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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Einzelfallprüfung definitiv ablehnen

Ellen Brombacher, Berlin

 

Am 10. März behandelte das Europäische Parlament einen gemeinsamen Entschließungsantrag aller Fraktionen – nur die konföderale Fraktion GUE/NGL hatte ihn nicht mit eingereicht. Dieser Antrag schloß die Forderung nach Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen ein. Drei Abgeordnete der GUE/NGL reichten das Papier – trotz entgegengesetzter Haltung ihrer Fraktion – mit ein, darunter Lothar Bisky, der letztlich auch als einziger aus der Delegation der LINKEN im Europäischen Parlament dem Entschließungsantrag zustimmte.

Über sieben Monate sind seither vergangen. Aus der Flugverbotszone über Libyen – angeblich zum Schutz der Zivilbevölkerung – wurde binnen kürzester Zeit de facto ein NATO-Krieg für einen Regimewechsel. 50-70.000 Tote hat dieser Krieg inzwischen gekostet. Städte sind zerstört, ein Flüchtlingsstrom sondergleichen wurde produziert, und wo früher im Auftrag Gaddafis gefoltert wurde, foltern nun die neuen Freiheitskämpfer. Es bestätigt sich erneut, daß das erste Opfer im Krieg die Wahrheit ist.

In diesem Einzelfall ist sicher auch Lothar inzwischen froh darüber – und ich könnte mir vorstellen, auch die eifrigsten Verfechter der sogenannten Einzelfallprüfung – daß unsere Partei einen Prüfungsvorbehalt bei UN-Einsätzen, insonderheit nach Kapitel VII, definitiv ablehnt. Libyen beweist wiederum: Die Einzelfallprüfung schließt nicht nur abstrakt die Anerkennung von Kriegen als ultima ratio ein. Diese Einzelfallprüfung fände auch, würde sie durch unsere Partei akzeptiert, unter Bedingungen statt, die es erlauben, mittels der weltweiten Macht der Mainstream-Medien und Geheimdienste Kriegsgründe relativ problemlos zu manipulieren. Die LINKE kann es sich ersparen, irgendwann im Nachhinein erklären zu müssen, was sie alles a priori nicht habe wissen können und was sie demzufolge so nie gewollt habe. Solcherart späte Reue wirkt ebenso wenig glaubwürdig, wie die empörten Erklärungen Rußlands und Chinas, sich hätten sich im UN-Sicherheitsrat doch nur hinsichtlich der Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen enthalten und müßten nur erstaunt zur Kenntnis nehmen, daß ein NATO-Krieg daraus geworden sei. Und auch wir sollten niemals erstaunt darüber sein, daß z.B. der UN-Sicherheitsrat "noch nie chartagemäße Beschlüsse gegen Aggressoren wie die NATO beim Jugoslawienkrieg oder die USA beim Irakkrieg gefaßt" hat, so im Antrag 245.2 formuliert. Es gab und gibt für die LINKE keinen Grund, von ihrem prinzipiellen Nein zu Kriegen abzugehen und etwa durch die Akzeptanz der sogenannten Einzelfallprüfung die Tür für Militäreinsätze einen Spalt weit zu öffnen.

(Auf dem Parteitag gehaltener Diskussionsbeitrag)

 

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