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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Am Vorabend des Gründungsparteitages der Partei DIE LINKE

Ellen Brombacher

 

Wenige Tage nach den 2005 stattgefundenen Bundestagswahlen war in der Berliner Zeitung zu lesen, Gregor Gysi könne sich schon bei den nächsten im Jahr 2009 ein Bündnis mit der SPD vorstellen. "Ewig können wir da nicht rumzicken, irgendwann müssen wir daraus politisch etwas machen", so Gysi. Als Beispiel dafür, daß das schon einmal gelungen sei, nannte er den SPD/PDS-Senat in Berlin. Seither sind gut anderthalb Jahre vergangen; ereignisreiche. Der Parteibildungsprozeß, der nach den NRW-Landtagswahlen im Mai 2005 offiziell begonnen hatte, steht knapp zwei Wochen vor seinem strukturellen Ende. Über Licht- und Schattenseiten der bevorstehenden Fusion haben wir uns auf der KPF-Bundeskonferenz vom 14. April ausführlich geäußert. Mit den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern, besonders aber in Berlin, erhielten wir 2006 die Quittung für eine Landes-Politik, die weitgehend unglaubwürdig geworden war.

In Berlin störte das manche nicht übermäßig. Durch außerordentliche Stimmenverluste geschwächt ging die Berliner Linkspartei.PDS erneut in die Koalition und machte weiter, als sei so gut wie nichts geschehen. Dem Berliner Landesparteitag im März dieses Jahres lag zwar immer noch keine ernstzunehmende Analyse des Wahldesasters vor – dafür ein fünfundachtzig DIN-A4-Seiten umfassendes "Lesematerial zur Geschichtsdebatte" als Reaktion auf die von uns eingebrachten "Fünf Überlegungen zum Umgang mit Geschichte". Solch Umgang bewegte und bewegt die Partei ebenso wie die Auseinandersetzungen um die Sparkassenprivatisierung, den Verkauf des kommunalen Wohneigentums in Dresden oder die friedenspolitischen Grundsätze der Partei.

Die Diskussionen über die Politik der Partei, die zukünftige Linke schon inbegriffen, haben wieder zugenommen – und das ist gut so. Dies zeigte sich auch auf den Synchron-Parteitagen von WASG und Linkspartei am 24/25. März in Dortmund. Die Eckpunkte sind weit davon entfernt, Kommunisten und Marxisten in beiden Parteien zuzusagen. Aber: Die friedenspolitischen Positionen der PDS, inzwischen auch die der WASG, wurden bewahrt. Ein nicht zu unterschätzender Erfolg der Verteidiger der Münsteraner Prinzipien; jedoch ein äußerst fragiler! Der Erfolg wurde erkämpft und war doch zugleich ein taktisches Zugeständnis seitens jener in beiden Parteien, die Münster lieber heute als morgen revidieren würden. Die Urabstimmung stand nämlich bevor!

In diesem widersprüchlichen politischen Prozeß fuhr die praktisch schon neue Linke in Bremen ein Spitzenwahlergebnis ein. Den Bremern kann man hierzu nur von Herzen gratulieren. Es ist nicht verwunderlich, daß – allerdings verwundert schon, wie schnell! – die sich links wähnenden verbürgerlichten bzw. bürgerlichen Parteien, SPD und Grüne also, die Debatte über den künftigen Umgang mit der Konkurrentin begonnen haben. Durchaus maßgebliche SPD-Leute warnen faktisch davor, die neue Linke durch Isolation zu stärken. Sie setzen erneut auf das Prinzip der Entzauberung durch Regierungsbeteiligung – nun auch möglicherweise und daher nicht voraussetzungslos im Bund. Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warnte in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung davor, "von vornherein und für alle Zeiten Nein zur Linkspartei zu sagen". Allerdings müsse sich diese bei der Klima-, Sozial- und Friedenspolitik noch "deutlich bewegen".

Der Kreis schließt sich. Sich zum Beispiel in punkto "Sicherheits"- und Außenpolitik deutlich zu bewegen, käme der Aufgabe von Münster gleich. All jene in der neuen Linken, die – ob aus illusionären oder Selbstversorgungsgründen – eine Regierungsbeteiligung im Bund anstreben, werden wohl sehr bald nach dem Gründungsparteitag der Partei DIE LINKE damit beginnen, die Eckpunkte überall dort in Frage zu stellen, wo sie den Vorstellungen – sagen wir einmal von Frau Roth – nicht entsprechen. Der Hauptangriff wird, ja muß sich aus Sicht der nach Regierungsbeteiligung im Bund Strebenden gegen unsere friedenspolitische Prinzipien richten. Auf uns kommt eine knallharte Programmdebatte zu.

So, wie die grauenhaften Ereignisse in Ost-Timor seinerzeit scheinbar den Grund für das Bestreben ergaben, im Jahr 2000 auf dem Münsteraner Parteitages die friedenspolitischen Prinzipien der PDS durch das Einfallstor Einzelfallprüfung außer Kraft zu setzen, könnten es diesmal die ebenfalls grauenerregenden Entwicklungen im Sudan sein. Die Verteidiger von Münster werden die bevorstehenden Debatten nur mit größter gebotener Sensibilität und auf hohem intellektuellem Niveau bestehen können. Die kommende Programmdebatte wird ebenso zur Stunde der Wahrheit für den Charakter der neuen Linken werden, wie deren praktische Politik. Gerade in dieser Situation ist das gemeinsame Handeln der in der neuen Partei verankerten marxistisch orientierten Kräfte von besonderem Gewicht.         

 

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