der auf dieser Erde größte Eigentümer von Großgrundbesitz, Ländereien, landwirtschaftlichen Betrieben, Immobilien, Kunstschätzen und Goldvorräten. Also Humanismus contra Eigentum!
Die Eigentumsfrage ist des Pudels Kern.
Zu diesen Eigentumsverhältnissen hat in Vorbereitung auf die kürzlich in Davos durchgeführte Weltwirtschaftskonferenz die internationale Entwicklungshilfeorganisation Oxfarm eine neue Studie veröffentlicht. Darin wird festgestellt, dass die weltweite soziale Ungleichheit deutlich dramatischer ist als bisher bekannt. Im Jahre 2016 verfügten die 8 reichsten Männer dieser Welt über ein Vermögen von 426 Milliarden US-Dollar und damit über mehr als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Jean Ziegler schreibt: »Die 500 größten transkontinentalen Privatkonzerne kontrollierten im vergangenen Jahr 52,8 % des Weltbruttosozialprodukts. Sie haben eine Macht, politisch, ökonomisch, finanziell und ideologisch, wie sie noch kein König, kein Kaiser, kein Papst in der Geschichte der Menschheit je inne hatte.« Der Weltreport der Bank Credit Suisse sagt aus, dass 2016 das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr besitze als die restlichen 99%.
Dass auch die BRD an dieser Entwicklung beteiligt ist, zeigen folgende Zahlen: 36 Milliardäre besitzen mit 297 Milliarden US Dollar mehr als der übrige Teil der deutschen Bevölkerung.
Es geht jedoch nicht um Eigentum im Allgemeinen, um Geldvermögen, um Reichtum und Luxus. Der Vermögensbesitz hat eine Doppelfunktion. Einerseits gibt dieser Reichtum die Möglichkeit, Menschen zu beeinflussen, zu manipulieren, zu korrumpieren, zu kaufen. Damit verbunden ist die Möglichkeit, Entscheidungen in Verwaltungen, Staatsorganen und Regierungen maßgebend zu beeinflussen. Stichwort: Lobbyismus. Das alles vollzieht sich noch auf der Ebene von Geldverwendung.
Entscheidend ist die andere Seite: Geld als Kapital. Kapital ist Eigentum an Produktionsmitteln. Dieses Eigentum ermöglicht den Produktionsmittelbesitzern, besitzlose Menschen als Arbeitskräfte zu beschäftigen. Karl Marx hat in seinem Hauptwerk »Das Kapital« tiefgründig und exakt nachgewiesen, dass und wie trotz Äquivalenzaustausch Mehrwert entsteht, der sich in Profit verwandelt. Infolge kapitalistischer Konkurrenz entsteht die Jagd nach Maximal- und Extraprofiten. Auf diesem Hintergrund entstanden die kurz benannten Eigentums-, Herrschafts-, und Machtstrukturen.
Diese Eigentums- und Machtstrukturen tragen nicht nur den Trieb in sich, ihre Besitzstände zu verteidigen, sondern sie auch mit militärischer Gewalt zu erweitern. Alle in den vergangenen 100 Jahren geführten Kriege beweisen das. Diese Aktivitäten sind noch im vollen Gange. Wir erfahren täglich von den unmenschlichen Grausamkeiten, die auf den noch bestehenden Kriegsschauplätzen vor sich gehen – und sind entsetzt. Wir beobachten die Vorbereitungen auf mögliche neue Waffengänge – und sind erschreckt. Daher ist die Erkenntnis, dass es gegen diese gefährliche Tendenz eine bereits wirksame Gegentendenz gibt, von eminenter Bedeutung. Nachgewiesenermaßen ist diese antiimperialistische Gegentendenz in einer Reihe von Ländern und Regionen wahrnehmbar und wirksam. Unbenommen bleibt das Streben nach der Errichtung einer ausbeutungsfreien, sozial gerechten und menschenwürdigen Gesellschaft. Aber im gegenwärtigen historischen Zeitabschnitt besteht die Hauptaufgabe darin, alle fortschrittlichen und friedliebenden Kräfte zu vereinen und zu befähigen, der Kriegstreiberei Einhalt zu gebieten. Nicht Hoffnungslosigkeit und Pessimismus ist Raum zu geben, sondern der Erkenntnis vom widersprüchlichen Geschichtsverlauf und den darin enthaltenen Möglichkeiten. Diese Erkenntnisse sind die Grundlage für jenen historischen Optimismus, aus dem wir unsere Kraft schöpfen – unsere Kraft, die wir dringend brauchen und voll einsetzen für die Erreichung von Frieden, für die Erhaltung und Sicherung des Friedens und für die Durchsetzung des historischen Fortschritts!
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