Für gnadenlosen Wirtschaftskrieg die höchste Ehrung?
Gerhard Mertschenk, Berlin
Rede am 2. November 2024 vor der US-Botschaft in Berlin (Auszug)
Liebe Anwesende, liebe Freunde Kubas, erneut – und zwar zum 32. Male – hat die UNO-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit (187:2) die USA aufgefordert, die gegen Kuba verhängte Blockade aufzuheben. Darüber freuen wir uns gewaltig, weil uns das in unserem gerechten Kampf für die Aufhebung der Blockade bestärkt. Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass die USA dieser Aufforderung der Weltgemeinschaft nachkommen werden. Es ist vielmehr zu erwarten, dass die USA in ihrer berüchtigten kolonialen Machtarroganz den erdrückenden Mehrheitsbeschluss der Völker missachten und sich weiterhin über das Völkerrecht hinwegsetzen werden, das jedem Staat das Recht gewährt, seine politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung frei zu wählen und zu entwickeln. [...]
Mit ihrer Blockadepolitik verletzen die USA bewusst die Menschenrechte des kubanischen Volkes. Sie selber aber haben bezeichnenderweise bis heute nicht die Konvention über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte unterzeichnet, geschweige denn ratifiziert. Diese Konvention schreibt unter anderem das Recht auf Arbeit, auf angemessenen Lebensstandard und das Recht auf körperliche und geistige Gesundheit fest. Das heißt, dass diese Menschenrechte nicht nur der USA-Bevölkerung vorenthalten werden, sondern dass die USA darauf abzielen, den Kubanern diese durch ihre Revolution errungenen Menschenrechte wieder zu entziehen und diese menschenrechtlichen Errungenschaften zunichte zu machen. [...]
Seit Jahren prangern wir die Blockade an, die die USA gegen Kuba verhängt haben. Ein Bestandteil dieser Blockade ist die willkürliche Entscheidung der USA, Kuba auf die Liste der Länder zu setzen, die nach Auffassung der USA Terror unterstützen, was zu schwerwiegenden Einschränkungen beim Zugang zum internationalen Finanzsystem führt. Kuba wird dadurch so gut wie vom internationalen Finanzmarkt ausgeschlossen, da keine Bank es wagt, für Kuba Finanztransaktionen vorzunehmen, weil sie dann eine Bestrafung durch die USA befürchten, nämlich den Ausschluss von dem vom US-Dollar beherrschten Weltfinanzmarkt. USA-Präsident Obama, dessen Vizepräsident Biden war, hatte Kuba von der Liste Terror fördernder Staaten gestrichen, weil er die Unsinnigkeit einsah, Kuba in dieser Liste zu führen. Neun Tage vor Ablauf seiner Präsidentschaft hat Donald Trump Kuba wieder auf die Liste der angeblich Terror fördernder Staaten gesetzt. Sein Nachfolger Joe Biden folgte nicht seinem ehemaligen Chef Obama und hat Kuba, entgegen seiner Versicherung, die Sanktionen gegen Kuba zu lockern, in dieser Liste belassen. Dabei könnte er mit einem Federstrich Kuba von der Liste streichen. Auch könnte er – wie Obama – den Prozentsatz von USA-Technologiebestandteilen bei importierten Erzeugnissen auf 25 Prozent erhöhen. Gegenwärtig darf ein Produkt, das mehr als 10 Prozent US-Technologie enthält, nicht an Kuba verkauft werden. Er könnte ebenso den Verkauf von Rohstoffen an Kuba zur Produktion von Medikamenten für die Kubaner und andere Entwicklungsländer erlauben. Auch dürfte er die medizinische Behandlung von USA-Patienten in Kuba erlauben und anderes mehr. Er tut es aber nicht und verletzt damit bewusst die Menschenrechte sowohl der kubanischen Bevölkerung als auch der eigenen Landsleute.
Vor zwei Wochen weilte Joe Biden zu einem Kurzaufenthalt hier in Berlin, um mit der höchsten Auszeichnung, die die Bundesrepublik zu vergeben hat, der Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, geehrt zu werden. Ich hätte mich gefreut, wenn dem US-Präsidenten Biden dieser Orden dafür verliehen worden wäre, weil er auf Empfehlung der Bundesregierung Kuba von der Liste der angeblich Terror fördernder Staaten gestrichen hätte. Denn die Bundesregierung ist für die Streichung Kubas von der Liste, tut aber nichts Konkretes gegenüber den USA, damit diese Kuba von der Liste streichen. Aber weit gefehlt. Er bekam diesen Orden für sein Agieren für Demokratie und Freiheit. Aus meiner Sicht hat er also den Orden dafür erhalten, weil er sich die Freiheit nahm, unter anderem einen unbarmherzigen, menschenverachtenden und völkerrechtswidrigen Wirtschaftskrieg gegen Kuba zu führen.
Weiß der Bundespräsident, weiß Präsident Biden, in welche Gemeinschaft er mit diesem ihm verliehenen Orden aufgenommen wird? Es handelt sich dabei teilweise um eine wahrlich »illustre« Gesellschaft: Diese höchste Ehrung der BRD wurde am 22. März 1955 dem blutrünstigen Diktator Hector Trujillo aus der Dominikanischen Republik verliehen, einen Monat nachdem der berüchtigte Schah von Persien, Reza Pahlevi, die gleiche Auszeichnung in Empfang nehmen durfte. Und die Reihe wurde fortgesetzt: Am 28. Mai 1957, also zu einer Zeit, als die revolutionäre Rebellenarmee in der Sierra Maestra unter Fidel und Raúl Castro, Che Guevara und Camilo Cienfuegos für Freiheit und Demokratie, gegen die blutige Diktatur eines Fulgencio Batista kämpfte, erhielt dieser blutrünstige Batista ebenfalls diese höchste Auszeichnung, die die BRD zu vergeben hat, und zwar aus den Händen des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der am 24. März 1933 als Abgeordneter der Deutschen Staatspartei im Reichstag für das Ermächtigungsgesetz Hitlers stimmte, also für das Gesetz, durch das Hitler diktatorische Vollmachten übertragen bekam. Eine Hand, die für Hitlers Diktatur stimmte, hatte offensichtlich keine Probleme damit, blutigen Diktatoren die Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an die Brust zu heften. Und damit war noch nicht Schluss mit dieser schändlichen Reihe. 1959 wurde auch dem blutbesudelten Diktator Luis Anastasio Somoza in Nicaragua diese höchste Auszeichnung überreicht. Wenn man davon ausgeht, dass diese Diktatoren einen unbarmherzigen Krieg gegen ihre eigene Bevölkerung führten, und auch Biden einen solchen gnadenlosen Wirtschaftskrieg gegen das kubanische Volk führt, dann ist es in der Tat folgerichtig, ihn in eine Reihe mit diesen Unmenschen zu stellen. Da haben sich Brüder im Geiste zusammengefunden. [...]
Gemeinsam und zusammen mit anderen Solidaritätsgruppen werden wir uns auch in Zukunft unermüdlich für ein Ende des Wirtschaftskrieges der USA gegen Kuba einsetzen. Und wir haben viele Verbündete, wie es die Abstimmung in der UNO-Vollversammlung gezeigt hat. Lasst uns dieses Abstimmungsergebnis in eine möglichst breite Öffentlichkeit tragen, denn die »Qualitätsmedien« berichten darüber nicht, zeigt es doch die weltweite Isolierung der USA nicht nur in dieser Frage.
Weg mit der US-Blockade gegen Kuba! Venceremos – der Sieg wird unser sein.
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