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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Es geht um die Zukunft: KPD-Verbot aufheben!

Prof. Dr. Nina Hager, Berlin

 

Bereits 1950, kurz nach Gründung der Bundesrepublik, wurde versucht, Kommunistinnen und Kommunisten aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. Am 19. September 1950 fasste die Bundesregierung einen Beschluss über die »Politische Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegen die demokratische Grundordnung«.

Vorgegangen wurden auch gegen Veranstaltungen und Kundgebungen von KPD und FDJ. Die Partei, bis 1953 im Bundestag, sollte aus dem öffentlichen Leben verbannt werden.

Am 26. Juni 1951 wurde zunächst die Freie Deutsche Jugend verboten. Am 11. Mai 1952 wurde Philipp Müller, Mitglied der FDJ und der KPD, durch die Polizei erschossen. Er starb, als die Polizei auf Teilnehmer einer Demonstration gegen die Wiederbewaffnung schoss.

»Vorverlegte Verteidigungslinie«

Übrigens: Die Bundesregierung hat sich am 19. Juli 1954 das Verbot der FDJ nachträglich durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigen lassen.

Das 1. Strafrechtsänderungsgesetz, das im Bundestag in 2. und 3. Lesung in kurzer Zeit durchgepeitscht wurde, wurde zur scharfen Waffe gegen die Opposition. Am 30. August 1951 verkündet, trat es bereits am 1. September 1951 in Kraft. Durch dieses »Blitzgesetz« wurde der sogenannte vorverlegte Staatsschutz eingeführt. In der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung des 1. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. Mai 1950 hieß es: »Der moderene Staat« bedürfe »neuer Schutzvorschriften, die seine Verteidigungslinie in den Bereich vorverlegen, in der die Staatsfeinde unter der Maske der Gewaltlosigkeit die Macht erschleichen« [1].

Der »vorverlegte Staatsschutz« stand in einer Kontinuität zum faschistischen Gesinnungsstrafrecht. 1936 schrieb der damalige Reichsjustizminister Gürtner: »Das künftige Strafrecht ... wird also die Verteidigungslinie des Staates vorverlegen« [2]. Sein Mitautor, der berüchtigte spätere Präsident des Hitlerschen Volksgerichtshofes Roland Freisler, hatte ebenfalls erklärt: »Das Strafrecht verlegt das Kampffeld nach vorn« [3].

Oberlandesgerichtspräsident Dr. Schmidt aus Stuttgart erklärte im Dezember 1961 in »Die Zeit«, sogenannter vorverlagerter Staatsschutz »bedeute, dass Straftatbestände geschaffen werden sollten, die in das Vorfeld des eigentlichen politischen Kampfes hineinreichen« und dass damit »nun nicht nur auf den unmittelbaren Zweck einer Tat, sondern auf die weiteren Absichten und damit auf die Gesinnung und die Ideologie abgestellt wurde«.

Erst dieses Gesetz und die entsprechende Auslegung seiner Paragrafen ermöglichte in der Folge in der BRD die massive Verfolgung von Kommunistinnen und Kommunisten sowie anderer im Kalten Krieg. Der CDU-Abgeordnete Dr. Hasler stellte sechs Jahre später fest, das Strafrechtsänderungsgesetz sei »eine Waffe, die geschmiedet wurde, um im Kalten Krieg zu bestehen.« [4].

Am 22. November 1951 stellte die Regierung Adenauer ihren Antrag auf das Verbot der KPD. Diese sollte für verfassungswidrig erklärt und verboten werden, ihr Vermögen eingezogen und ihren leitenden Funktionären die Grundrechte abgesprochen werden. Begründet wurden diese Schritte als Maßnahmen zur »Erhaltung der Freiheit«. Vor allem weil die Kommunisten die Remilitarisierung Westdeutschlands ablehnten, für die Wiedervereinigung Deutschlands eintraten. Sie bereiteten die »Einführung eines ganz Deutschland umfassenden, der sowjetischen Besatzungszone entsprechenden Herrschaftssystems« vor, meinte die Regierung. Die Bundesregierung wandte sich offen gegen die Freiheit der Meinung und der Kritik, indem ein Verbot der KPD zudem mit der Begründung verlangt wurde, es müsse verhindert werden, dass »die kommunistische Propaganda und Agitation Unzufriedenheit in der Bevölkerung … erweckt«.

Bereits im Vorfeld des KPD-Verbots wurden – neben der FDJ – eine Reihe politischer Organisationen wie der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD), der Demokratische Kulturbund und andere als verboten erklärt. Vor dem KPD-Verbot brachte das Wirken der politischen Justiz über 3.000 Bürgerinnen und Bürger in Gefängnisse.

Drei Jahre dauerte es von der Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung. Der Präsident des BVerfG, Dr. Wintrich, hatte im November 1954 Bundeskanzler Adenauer aufgesucht – um »zu klären, ob die Bundesregierung an ihrem Antrag weiterhin festhalte«. Diese hielt daran fest. Die mündliche Verhandlung dauerte vom 23. November 1954 bis zum 14. Juli 1955. Die gerichtliche Entscheidung, das Verbotsurteil, wurde dann aber erst am 17. August 1956 verkündet.

Die Bundesregierung hatte vorher auf den 1. Senat des BVerfG massiven Druck ausgeübt. Eine Bundestagsmehrheit beschloss mit einer Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Senatszuständigkeit für Parteiprozesse vom 1. auf den 2. Senat zu verlegen. Das sollte am 1. September 1956 in Kraft treten.

Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes kam dem zuvor: Am 17. August verkündete der Senat seinen Urteilsspruch. Durch diesen wurde die Kommunistische Partei Deutschlands in der Bundesrepublik für »verfassungswidrig« erklärt und aufgelöst, ihr Vermögen eingezogen und jegliche Ersatzorganisation verboten.

Der Prozessvertreter der KPD, Professor Friedrich Karl Kaul, stellte 1971 fest: »Mit diesem Spruch des höchsten Gerichts der Bundesrepublik sollten ›für immer‹ – (…) die Ideen der Partei ›aus dem Prozess der politischen Willensbildung ausgeschieden‹ sein, die sich von der ersten Stunde ihrer Gründung an am entschiedensten für die soziale Sicherung der werktätigen Bevölkerung eingesetzt und am kompromisslosesten die den Weltfrieden stetig bedrohenden Kräfte des deutschen Imperialismus bekämpft hat.« Das BVerfG musste später von der »ewig andauernden Ausscheidung der Ideen dieser Partei aus der politischen Willensbildung« abrücken. Dem Wortlaut von Artikel 18 Grundgesetz entsprach diese »Ewigkeitserklärung« ohnedies nicht. [5]

Kaul machte auch darauf aufmerksam, wie die Vertreter der KPD und ihre Rechtsanwälte während des gesamten Prozesses massiv behindert wurden. Die andere Seite arbeite mit Fälschungen, verweigerte Akteneinsicht usw. Das Urteil war politisch gewollt, das BVerfG entschied gegen das Grundgesetz. Das stellten drei Richter des bremischen Staatsgerichtshof kurz nach der Verkündung des KPD-Verbots fest. [6]

Um die Verfolgung erfolgreich umzusetzen nutzte die Adenauer Regierung erfolgreich nicht nur die Kenntnisse von Nazijuristen (so Globke, Ritter von Lex, Westrick, Thiedieck, Vialon, Roemer, Ebersberg usw. usf.). Auch in anderen Verfolgungsbehörden – im Verfassungsschutz, im BKA usw. – waren die alten Faschisten längst wieder in Amt und Würden …

Druckmittel gegen alle demokratischen Kräfte

Nach dem Spruch des Gerichts wurde über Jahre jegliche politische Äußerung von Kommunistinnen und Kommunisten als Handlung wider das KPD-Verbot ausgelegt. Aber es traf auch viele andere, die

- gegen die Remilitarisierung, die atomare Abschreckung und eine »Politik der Stärke« auftraten, für die Verständigung zwischen den beiden deutschen Staaten und für ein entmilitarisiertes neutrales Deutschland eintraten.

- als Betriebsräte – so Kollegen aus dem Ruhrgebiet geschehen –, sich in der DDR erkundigten, ob dorthin Steinkohle geliefert werden könne, um dem Zechensterben im Pott etwas entgegenzusetzen [7].

- als Sportler unter dem Motto »Für Einheit und Freiheit im deutschen Sport« aktiv wurden, um die ersten Wettkämpfe unter Sportlern beider deutscher Staaten zu organisieren.

- Kinderferienfahrten in die DDR organisierten.

- kommunale Kontakte zu Städten und Gemeinden in der DDR suchten oder jene, die auf Studienfahrten die DDR kennenlernen wollten um sich ein eigenes Bild zu machen.

Allein in den 50er und 60er Jahren wurden in der Bundesrepublik über 200.000 Ermittlungsverfahren – nicht nur gegen Mitglieder der KPD – durchgeführt, etwa 10.000 Menschen wurden verurteilt. »Zahlen, die einem Polizeistaat alle Ehre machen«, so der frühere FDP-Innenminister und Strafrechtsprofessor Werner Maihofer im Jahr 1965.

Doch auch nach Neukonstituierung der DKP 1968 hielt die Verfolgung an. 1971 musste der damalige Vorsitzende der DKP, Kurt Bachmann, festellen, dass allein im Jahr 1970 gegen 266 Mitglieder und Funktionäre der DKP Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. »Mitglieder und Funktionäre der DKP, aber auch Gewerkschaftsfunktionäre und demokratische Politiker werden bespitzelt, ihre Telefongespräche ohne richterlichen Beschluss abgehört«. [8]

Das KPD-Verbot blieb Druckmittel gegen alle demokratischen Kräfte und ist es bis heute. Die Betroffenen wurden nie rehabilitiert und entschädigt.

Der Parteivorstand der DKP erklärte am 16. August 2016 in einer Pressemitteilung unter anderem: »Wenn wir heute fordern, das KPD-Verbot aufzuheben, geht es nicht nur darum, vergangenes Unrecht aufzuarbeiten. Es geht um die Zukunft – um unser Recht, auch ohne Erlaubnis der Bundesregierung für eine andere Gesellschaft zu kämpfen.«

 

Anmerkungen:

[1]  Bundestagsdrucksache Nr. 1307 der ersten Wahlperiode, S. 34.

[2]  Gürtner/Freisler »Das neue Strafrecht«, Berlin 1936, S. 27.

[3]  A. a. O., S. 136.

[4]  Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, 192. Sitzung, Bonn, 8.2.1957, S. 10 931.

[5]  Urteil: KPD-Urteil aufheben. Politisches und Rechtliches zum Verbot der KPD, Köln 1971, S. 25.

[6]  Ebenda, S. 36.

[7]  Siehe »Die verdrängte Schuld der Republik – Berichte über Essener Opfer des Kalten Krieges«, Essen, ohne Jahr, S. 1.

[8]  Urteil: KPD-Urteil aufheben …, S. 99.

 

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