Der Dreimächtepakt – Vom Antikominternpakt zum offenen Kriegsblock
Stephan Jegielka, Berlin
Ähnlich wie in diesen Tagen erschütterte vor 90 Jahren die imperialistische Welt eine Weltwirtschaftskrise in ihren Grundfesten, die über Jahre hinaus zu wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen führte, und deren Lösung die imperialistischen Mächte in einem Krieg vor allem zu Lasten der Sowjetunion suchten. [1] Diese »Krisenlösung« der Imperialisten erinnert fatal an die heutige aggressive Politik der Transatlantiker gegenüber Russland und der VR China. Es ist daher kein Zufall, das die aktuelle russische Einschätzung des Weges zum 2. Weltkrieg, der auch die Bildung des Dreimächtepaktes am 27. September 1940 durch die drei aggressiven Mächte Deutschland, Italien und Japan einschließt, heftigen Widerspruch aus dem Westen erfährt. Denn sie bringt auch Licht in das Dunkel der heimtückischen Politik der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegenüber der Sowjetunion, deren Ziel es war, Deutschland in einen Krieg in Richtung Osten zu lenken. In China wird diese Politik der Westmächte »auf dem Berg sitzend dem Kampf der Tiger zuschauen« genannt. [2] Die Geschichte des Dreimächtepaktes, der ohne dessen Vorläufer, den Antikominternpakt, nicht zu verstehen ist, ist daher auch ein Lehrstück, die heutige imperialistische Weltpolitik zu begreifen. Denn damals wie heute wissen die imperialistischen Politiker, dass man nicht so einfach einen Krieg vom Zaun brechen kann, ohne vorher die Bevölkerung zu »bearbeiten«, es durch allerlei Demagogie, diplomatische Winkelzüge und Intrigen hinter das Licht zu führen.
Mit Antikommunismus Kriegsstimmung erzeugen
1936 schlossen Deutschland und Japan den sogenannten Antikominternpakt, dem Italien 1937 beitrat. [3] Hinter dem Antikominternpakt verbargen sich jedoch die handfesten Interessen eines Kriegsblocks aus diesen drei aggressiven Mächten für eine Neuaufteilung der Welt. Diese kriegerischen Eroberungsziele, die die faschistische Clique in internen Kreisen ganz ungeniert propagierte, offen in die Welt herauszuposaunen, wäre in Anbetracht der damaligen Antikriegsstimmung der Völker nun aber gar nicht der Sache förderlich gewesen. [4] Ein wirkungsvolles Gift, diese Friedensstimmung im Volke sukzessive zu zersetzen und es dagegen für die imperialen Ziele der Herrschenden gefügig zu machen, war die antikommunistische Ideologie. So rechtfertigte der britische Generalmajor Fuller, ein Gefolgsmann des britischen Faschistenführers Mosley, in einem auch in Hitler-Deutschland veröffentlichten Buch, Italiens Annexion Abessiniens 1935 nicht als »Kampf in einem Winkel von Afrika, sondern ...« als »Kampf des Sozialismus, des letzten Ausdrucks der Demokratie, gegen den Faschismus, den ersten Ausdruck einer neuen Weltordnung.« [5]
Eine neue Weltordnung im Sinne der Faschisten
Trotz aller antikommunistischen Demagogie wurde in den Regelungen des Antikominternpakts für genaue Leser der imperialistische Geist deutlich, wenn die Vertragspartner vereinbarten im Kampf gegen den Kommunismus »notwendige Abwehrmaßnahmen zu beraten« und »in enger Zusammenarbeit durchzuführen.« [6] Wie diese »Abwehrmaßnahmen« dann aussahen und wessen Interessen sie dienten, durfte die Welt dann im spanischen Bürgerkrieg durch den Einsatz der berüchtigten Legion »Condor« erfahren. Er diente, so ein Lagebericht des Oberkommandos der Kriegsmarine, nicht zuletzt der Wahrung der »politischen und militärischen Interessen« Deutschlands in Spanien vor dem wachsenden Einfluss Englands. [7]
Des Antikommunismus bedienten sich aber auch die Westmächte. Mit ihm versuchten die Herrschenden, die Politik der sogenannten »Nichteinmischung«, also die Verhinderung eines kollektiven Sicherheitsbündnisses einschließlich der Sowjetunion gegen die aggressiven Mächte, vor der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen. Die sowjetische Diplomatie fand in England angesichts des barbarischen Vorgehens der faschistischen Mächte in Spanien mit ihrer Forderung, die Nichteinmischungskampagne einzustellen, zwar in großen Kreisen der Gesellschaft Unterstützung, unter anderem in den Gewerkschaften. Dennoch bekam der damalige Botschafter I. M. Maiski als Ablehnungsgrund zu hören: »Unsere Führer … sind zu stark von der Regierung beeinflusst. … Außerdem hassen sie die Kommunisten und wollen keine ihrer Forderungen unterstützen.« [8]
Der Antikominternpakt hatte zudem eine weitere infame Wirkung. Er enthielt ein vergiftetes Angebot an die herrschenden Klassen der Westmächte. So wurden in dem Pakt dritte Staaten, »deren innerer Frieden durch Zersetzungsarbeit … bedroht« sei, eingeladen, diesbezügliche »Abwehrmaßnahmen« zu ergreifen oder ihm beizutreten. [9] Aus Angst vor einer Revolution war man in London und Paris durchaus bereit, im Geiste des Antikommunismus die Heimat an die faschistischen Aggressoren, insbesondere an Deutschland, zu verraten und auszuliefern. Dass dieses Angebot auf einen fruchtbaren Boden fiel, zeigen nicht nur die Sympathie Churchills für den italienischen Faschismus, sondern auch die bis heute in der Öffentlichkeit vertuschten Vorgänge bei den Windsors. Schon damals wurden Eduard VIII. »faschistische Neigungen nachgesagt«. Neuere Forschungen auch bürgerlicher Historiker beweisen, dass es noch 1940 Verhandlungen Englands mit Deutschland um ein Militärbündnis gegen die Sowjetunion gab. Der Oberbefehlshaber der französischen Armee Generalissimus Maxim Weygand zog 1940 »zitternd vor der eigenen Arbeiterschaft« die Kapitulation und eine Besetzung Frankreichs durch Hitler-Deutschland vor. [10]
Der offene Kriegsblock für eine Neuaufteilung der Welt
Während Deutschland und Italien mit ihrer Aggression in Spanien die »Neuordnung« Europas in Angriff nahmen, hatte Japan 1937 mit dem Überfall auf China seine Neuordnungsansprüche in Asien angemeldet. [11] Damit nahmen die drei aggressiven Mächte im Prinzip schon drei Jahre vor Abschluss des Dreimächtepaktes deren inhaltliche Vereinbarungen durch militärische Aktionen vorweg. Mit diesem Pakt traten sie dann vor aller Welt folgerichtig als offener Kriegsblock mit dem Ziel einer Neuaufteilung der Welt in Erscheinung. In Artikel 1 verpflichtete sich Japan, »die Führung Deutschlands und Italiens bei der Schaffung einer neuen Ordnung in Europa« anzuerkennen. Dafür wurde durch Berlin und Rom in Artikel 2 Japans Führung »bei der Schaffung einer neuen Ordnung im groß-asiatischen Raum« respektiert. Die Verpflichtung in Artikel 3, sich gegenseitig mit allen, auch militärischen Mitteln gegen »Angriffe« dritter Mächte zu unterstützen, zielte vor allem auf den Beginn eines Eroberungskrieges der drei Mächte gegen die Sowjetunion. [12] Ihr drohte nun offensichtlich ein Zweifrontenkrieg, im Westen gegen das faschistische Deutschland und seine Verbündeten, im Osten gegen das militaristische Japan. Mit dem damals wie heute im Westen so scharf kritisierten Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion von 1939 hatte die Sowjetunion jedoch diesen Einkreisungsabsichten einen schweren Schlag versetzt. Er führte unter anderem dazu, dass Japan, nach dem heimtückischen und vertragsbrüchigen Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, nicht in die Sowjetunion einfiel. [13]
Ein niederträchtiger Plan
Nach Abschluss des Dreimächtepaktes und den schon angelaufenen Operativplanungen für den Überfall auf die Sowjetunion war Hitler so infam zu versuchen, die Sowjetunion, durch eine Einbeziehung in die verbrecherischen Welteroberungspläne des Kriegsblocks, in der Weltöffentlichkeit moralisch zu diskreditieren und somit den Abschluss einer Antihitlerkoalition zu hintertreiben. Hitler empfing für diesen niederträchtigen Plan im November 1940 eine sowjetische Delegation unter Führung von W. M. Molotow in der Reichskanzlei. Er offerierte W. M. Molotow seinen »phantastischen Plan zur Aufteilung der Welt«. Nachdem Deutschland, Italien und Japan bereits ihre Interessensphären abgesteckt hatten, bot er der Sowjetunion eine Beute an, die eigentlich noch zu erlegen war. Er lockte die Sowjetunion mit dem »Zugang zu eisfreien Häfen« am Indischen Ozean, die auf dem Gebiet des britischen Kolonialreiches in Indien lagen. Hitler sprach von »einem riesigen Auktionsplatz«, der mit der Niederlage Englands entstehen würde: »Man muß das Problem der Aufteilung ... unverzüglich anpacken. Das gilt vor allem für Deutschland, Japan, Italien und Russland.« [14] Die Sowjetunion ließ sich natürlich auf dieses skrupellose Angebot nicht ein und forderte dagegen erfolglos eine Aufklärung über die verstärkten militärischen Aktivitäten der deutschen Wehrmacht an der sowjetischen Grenze, insbesondere ihren Aufmarsch in Finnland und Rumänien. Das Berliner Treffen endete ergebnislos.
Sieben Monate später, nachdem am frühen Morgen des 22. Juni 1941 bereits die deutschen Truppen die sowjetische Grenze überschritten hatten, eröffnete der Außenminister Ribbentrop der sowjetischen Botschaftsdelegation im Gebäude des Auswärtigen Amtes in der Wilhelmstraße die Aggression des faschistischen Deutschlands gegenüber der Sowjetunion. Um 12:00 Uhr Moskauer Zeit war über Rundfunkgeräte die Erklärung der Sowjetregierung zu hören: »Heute um 4 Uhr früh überfielen deutsche Truppen, ohne irgendwelche Ansprüche an die Sowjetunion gestellt, ohne den Krieg erklärt zu haben, unser Land. … Unsere Sache ist gerecht. Der Feind wird geschlagen. Der Sieg wird unser sein.« [15]
Anmerkungen:
[1] Truchanowski, W. G.: Churchill, Berlin 1976, S. 243. Semjonow, J. N.: Die faschistische Geopolitik im Dienste des amerikanischen Imperialismus, Berlin 1955, S. 43.
[2] Zu den politischen Zielen der USA, die maßgeblich die Wiederaufrüstung Deutschlands nach dem 1. Weltkrieg finanzierte, schreibt Günther Hortschansky: »Deutschland sollte für die Interessen des Weltimperialismus … gegen die Sowjetmacht marschieren.« Hortzschansky, Günther: Der nationale Verrat der deutschen Monopolherren während des Ruhrkampfes 1923, Berlin 1961, S. 15-23. In Großbritannien gab es starke Kräfte, die diese Politik favorisierten: »Und sollte Deutschland die UdSSR angreifen, was nicht leicht ist, dann wird das dem britischen Imperium … keineswegs zum Schaden gereichen.« Fuller, J. F. C.: Der Erste der Völkerbundskriege, Stuttgart 1937, S. 187. Mao Tse-Tung: Ausgewählte Werke Bd. II, Peking 1968, S. 321.
[3] Wörterbuch der Außenpolitik, Berlin 1965, S. 61-62.
[4] Siehe die Hoßbach-Niederschrift in: Dokumente zur deutschen Geschichte 1936 -1939, S. 61-62.
[5] Damit lag Fuller ganz auf Linie des britischen Königshauses. Für Eduard VIII. waren für den Ausbruch des 2. Weltkrieges »die Juden, die Roten und das britische Außenministerium« verantwortlich. Zur antikommunistischen Stimmung in der herrschenden Klasse Englands siehe auch einen Brief des politischen Beraters von Stumm an den deutschen Botschafter in London Dirksen 1938: »Über Sir N.S.S. möchte ich noch hinzufügen, das er ausgesprochen pro-Franco und ausgesprochen antisemitisch ist.« Fuller, Völkerbundskriege, S. 20. Thibaut, Matthias: Das braune Kapitel der Windsors, in: Der Tagesspiegel, 19.7.2015, S. 28. Dokumente und Materialen aus der Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges BD II., Moskau 1949, S. 209.
[6] Aus dem Antikominternpakt, in: Dokumente Geschichte, S. 37.
[7] Aus dem Spanienbericht des Fregattenkapitän Heye, in: Dokumente Geschichte, S. 82.
[8] Maiski, I. M.: Memoiren eines sowjetischen Botschafters, Berlin 1968, S. 350.
[9] Aus dem Antikominternpakt, in: Dokumente Geschichte, S. 37.
[10] Für Churchill hatte Italien »das heiß ersehnte Gegenmittel gegen das russische Gift gefunden«. Truchanowski, Churchill, S. 245. Putlitz, Wolfgang Gans Edler Herr zu: Unterwegs nach Deutschland, Berlin 1962, S.185. Thibaut, Braune Kapitel. Norden, Albert: Um die Nation, Berlin 1952, S. 61. Payne, Robert: Mao Tse-Tung, Hamburg 1965, S. 244. Geheime Verhandlungen über einen Separatfrieden zwischen Deutschland und England gab es im September 1941 in Lissabon und ab Anfang 1943 zwischen USA und Deutschland in der Schweiz. Semjonow, Geopolitik, S. 45.
[11] Dass man unter Antikommunisten bereit war, sich auch ohne Skrupel gegenseitig an die Gurgel zu springen, zeigte ein Besuch des hitlerfreundlichen Kuomintang-Ministers Kong Xiangxi auf dem Obersalzberg 1937. Angesichts der japanischen Aggression gegen China gab der Antikominternpakt Hitler die Möglichkeit, sich vor Kong Xiangxi herauszureden, und somit Japans Eroberungspolitik in China zu decken. Der Bolschewismus müsse bekämpft werden, so Hitler, »wenn Deutschland im Fernen Osten etwas Politisches unternommen hätte (Antikominternpakt d. A.), so sei das nur aus diesem Grunde erfolgt.« Damit billigte Hitler faktisch schon 1937 Japan China, und somit Asien, als Interessenssphäre zu. In: Deutschland und China 1937-1949, Berlin 1998, S. 70.
[12] Wörterbuch, Außenpolitik, S. 218-219. Deutschland hatte bereits 1939 mit dem Stahlpakt ein offenes Kriegsbündnis mit Italien geschlossen. Wörterbuch, Außenpolitik, S. 185.
[13] Wörterbuch, Außenpolitik, S. 192.
[14] Wenn man bedenkt, dass Churchill in dieser Zeit die Sowjetunion bedrängte, militärisch gegen Deutschland vorzugehen, um somit ihrerseits vertragsbrüchig zu werden, und gleichzeitig Deutschland zum Überfall auf die Sowjetunion antrieb, wird die außerordentlich komplizierte Lage der Sowjetführung verständlich und klar, dass sie jeden kleinsten Anlass für einen Kriegsbeginn vermeiden wollte und Informationen über einen unmittelbar bevorstehenden Überfall des faschistischen Deutschlands skeptisch gegenüber stand bzw. mit großer Vorsicht begegnen musste. Bereshkow, W. M.: Jahre im diplomatischen Dienst, Berlin 1975, S. 36-42. Truchanowski, Churchill, S. 335. Siehe den OKW-Befehl »Aufbau Ost«, in: Mader, Julius: Hitlers Spionagegenerale sagen aus, Berlin 1976, S. 336.
[15] Bereshkow, Dienst, S. 81-87.
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