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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Bei dem generellen Nein muß es bleiben

Ellen Brombacher, Berlin

 

Auch der jüngste Parteitag in Hessen befand mehrheitlich, daß Einzelfallentscheidungen über Bundeswehreinsätze keinen Eingang in das Parteiprogramm finden dürfen. Im ND war dazu u.a. folgendes zu lesen: "Vergeblich mahnte ein Delegierter, man werde um 'militärische Friedenssicherung durch die UNO nicht umhin kommen, da kann der Parteitag beschließen, was er will.'"

Die Mahner in der Partei sind doch wohl eher diejenigen, die aussprechen, daß wir uns überflüssig machten, würden wir je Kriegseinsätzen zustimmen. Der Begriff Einzelfallprüfung ist ein Synonym dafür, Krieg als ultima ratio anzuerkennen. Denn: Die Einzelfallprüfung zu akzeptieren bedeutete, daß Beschlüsse des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der UN-Charta in jedem einzelnen Falle dahingehend geprüft würden, ob die Partei einem solchen Beschluß zustimmend oder ablehnend gegenübersteht. Das würde der Installierung eines generellen Prüfungsvorbehaltes entsprechen. Die Mehrheit der Partei jedoch hat sich im Verlaufe von gut anderthalb Jahrzehnten immer wieder dafür entschieden, "aus der herkömmlichen politischen Logik des Denkens und Handelns in militärischen Abschreckungs-, Bedrohungs- und Kriegsführungskategorien auszubrechen und militärische Gewaltanwendung als Mittel der internationalen Politik strikt abzulehnen."

Diese Position wird unablässig wichtiger – gerade weil Kriege immer alltäglicher werden sollen. Besorgniserregend ist es, daß mittlerweile selbst Gewerkschaftsführungen fragwürdige Positionen in puncto Frieden einnehmen. Auf dem jüngsten Kongreß von Verdi wurde beschlossen, Bundeswehreinsätze im Ausland nicht prinzipiell auszuschließen. Den Gewerkschaftern, die meinten, bei allen Militäreinsätzen gehe es letztlich um wirtschaftliche Interessen, hielt Verdi-Chef Bsirske mit Verweis auf Ruanda und andere Länder entgegen: "Wir haben aus unserer Geschichte eine Verantwortung, Völkermord zu verhindern und die Bundeswehr an der Stelle, wenn die Vereinten Nationen das beschließen, mit in die Verantwortung zu nehmen."

Dies zu äußern, während die NATO in Libyen noch Angriffe fliegt und zugleich darüber verhandelt wird, daß die Mächte prozentual das meiste Öl bekommen, die am intensivsten bombten, ist ignorant. Und es ist zynisch, wenn die IG-Metall eine Studie in Auftrag gibt, in der festgestellt wird, die "Einsatzfähigkeit" der Kriegsmarine gegen die "Bedrohung des freien Warenverkehrs" müsse ebenso sichergestellt werden wie die "Exportfähigkeit" deutscher Waffen. Auf diese Weise wurden in Deutschland schon einmal Arbeitslose von der Straße geholt. Das Ergebnis ist bekannt. Kurz gesagt: Die Bewahrung der friedenspolitischen Prinzipien unserer Partei ist wichtiger denn je.

1995 gab Joschka Fischer eine öffentliche Antwort auf einen offenen Brief von führenden grünen Politikern, die ihm vorwarfen, seine Forderung nach allgemeiner Interventionspflicht der UNO bei Völkermord sei ein Einfallstor für eine Befürwortung von Kampfeinsätzen. Dazu Fischer: "Ich habe diese Position der Interventionspflicht bei Völkermord – es ist dies für mich der unveräußerliche Kern des Antifaschismus und seines Vermächtnisses des 'Nie wieder Auschwitz!' – schon immer vertreten". Kerstin Müller, Claudia Roth, Jürgen Trittin und Ludger Volmer, die Fischer seinerzeit kritisiert hatten, sind inzwischen längst dessen bellizistische Parteigänger. Gemeinsam öffneten sie nur vier Jahre später die Tür für die erste Kriegsbeteiligung Deutschlands nach 1945. Selbstverständlich ging es um Menschenrechte, deren angebliche Verteidigung es erlaubte, die Souveränität Jugoslawiens mit Füßen zu treten – eine Art Vorwegnahme der sogenannten Schutzverantwortung ("responsibility to protect").

Jüngst stellten André Brie, Ernst Krabatsch, Stefan Liebich, Paul Schäfer und Gerry Woop ein Papier über "Reformen zur Stärkung der UNO ..." vor. DIE LINKE, so schreiben sie, begrüße es, "daß dem Nichteinmischungsgebot durch diese entstehenden Schutznormen" – gemeint ist "responsibility to protect" – Grenzen gesetzt werden. Das entspricht in der Sache dem, was Fischer bereits vor sechzehn Jahren zum Dreh- und Angelpunkt grüner Außenpolitik erklärte. Zum Thema Intervention bei Menschenrechtsverletzungen und Völkermord gehört unabdingbar das der Einzelfallprüfung. Entsprechend hat das fds Änderungsanträge zum Leitantrag gestellt. So den Änderungsantrag 3: "Die Bundeswehr muß wieder auf ihren grundgesetzlichen Verteidigungsauftrag im Rahmen des Völkerrechts begrenzt werden. Über eine Unterstützung ihrer Beteiligung an Missionen der Vereinten Nationen entscheidet DIE LINKE in jedem Einzelfall ..." Und in der Begründung zu diesem Antrag heißt es u.a., die Formulierung im Leitantrag opfere die Einzelfallbewertung jeder konkreten Anfrage der Vereinten Nationen einem generellen Nein". Dazu kann man nur sagen: Bei diesem generellen Nein im Programm und politischen Alltag unserer Partei muß es bleiben, wenngleich die Notwendigkeit der Einzelfallprüfung mit Menschenrechtsfragen begründet wird.

Doch wohin man auch schaut: Es geht zuvörderst um wirtschaftliche Interessen. Man kann es auch umdrehen: Wo es keine wirtschaftlichen oder andere strategische Interessen gibt, hält man sich raus. Von der NATO oder anderweitigen Koalitionen von Willigen ausgeführte Militäreinsätze sind jedenfalls nicht dafür gedacht, Menschenleben zu retten oder Menschen das Leben leichter zu machen. Sie kosten Menschenleben.

Wir ließen und lassen uns von dem Grundsatz leiten, daß die Interessen vor allem von NATO und USA, ohne die kein Beschluß des UN-Sicherheitsrates zustande kommt, nicht die unsrigen sind. Darüber hinaus war das Heil, welches deutsche Soldaten der Welt im vergangenen Jahrhundert zweimal brachten, so unendlich mörderisch, daß Deutschland seine diesbezüglichen Quoten für alle Zukunft erfüllt hat. Das sehen wohl auch die rund 70% der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes so, die Kriegseinsätze ablehnen.

Redebeitrag auf der Konferenz "Kurs halten – Ein Programm für die Mehrheit" im Podium "Konsequent gegen Militarisierung und Krieg! Für eine internationalistische LINKE!" am 8. Oktober 2011

 

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