Dieter Popp – Kommunist und Kundschafter
Ellen Brombacher, Berlin
Es war in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Sahra hatte erstmals in NRW für den Bundestag kandidiert. Auf einer Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform schlug sie überraschend einen uns unbekannten Dieter Popp zur Wahl in den Bundeskoordinierungsrat vor. Dann stellte Dieter sich vor.
Er sei Kundschafter der DDR gewesen und habe z.B. mit dafür gesorgt, dass die Verhandlungsführer der Warschauer Vertragsstaaten während der KSZE-Konferenzen wussten, »wo von Seiten der NATO falschgespielt wurde und wo ehrliche Absichten vorlagen«. Auch habe er seinen Anteil am Erfolg der wichtigsten Abrüstungsverhandlungen des kalten Krieges (MBFR und SALT II) gehabt. Seit 1969 in Bonn lebend, habe er dort fast zwei Jahrzehnte eine Spitzenquelle im Planungsstab des Bonner Verteidigungsministeriums geführt. Er sei 1991 vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Seinen Überzeugungen sei er treu geblieben und wolle weiter für die Erhaltung des Friedens arbeiten. Deshalb sei er Mitglied der PDS und in der KPF organisiert. Dieter bat um das Vertrauen, für NRW in den Bundeskoordinierungsrat gewählt zu werden. Und er wurde mit großer Mehrheit gewählt. Dieter blieb bis zu seinem Tod dessen Mitglied.
Es war auch ein Aufbäumen von Kommunistinnen und Kommunisten in der PDS gegen die maßlose Hetze, die früheren Mitarbeitern des MfS entgegenschlug. Nicht allen! Es gab »gute Stasis«, die z.B. im Europaparlament landeten, und böse, wie Dieter Popp. Über die dritte Kategorie, jene also, die »auf zwei Schultern trugen« und es gegebenenfalls bis heute tun, wurde und wird nicht gesprochen; es sei denn, BILD oder andere Medien enttarnten jemanden ausnahmsweise versehentlich.
Zurück zu Dieter. Seine Wahl war weitaus mehr als eine symbolische Antwort auf den letztlich gelungenen Versuch des Rechtsnachfolgers Hitlerdeutschlands, über die Kriminalisierung des MfS die DDR als Staat zu delegitimieren.
Dieter war Realist. Er wusste um die Schwächen des sozialistischen Versuchs auf deutschem Boden. Vor allem aber wusste er um die Aggressivität des deutschen Imperialismus. Er war ein Kundschafter des Friedens – im Auftrag des militärischen Aufklärungsdienstes der NVA. Er stand öffentlich dazu, DDR-Aufklärer gewesen zu sein, ohne Heldenpose; obwohl er ungewöhnlichen Mut bewiesen hatte.
Am 27. November 2020 starb Dieter mit 82 Jahren, drei Tage nach seinem Geburtstag.
Er war ein ruhiger, überlegter und überaus freundlicher Genosse. Die Erfahrung konnten alle machen, die ein Vierteljahrhundert mit Dieter in der Kommunistischen Plattform zusammenarbeiteten, in NRW und bundesweit. Und sicher ebenso jene Genossinnen und Genossen in der von ihm mitgegründeten Gruppe »Kundschafter des Friedens fordern Recht«. Dass er sich auch in der VVN-BdA engagierte, entsprach seiner antifaschistischen Grundhaltung. Seine festen politischen Prinzipien verbanden sich mit Empathie. Die Grenzen seiner Güte lagen da, wo es um den deutschen Imperialismus und die NATO ging.
Wir werden Dieters Vermächtnis bewahren und ihn niemals vergessen.
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2020-12: Es ist das System!
2020-09: Keine Antworten
2020-06: Maßgebliche Unterschiede