Die Situation erinnert fatal an den Beginn der neunziger Jahre
Ellen Brombacher, Berlin, Bundessprecherin der Kommunistischen Plattform
Soweit wie in Ungarn ist es in diesem Land noch nicht und wir müssen verhindern, dass es hier soweit kommt. Im Juliheft der »Mitteilungen« berichteten wir über die skandalösen Vorgänge um die Notunterkunft für Asylbewerber im Marie-Schlei-Haus im Reinickendorfer Ortsteil Wittenau. Darüber war, sieht man vom neuen deutschland und der jungen Welt ab, in den Medien ansonsten wenig zu erfahren. Seit dem Skandal um die Eröffnung der Notunterkunft für Flüchtlinge in Berlin Hellersdorf widmen sich die Medien dem Thema mit erstaunlicher Intensität. Hellersdorf liegt im Osten. Da kann ein seit mehr als zwanzig Jahren gepflegtes Klischee bedient werden, dass nicht einmal mehr explizit erwähnt werden muss. Natürlich gibt es in Hellersdorf Anwohner, die den aus ganz Berlin kommenden Nazis auf den Leim gehen, die dort ihr Unwesen treiben. Leute, die der rechten Demagogie einiges abgewinnen können, gibt es in jedem Berliner Bezirk, so, wie es überall Antifaschisten gibt.
Wir sollten uns nicht ablenken lassen. Die Situation erinnert fatal an den Beginn der neunziger Jahre. Da brannten plötzlich beinahe jede Nacht Asylbewerberheime. Bis 1993 der Asylparagraph im Grundgesetz geändert, ja – faktisch abgeschafft war. Danach hörten die Brände im Wesentlichen auf. Nachdem der europäische Sozia-lismusversuch beendet war, änderte sich der politische Stellenwert von Flüchtlingen einschneidend. Sie wurden nicht mehr sosehr gebraucht, sieht man von jenen Flüchtlingsströmen aus Bosnien und dem Kosovo ab, die 1999 dem NATO-Krieg gegen Jugoslawien eine Scheinlegitimation gaben.
Nach der oben erwähnten Änderung des Asylrechts, im Kontext mit der Dublin-II-Drittstaatenreglung und dem häufig brutalen Agieren von FRONTEX, nahm die Anzahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern, die hierher kamen, zunächst einmal rapi-de ab. Doch je mehr Kriege wieder normales Mittel der Politik werden, je größer das Elend in der Welt, desto mehr Menschen flüchten aus für sie unerträglichen Verhältnissen. Die Zahl der Asylsuchenden in der BRD nimmt seit geraumer Zeit stark zu. 2013 stellten bisher 90 Prozent mehr Menschen erstmals einen Asylantrag, als in den ersten sieben Monaten des Vorjahres. Diese Entwicklung setzte bereits 2012 ein.
Reinickendorf und Hellersdorf – beide Bezirke seien hier nur symbolisch benannt – sollen signalisieren: Flüchtlinge sind nicht willkommen. Es soll abgeschreckt werden. Struktureller Rassismus, Nazis und BILD-Gebildete finden sich in der Sache zu einer unheilvollen Allianz zusammen. Alle anständigen Menschen, darunter die Linken, müssen sich dem entgegenstellen, solidarisch-internationalistisch.
Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«:
2013-07: Spürbaren Widerstand gegen die Konsenssoße der etablierten Parteien leisten
2013-01: Ein Tabu würde fallen