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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Bestand so viel Notwendigkeit?

Walter Ruge, Potsdam

 

Unausgegorene Zweifel sind eine magere Grundlage für einen Beitrag in diesen "Mitteilungen", dennoch sei erlaubt, vorsichtig den Dialog zu suchen; es muß ja nicht gleich eine "linke Denkwerkstatt", gar eine "Denkfabrik" sein, um sich auszutauschen.

Da wäre schon das Thema, so eine "linke Denkwerkstatt" wurde gerade ins Leben gerufen, das ist Zweiflern aller Couleur willkommen; prominente Initiatoren – "Denker" eben – haben sich zusammengefunden.

Mutig haben sich diese Freunde auf das Schwierigste, man könnte sagen denkbar Schwammigste konzentriert, was es überhaupt gibt, auf die "Gerechtigkeit" – weder griffig noch sachbezogen, so recht zum unverbindlichen Parlieren. Der vom Parteivorstand, nach der wenig hilfreichen "Personaldiskussion" nun angepeilten "Sachdiskussion" ist mit diesem wenig "sachlichen" Begriff nicht beizukommen. Die neue Initiative blockiert sich mit dem schwammigsten derzeit verfügbaren – der Gerechtigkeit – schon in den Startlöchern.

"Gerechtigkeit" ist eine Frage der Kräfte-, der Machtverhältnisse; seien es "gerechte" Löhne, Tarifgerechtigkeit, für die nach Überprüfung der Bereitschaft der "Arbeitnehmer" – Solidarität – der Streikkassen und des Streikbrecherpotentials, gestritten wird. Damit wird der "Kampf um gerechte Verteilung" absurd; es geht gar nicht um "gerechte" Verteilung, sondern um die permanente räuberische Aneignung. Nehmen wir "gerechte" Grenzen – Ergebnis der jeweiligen bzw. neuer, z. T. provozierter, Konflikte. Erika Steinbach fehlt es nicht an "Gerechtigkeitssinn", sondern an der Fähigkeit, neue Kräfteverhältnisse zur Kenntnis zu nehmen. "Gerechtigkeit" nun mit "solidarisch" zu ergänzen erbringt keine neue Qualität, grenzt an Tautologie. Von unserer Gabi Zimmer gab es da schon K-Ost-proben "Ohne Gerechtigkeit keine Freiheit", "ohne Frieden keine Gerechtigkeit".

"Solidarisch" befruchtet die "Sachdiskussion" kaum, wenn man alleine den Slogan "solidarische Ökologie" auf den Prüfstand stellt. Auf sehr hohem Niveau einer konstanten Sachdiskussion bewegt sich die von der Ökologischen Plattform beim Parteivorstand der LINKEN herausgegebene Monatsschrift "Tarantel" – in den mannigfaltigen "Sach"-Zwängen dieser Fragen vermißt der Leser den Begriff "solidarische Ökologie". "Solidarische Ökonomie" haben wir mehr als genug, denn sie halten zusammen wie Pech und Schwefel – hier einen "neuen" Begriff zu installieren erscheint wenig sinnvoll.

Dieses im Entstehen begriffene "Institut solidarische Moderne" werde als "Gegenentwurf" zum Neoliberalismus gesehen; eine späte Aufwertung des viel zitierten "Neoliberalismus"; eine ausgeklügelte Camouflage knallharter, weltumspannender und zutiefst menschenfeindlicher Interessen – man ist an den goebbelsschen National-"Sozialismus" erinnert – weder "liberal" noch "Neo", verlogen, kriegs- und profitsüchtig wie eh. Diese Interessen, nicht seine scheinheiligen Camouflagen sollten wir aufs Korn nehmen. Die "Moderne" wurde seinerzeit von anderen "Denkfabriken" kreiert, um stillschweigend den Begriff "Kapitalismus" aus dem Verkehr zu ziehen. Mit der katastrophalen Systemkrise ist ungewollt der "Kapitalismus"-Begriff zurückgekehrt – "die Moderne" erwies sich, auch mit dem Attribut "solidarisch", als überflüssig. Welchen Sinn es ergeben soll, diese ganze abgestandene Brühe von gestandenen LINKEN wieder aufzuwärmen, bleibt unklar. Damit wir nicht falsch verstanden werden, dem "Institut" ist Erfolg zu wünschen; dieser komplette Fehlstart erscheint bedauerlich.

Uwe Kalbe (ND) stellt uns das neue Konstrukt unter dem Titel "Der fragenden Mehrheit Antworten geben" vor; "was hier Priorität hat – der wissenschaftliche Anspruch einer politischen Elite oder die Realisierung realer Mehrheiten" fragt U.K. vorsichtig weiter, bleibt offen. Zunächst wird der "solidarischen Ökologie" neues Papier geopfert – Aide-mémoires verfaßt; davon haben wir weiß Gott genug, das meiste, wenn es sich nicht gerade Ver-"Spiegeln" läßt, gerät in Vergessenheit, bevor es zu "Antworten für die fragende Mehrheit" geronnen ist. "Die fragende Mehrheit" würde wahrhaft lieber gemeinsam die "Internationale" absingen, aber dafür müßte man drei Stunden nach Lissabon fliegen.

Mit dem Beitritt zum "Institut" wird es bei der "Stimmung im Land", um die Gretchenfrage gehen – Faust weicht der flehenden Frage der Margarete "Nun sag wie hast du’s mit der Religion", einfach aus. Da es nicht um Beischlaf, sondern um Beitritt geht, würden uns verwaschene oder abgenutzte "Begriffe" nicht weiterbringen. Die Gretchenfrage lautet heute: Wie hast du’s mit der DDR, das ist schon lange keine Frage der "Aufarbeitung" oder der "Verteidigung" der DDR – es ist das Elementarste, was bei einem "Politikentwurf" herauskommen müßte. Davon ließe sich alles, buchstäblich alles ableiten. Es gibt brauchbare Grundlagen zu einer erschöpfenden Antwort, hier sei an ein Referat von Inge Viett (jW. v. 26.1.10) erinnert. Unsere akademisch/elitäre Führungsriege hält sich etwas bedeckt, "man" sieht die DDR "kritisch", erkennt sogar "Errungenschaften" – typisch medienübliche Zerstückelung – wenn da nicht die Stasi wäre, punkt um. Um die DDR als Ganzes zu sehen, sind wir unübersehbar, zu komfortabel "angekommen".

Unter "Mehrheit" versteht Uwe Kalbe wahrscheinlich eine Mehrheit nicht parasitär lebender Personen, die sich in ihrem gestreßten Alltag nur selten zu ideologische Feinschmeckern mausern, bei ihnen drückt der Schuh überall. Wenn wir für diese Menschen wirklich da sein wollen, ihre Nöte nicht als "einzelne Antworten auf drängende Fragen" abtun, muß erkennbar sein, daß wir um ihre Nöte im Einzelnen wissen, in dem neu zu schaffenden Institut Wege zur Überwindung dieser Nöte suchen werden. Aus den bisherigen Präsentationen ist lediglich ersichtlich, daß diese Fragen "nicht im Zentrum, sondern alle gemeinsam" angegangen werden. Es handelt sich um gewichtige Eckfragen: Die chronische Arbeitslosigkeit, die ständig in Frage gestellte Rentenversicherung – zu viele alte Menschen seien "durchzufüttern" – die Instabilität in der medizinischen Zweiklassenversorgung, in allen Bereichen das Damoklesschwert der Privatisierungen, die ständige Aufrüstung, verbunden mit wachsender Kriegsbereitschaft der Eliten – nicht nur für Afghanistan. Den Klimawandel vererben wir an kommende Generationen; Deutschland liegt im Wesentlichen über dem Meeresspiegel – bei der betont "solidarischen" Ökologie konnte dieser Gesichtspunkt deutlicher hervorgehoben werden.

In dieser Werkstatt muß noch intensiv nach Feierabend gearbeitet werden.

Potsdam, den 4. Februar 2010

 

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2010-02: Wertvoller Rückblick

2009-10: Verschwommenes „Sehen“ und Ungereimtes

2009-04: Kurzfassung – sächsisch