Der Palast der Republik lebt – trotz alledem!
Rudolf Denner, Margita Görner, Berlin
Erinnern wir uns! Vor nunmehr 75 Jahren wurde die Deutsche Demokratische Republik gegründet und in diesem denkwürdigen Jahr 2024 begehen wir ein weiteres Jubiläum – den 50. Jahrestag des Richtfestes des Palastes der Republik (PdR).
Die offizielle Einweihung durch die Staats- und Parteiführung fand nach 32-monatiger Bauzeit am 23. April 1976 statt. Bei dieser Veranstaltung waren 3.800 geladene Fachleute und Bauarbeiter dabei.
Das Palastgeschehen nahm seinen Lauf. Während seiner Öffnung bis zum 18. September 1990 wurde er von ca. 70 Millionen Bürgern aller Altersklassen besucht, etwa 21.000 Veranstaltungen, Konzerte, Palastbälle, Kongresse, Parteitage und andere politische Veranstaltungen fanden statt. Die politischen Veranstaltungen machten etwa 3-5 Prozent aller Veranstaltungen aus.
Im Palast traf man sich zu Familienfeiern aller Art, hier fanden Brigade- und Betriebsfeiern statt oder beispielsweise auch die Studentenfeiern der nahe gelegenen Humboldt-Universität.
Schließung noch vor (!) dem 3. Oktober 1990
Am 19. September 1990 wurde der Palast der Republik unter dubiosen, bis heute nicht eindeutig geklärten Umständen geschlossen. Verantwortlich dafür war die damalige De-Maizière-Regierung der DDR.
Sie und die Mehrheit der damaligen Volkskammerabgeordneten sahen ihre wichtigste Aufgabe darin, die DDR abzuschaffen.
Die sogenannte »Asbestverseuchung« wurde als Begründung genutzt; ein von den Medien unseriös gebrauchter Begriff, jenseits der journalistischen Sorgfaltspflicht, machte die Runde.
Grundlage für die Schließung des Palastes der Republik war der unbestätigte Entwurf eines sogenannten Asbestgutachtens. Es wurde erst im November 1990 von einem eigens dazu eingeflogenen Ministerialbeamten aus München innerhalb weniger Stunden bestätigt. Ein seriöser Prozess im Umgang mit diesem Volkshaus im Zentrum Berlins?
Die unleugbare Tatsache: Die Luft im Palast war damals nicht höher belastet als die Außenluft. Deren Werte lagen weit unter den gesetzlich definierten Grenzwerten. Warum also dieses Asbestmedienspektakel, getragen von Politikern besonders des hauptstädtischen Mainstreams?
Die Tatsache: Am 3. Oktober 1990 sollte der »Beitritt« der DDR zur Bundesrepublik Deutschland vollzogen werden. Die bundesrepublikanischen Berater der damaligen sogenannten freigewählten »DDR-Regierung« wussten sehr wohl um die Brisanz des Themas Palast der Republik im Zentrum der Hauptstadt der DDR. Eine Vermutung sei deshalb erlaubt:
Mit dem aus Sicht der damaligen Bundesregierung unpopulären Thema Palast der Republik wollte sich die Kohl-Regierung nicht belasten, also musste die Schließung vor dem 3. Oktober erfolgen. Der eigentliche Verursacher, die damalige De-Maizière-Regierung, konnte dann damit nicht mehr belastet werden und die Bundesregierung schon gar nicht.
Ab 3. Oktober 1990 wurde also die DDR Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland. Der Palast der Republik wurde damit Eigentum der Bundesrepublik Deutschland und befand sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes.
Im Artikel 14.2 GG heißt es: »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.«
Aus dieser Sicht ist die Palastvernichtung ein Verstoß gegen das Grundgesetz durch die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestags und der Bundeskanzler von H. Kohl bis A. Merkel einschließlich der verantwortlichen Politiker.
Im Einigungsvertrag wird im Artikel 35.2 formuliert: »Die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet darf keinen Schaden nehmen.« Lag der Palast der Republik etwa nicht im Geltungsbereich des sogenannten Einigungsvertrages?
Der PdR ist kein Einzelfall, Beispiele in Berlin sind das Ahornblatt, oder aus jüngster Zeit das SEZ und das Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion. Die Verletzung des Einigungsvertrages durch die oben genannten Politiker war und ist also eindeutig. Sie gilt auch für weitere Bereiche der kulturellen Substanz der DDR – bis heute – und erlaubt die Feststellung, dass es sich um kulturpolitische Verbrechen handelt. Welchen Wert hatte dieser Einigungsvertrag überhaupt, und wie fragwürdig erscheint er uns heute?
Dem Hauptziel nähergekommen
Kommen wir zur Gegenwart. Am 16. Mai 2024 wurde im Humboldt-Forum die Ausstellung zum Palast der Republik eröffnet. Der Freundeskreis hat im Rahmen seiner Möglichkeiten und auf Einladung der Stiftung Humboldt Forum in Workshops dabei mitgewirkt. Dies war ein Akt der gemeinsamen Arbeit bei der Gestaltung dieser Ausstellung im Rahmen langjähriger Gespräche mit der Leitung der Stiftung.
Auf 1.300 Quadratmetern werden etwa 300 Ausstellungsstücke gezeigt. Diese Ausstellung ist die bedeutendste, jedoch nicht die einzige Palastausstellung, die dieses Jahr in Berlin zu sehen ist. Wie jede Ausstellung bietet sie Sichtweisen zum Palast an, die generationenbedingt unterschiedlich wahrgenommen werden – ein ganz natürlicher Vorgang. Dieses Jahr existieren vier Palastausstellungen in Berlin: Eine im Humboldt-Forum, eine im DDR-Museum – gezeigt wird dort unter anderem ein Modell des Palastes der Republik im Maßstab 1:125 – und weitere zwei vom Freundeskreis gestaltete Ausstellungen. Der Freundeskreis Palast der Republik, dieses 2007 gegründete Netzwerk, ist kein eingetragener Verein und hat Mitglieder in ganz Deutschland. Er setzt die Traditionen der bis 2007 wirksamen Bürgerinitiative »Pro Palast« mit aktuellen Zielstellungen und Möglichkeiten fort.
Schwerpunkte sind seit 2004 die Gestaltung und Durchführung von 34 Wanderausstellungen im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden e.V., mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, des DDR-Kabinetts Bochum und weiterer Institutionen.
Im Grundsatzdokument des Freundeskreises, den »30 Thesen zum Palast der Republik und Schloßplatz Berlin« wird formuliert:
»Hauptziel ist, eine dem Palast der Republik entsprechende Erinnerungskultur im Humboldt Forum auf dem Berliner Schlossplatz darzustellen, zu begründen und mit der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss und anderen Partnern zu organisieren.«
Dazu wurden auf der Grundlage vieler Hinweise von Ausstellungsbesuchern der bisherigen Wanderausstellungen und eigener Erkenntnisse konkrete Vorschläge und Standpunkte erarbeitet. Sie wurden der Öffentlichkeit und allen verantwortlichen Politikern einschließlich Bundestagsabgeordneten übergeben. Sie waren und sind eine wichtige Grundlage für sachlich-konstruktive Gespräche mit der Leitung des Humboldtforums, die seit 2011 geführt werden.
Der Generalintendant des Humboldtforums besuchte im Jahre 2022 mit dem Vorbereitungsteam die 32. Wanderausstellung des Freundeskreises und würdigte mit einer Eintragung ins Gästebuch die gemeinsame Arbeit in Sachen Erinnerungskultur an den Palast der Republik.
Der Freundeskreis stellt fest: Mit der Eröffnung der Palastausstellung unter dem Titel »HIN UND WEG« im Humboldtforum am 16. Mai 2024 sind wir unserem Hauptziel beträchtlich nähergekommen. Wesentliche Grundlagen dafür waren auch der langjährige stets offene, sachlich-konstruktive Meinungsaustausch mit dem Generalintendanten des Humboldtforums und seinen Mitarbeitern und die Mitwirkung des Freundeskreises im Rahmen der Workshops in Vorbereitung der Ausstellung. Wir sagen Danke!
Deshalb sollen die Gespräche mit der Leitung der Stiftung des Humboldtforums auch künftig weitergeführt werden – so die Absicht des Freundeskreises Palast der Republik. Dazu werden weitere Ideen und Vorschläge vorbereitet.
Des Besuchens wert
Der Freundeskreis war dabei, als die PdR-Ausstellung im Humboldtforum am 16. Mai 2024 eröffnet wurde. Beeindruckend war die hohe Teilnehmerzahl. Sie zeugt von der Aktualität des Themas Palast der Republik, 34 Jahre nach seiner Schließung, im Gedenken an den 50. Jahrestag des Richtfestes und im 75. Gründungsjahr der Deutschen Demokratischen Republik.
Unsere Meinung als Freundeskreis: Diese Ausstellung ist einen Besuch wert, sie dient der Erinnerungspflege und dem Meinungsaustausch – nur so kann man urteilen und den weiterführenden Dialog pflegen und, wenn gewollt, auch handeln.
Einen Besuch wert sind auch die 33. und 34. Wanderausstellung des Freundeskreises im Senioren ComputerClub auf der Fischerinsel 10, Berlin, und in Berlin Hellersdorf im Quartiermanagement, Boulevard Kastanienallee. Diese beiden Ausstellungen haben einige Alleinstellungsmerkmale, die sie von den anderen Ausstellungen unterscheiden:
Sie beleuchten beispielsweise die ausführliche Dokumentation der Palastvernichtung und den mehr als drei Jahrzehnte andauernden Protest dagegen, den der Freundeskreis mitgestaltet hat – bis heute.
Zu sehen sind mehr als 30 Zeitzeugen wie beispielsweise Ministerpräsident a.D. Dr. Hans Modrow, der ehemalige Rektor der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Heinrich Fink oder der bekannte Architekturhistoriker Dr. Bruno Flierl, die in Wort und Bild, vom Freundeskreis dokumentiert, ihren Protest gegen die Palastvernichtung vor dessen Ruine zum Ausdruck brachten.
Zu sehen sind auch Ergebnisse der langjährigen Recherchearbeiten des Freundeskreises, darunter alle Protokolle der Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages, die sich mit den Themen Palast der Republik und Schloßplatz Berlin beschäftigen.
Die Mühlen der Geschichte mahlen zwar langsam, aber fein – wir sind dabei! Macht mit im Freundeskreis Palast der Republik!
Berlin, August 2024.
Rudi Denner ist Sprecher des Freundeskreises Palast der Republik. Margita Görner ist Gründungsmitglied des Freundeskreises.
Mehr von Rudolf Denner in den »Mitteilungen«:
2023-11: Der Palast der Republik – ein Haus des Volkes
2013-11: Das war ein Haus des Volkes