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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Das Ende der »Zigarettenwährung«

Prof. Dr. Siegfried Prokop, Bernau

 

Die Währungsreformen 1948 in Westdeutschland und in der Ostzone

 

Der durch die Rüstungsfinanzierung aufgebaute große Geldüberhang nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in allen vier Besatzungszonen Deutschlands zum wirtschaftli­chen Grundproblem. Zunächst bestand die Kriegswirtschaftsordnung weiter. Güter im le­galen Handel konnten nur über Bezugsscheine und zu amtlich festgesetzten Preisen erwor­ben werden. Außerhalb des offiziellen Versorgungssystems nutzten die Bürger Tauschge­schäfte und die »Zigarettenwährung« am Schwarzen Markt. Als Behelfswährung eigneten sich Zigaretten besonders gut. Sie waren haltbar, konnten in kleinen Mengen in den Ver­kehr gebracht werden und waren nicht an nationale Grenzen gebunden. Pro Zigarette wur­den 5 bis 10 Reichsmark bezahlt, zeitweise stieg der Preis auf bis zu 20 Reichsmark pro Stück an.

Ab August 1946 diskutierte der Alliierte Kontrollrat über eine Währungsreform im besetz­ten Deutschland. Es wurde davon ausgegangen, dass in den vier Zonen eine einheitliche Währungsreform stattfindet. Mit Verkündung des Marshall-Plans am 5. Juni 1947 forcier­ten hingegen die USA ihren Kurs auf eine separate Weststaatslösung.

Separate Währungsreform in den Westzonen und -sektoren

Etwa sechs Milliarden Mark der ersten Serie der D-Mark wurden 1947 in den USA ge­druckt. Edward A. Tenenbaum, der als Assistent des Finanzberaters von Militärgouverneur Lucius D. Clay fungierte, hatte »Deutsche Mark« als Bezeichnung für die neue Währung vorgeschlagen, was die drei westlichen Besatzungsmächte akzeptierten. In der streng geheim gehaltenen Operation »Bird Dog« wurde die neue Währung über Bremerhaven nach Westdeutschland transportiert. Die Geldscheine trugen noch keinen Namen der ausgeben­den Bank und enthielten keine Angaben über den Ausgabeort und das genaue Ausgabedatum. Diese optisch stark an den US-Dollar erinnernden Banknoten wurden später durch Noten der Bank deutscher Länder unter der Hoheit der westlichen Alliierten ersetzt. In den West-Sektoren Berlins wurde die Deutsche Mark vier Tage später eingeführt, jedoch waren diese Banknoten mit einem Stempel und/oder einer Perforation »B« gekennzeichnet.

Das »Gesetz zur Neuordnung des deutschen Geldwesens« hatten die westlichen Besat­zungsmächte am 19. Juni 1948 verkündet. Die Reichsmark, das bisherige Zahlungsmittel, wurde am 21. Juni ungültig. Gleichzeitig wurde die Deutsche Mark das neue Zahlungsmit­tel. 40 DM konnte jede Person im Verhältnis 1:1 eintauschen. Im August erfolgte die Frei­gabe von weiteren 20 DM. 60 DM erhielten juristische Personen für jeden Beschäftigten als ersten Geschäftsbetrag. Länder und Gemeinden bekamen eine Geldausstattung in Höhe ihrer durchschnittlichen Monatseinnahmen während der letzten sechs Monate. Auf 6,5 Prozent reduziert wurden Bank- und Sparguthaben, Verbindlichkeiten auf 10 Prozent. Die freie Verfügung über Guthaben wurde zunächst beschränkt. Renten und Mieten, Löhne und Gehälter mussten im Verhältnis 1:1 bei nächster Fälligkeit gezahlt werden. Ein Sofort­hilfegesetz regelte am 8. August 1948 einen Lastenausgleich [1] für Flüchtlinge und Bomben­geschädigte. Während Inhaber von Sparguthaben am härtesten betroffen waren, wurden Besitzer von Grund und Boden, Häusern, Produktionsstätten und Lagern geschont. Diese soziale Ungerechtigkeit, die vor allem dem Ausbau der monopolkapitalistischen Strukturen und Machtverhältnisse diente, wurde mit der Illiquidität der Unternehmen begründet.

Schwerer Schlag gegen die deutsche Wirtschaftseinheit

Die separate Durchführung der Währungsreform brachte die sowjetische Besatzungszone in eine schwierige Lage, da nun das Einströmen riesiger Mengen wertlos gewordener Reichsmark-Banknoten und eine Inflation enormen Ausmaßes drohten. Unter enormem Zeitdruck beschloss die sowjetische Besatzungsmacht am 23. Juni die Durchführung einer Währungsreform in der Ostzone. Da keine neuen Banknoten vorbereitet worden waren, wurden als Notmaßnahme die alten Reichsmarkscheine mit kleinen Wertaufklebern in der Größe einer halben Briefmarke (Kupons) versehen. Die »Kupon-Mark« wurde erst einen Monat später gegen neu gedruckte Scheine umgetauscht. Die Durchführung der Wäh­rungsreform übertrug die SMAD in ihrem Befehl Nr. 111 »Über die Durchführung der Wäh­rungsreform in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands« der Deutschen Wirt­schaftskommission (DWK). Es ging darum, das gesamte Bar- und Girogeld im Verhältnis 10:1 umzuwerten. Ein Betrag von 70 RM wurde jedem Bürger im Verhältnis 1:1 umge­tauscht. Die seit dem 9. Mai 1945 entstandenen Spareinlagen bis zu 100 RM wurden ebenfalls im Verhältnis 1:1 getauscht, die Spareinlagen bis zu 1.000 RM im Verhältnis 5:1 umgewertet. Die Konten der volkseigenen Betriebe, der staatlichen Verwaltungen, der Par­teien und der Gewerkschaften wurden 1:1 umgewertet, die Konten der Sozialversicherung 2:1 und die der Versicherungen 5:1. Höherwertige Konten, die nach dem Mai 1945 ent­standen waren, sollten überprüft werden, um Gewinne aus Spekulationen und Schwarzmarktgeschäften festzustellen und unrechtmäßig erworbene Gelder einzuziehen. Obwohl der Geldüberhang nicht vollständig beseitigt werden konnte, trug die Währungsre­form in der SBZ dazu bei, die volkseigene Wirtschaft zu festigen. Ebenso wie in den West­zonen entstanden günstige Bedingungen für die Einschränkung des schwarzen Marktes, weil die »Zigarettenwährung« ihre ursprüngliche Bedeutung einbüßte.

Die separate Währungsreform in den Westzonen und Westberlins war ein schwerer Schlag gegen die deutsche Wirtschaftseinheit und die Hauptzäsur auf dem Wege zur Bildung des Weststaates. Im Rückblick wird gerade dies oft ausgeblendet und mit dem Mythos um Ludwig Erhard und das »Wirtschaftswunder« verklärt. Führende bürgerliche Historiker ha­ben das schön­gefärbte Bild in ihre Arbeiten unkritisch aufgenommen. Es ist zu begrüßen, dass der junge Historiker Uwe Fuhrmann dazu jüngst neue Forschungsergebnisse vor­gelegt hat, die bele­gen, dass zu der üblichen Schönfärberei der separaten Währungsreform im Werdegang der westdeutschen Nachkriegsgeschichte überhaupt kein Grund besteht. [2]

Durch Massenproteste zum Begriff der »sozialen Marktwirtschaft«

Große Gruppen von Waren konnten in den Westzonen nach der Einführung der D-Mark nach eigenem Ermessen von der Preisbindung befreit werden, während der Lohnstopp be­stehen blieb. Ohne jegliche Rücksicht auf gesetzliche Vorschriften wurden Waren zu Phantasiepreisen angeboten. Alles war auf die Stärkung des Unternehmertums zugeschnit­ten. Es entstand eine deutliche soziale Schieflage, die durch den Lastenausgleich kaum ge­mindert wurde. Rasch kam es zu einer mächtigen Opposition zur »freien Marktwirtschaft«, deren Hauptbestandteil politischer Protest auf der Straße war. Während der Monate zwi­schen der Währungsreform und dem Jahresende rollte in der zweiten Hälfte des Jahres 1948 eine enorme Protestwelle durch die Bizone, als deren zentraler Akteur sich die Gewerkschaften etablierten. Große Popularität erhielt der Karnevalsschlager von Jupp Schmitz »Wer soll das bezahlen?« [3]. Es kam zu »Eier- und Kartoffelschlachten« und »Käufer­streiks«. Die Massen protestierten gegen das »Prasserleben« und die »Vampirart« der »dün­nen Oberschicht«. Am 28. Oktober 1948 forderten 40.000 Demonstranten auf dem Karls­platz in Stuttgart die Absetzung des »Wirtschaftsdiktators Erhard«. Es kam zu Steinwürfen und Tätlichkeiten gegen Polizisten. Die amerikanische Besatzungsmacht sah sich genötigt, die Military Police (MP) und 12 Panzer zur Beruhigung der Lage einzusetzen. Es kam zu Verhaftungen und Gerichtsurteilen. Eine neue Massenkundgebung fand in Bremen am 9. November 1948 statt. Auf einem der Transparente stand: »Hat nur der kleine Mann den Krieg verloren?« Höhepunkt der Proteste war der am 12. November in der Bizone stattfin­dende Generalstreik, der anprangerte, dass »die arbeitenden Menschen mit leeren Ta­schen vor vollen Schaufenstern« stünden. Gefordert wurde die »Demokratisierung der Wirt­schaft« – Grundstoffindustrie und Kreditinstitute sollten in »Gemeinwirtschaft« über­führt werden.

Im Ergebnis dieser Proteste kam es zur Modifizierung der »freien Marktwirtschaft«. Erst jetzt wurde allgemein von »sozialer Marktwirtschaft« gesprochen. Der Wirtschaftsrat der Bizone verabschiedete ein »Gesetz gegen Preistreiberei«, das am 7. Oktober 1948 in Kraft trat. Ein Schnellgericht verurteilte wegen Preistreiberei am 9. November 1948 das Mode­haus Stahl in Stuttgart zu 3.000 DM Geldstrafe. Über das StEG-Programm [4] wurde mit Wa­ren aus den Militärbeständen der Preisauftrieb gelindert. Ludwig Erhard, der jetzt erst auch den Begriff »soziale Marktwirtschaft« verwandte, versuchte mit dem »Jedermann-Pro­gramm« für Schuhe und Textilien einen Preisdruck nach unten zu entwickeln. Zu Beginn des Jahres 1949 kamen mehr als die Hälfte der Waren zu gebundenen Endverbraucher­preisen auf den Markt. Damit wurde der Auftrieb der Preise endgültig gestoppt. Mit dem »Gesetz zur Aufhebung des Lohnstopps« vom 3. November 1948 wurde einer neuen tarifli­chen Regelung der Weg bereitet.

Die »Düsseldorfer Leitsätze« der CDU distanzierten sich am 15. Juli 1949 sowohl von der »Planwirtschaft« als auch von der »freien Wirtschaft liberalistischer Prägung«. Das Leitbild lautete »soziale Marktwirtschaft«. Um sich nicht allzu offensichtlich vom Ahlener Pro­gramm distanzieren zu müssen, wurde der Terminus »Programm« vermieden.

 

Anmerkungen:

[1] Nicht zu verwechseln mit dem am 18. August 1949 in Kraft getretenen Soforthilfegesetz.

[2] Vgl. Uwe Fuhrmann: Die Entstehung der »Sozialen Marktwirtschaft« 1948/49. Eine historische Dispositivanalyse. UVK Verlagsgesellschaft Konstanz und München 2017. ISBN 978-3-86764-665-9. 360 Seiten.

[3] »Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Geld? Wer hat so viel Pinke Pinke? Wer hat das bestellt?«

[4] StEG – Staatliche Erfassungsgesellschaft für öffentliches Gut m.b.H.

 

Mehr von Siegfried Prokop in den »Mitteilungen«: 

2017-07: Ministerratsvorschlag zur Bildung einer Konföderation

2017-01: Die Bizone (1946-1949). Keimzelle des »Weststaats«

2013-06: Der 17. Juni 1953. Internationale Aspekte und Fragen der historischen Wertung