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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Die Lebensmaxime Richard Sorges

Jürgen Herold, Berlin

 

Am 29. September 1943 verurteilte die kaiserliche Justiz Japans den Kundschafter zum Tode

Sucht man im Internet nach Richard Sorge, so findet man unter anderem auf den Seiten von Wikipedia folgenden Eintrag: »Die Richard-Sorge-Straße ist eine Straße im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Sie führt von der Landsberger Allee bis zum Weidenweg und wur­de nach dem Kommunisten Richard Sorge (1895-1944) benannt, der als Spion für die Sow­jetunion in Japan tätig war und dort hingerichtet wurde.« [1]

So der kühle Wikipedia-Eintrag zur Richard-Sorge-Straße – ohne jeden Bezug auf den 2. Weltkrieg. Für jüngere und nicht in der DDR groß gewordene Leser sei ergänzt, dass im Jahr 1964 die Umbenennung der Tilsiter [2] Straße in Richard-Sorge-Straße erfolgte. Da war der Ostteil Berlins noch die Hauptstadt der DDR. Die Namensgebung erfolgte zwanzig Jahre nach der Hinrichtung Richard Sorges. Mitten im kalten Krieg ehrte die DDR den deutschen Kommunisten, den sowjetischen Auf­klärer, der in der BRD vielen als »Verräter an Deutschland« galt.

So titelte Die Zeit am 7. November 1969: »Ein Spion erfand seine Legende. Vor 25 Jahren wurde Stalins Meisterspion hingerichtet.« Und weiter: »Die Routineüberprüfung von Kommunisten hatte die japanische Polizei auf die Spur der sowjetischen Spionagegruppe Ramsay und ihres Chefs Dr. Richard Sorge gebracht.« Zur Biografie Sorges finden sich fol­gende Stichpunkte: »Als Sohn eines deutschen Erdölingenieurs und einer russischen Mut­ter 1895 in Baku geboren, war Sorge in Berlin aufgewachsen. Kriegsfreiwilliger des 1. Welt­krieges, 1917 im Lazarett Wandlung zum Marxisten, kommunistischer Agitator während des Studiums, das er mit Auszeichnung und dem Grad eines Doktors der Staatswissen­schaften hinter sich bringt, Komintern-Funktionär in Moskau und Agent des ›Vierten Büros‹ der sowjetischen Militärspionage seit 1929 in China und seit 1933 in Japan, getarnt als Journalist – das waren die Stationen seines Werdeganges. In der Rolle, in der sich Sorge, Prototyp des ideologischen Spions, in seinem Geständnis selbst gezeichnet hat, ist er in die Geschichte eingegangen.«

Die Übernahme dieses Zeit-Artikels in aktualisierter Form auf Zeit-Online am 21. Novem­ber 2012 bestätigt die weiter bestehende Abneigung gegen einen Mann, der seinen Ein­satz gegen Krieg und Faschismus mit dem Leben bezahlt hat. [3]

Doch es gab in der Bundesrepublik auch andere Stimmen. So die von Manfred Demmer, langjähriges Vorstandsmitglied der VVN-BdA NRW. In einem seiner letzten Artikel (Manni ist am 2. Dezember 2009 im Alter von 66 Jahren gestorben) schrieb er am 4. November 2009 [4]: »Vor 65 Jahren wurde der Kundschafter Richard Sorge in Japan hingerichtet. Am 27. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution, am 7. November 1944, wurde in Tokio ein Mann hingerichtet, der versucht hatte, die Sowjetunion über den bevorstehenden Angriff Nazi-Deutschlands – und damit deren Bruch des Nichtangriffspaktes – zu informieren. Es war der Versuch, das von den deutschen Faschisten begonnene Völkermorden eindämmen zu helfen. ›Stalins Meisterspion‹, ›Spion aus Leidenschaft‹, ›Legendärer Idealist‹ oder ›Ver­räter an Deutschland‹ waren und sind Titel, die diesem Mann angehangen wurden und teil­weise bis heute gelten.« Im Weiteren schilderte Manfred Demmer den Lebensweg Richard Sorges vom Kriegsfreiwilligen 1914 bis zu seiner Hinrichtung 1944. Als Konsequenz aus dem eigenen Erleben hat Richard Sorge folgendes Fazit gezogen: »Ich habe am 1. Welt­krieg teilgenommen, habe den Krieg an beiden Fronten – im Osten und Westen – mit­gemacht, bin mehrmals verwundet worden, habe das Unglück des Krieges am eigenem Leibe erfahren. Kriege werden letztlich nur von der kapitalistischen Gesellschaft inspiriert. Um die Menschheit von diesem Unglück zu befreien, muss man den Kapitalismus ableh­nen!«

Diese Lebensmaxime bestimmte das Handeln Richard Sorges.                                  

 

Anmerkungen:

[1] de.wikipedia.org/wiki/Richard-Sorge-Straße, abgerufen am 15.08.2018.

[2] Tilsit: Stadt in Ostpreußen, heute Sowjetsk im russischen Kaliningrader Gebiet.

[3] www.zeit.de/1969/45/ein-spion-erfand-seine-legende.

[4] NRhZ-Online, Online-Flyer Nr. 222, 04.11.2009, www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14428.

 

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