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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Alter Wein in alten Schläuchen

Klaus Eichner, Lentzke

 

Treffender als mit diesem von einem anderen Autoren (Klaus Wagener in der UZ vom 16. November 2012) für die Überschrift entliehenen Slogan kann man wohl kaum die Entwicklungen nach der Wiederwahl von Barack Obama beschreiben. Folgt man den öffentlichen Äußerungen, werden mit der erneuten Wahl von Obama vielerorts Hoffnungen auf Veränderungen in der Politik der Vereinigten Staaten verbunden. Nur wenige behalten ihre Skepsis und ihren politischen Realitätssinn, so z.B. das venezolanische Internetportal aporrea.org: "Die gute Nachricht ist, dass Mitt Romney verloren hat. Die schlechte ist, dass Barack Obama gewonnen hat."

Das beschreibt die reale Situation, dass beide Kandidaten letzten Endes angetreten waren, um die Kapitalinteressen von weniger als einem Prozent der Bevölkerung der USA zu sichern. Die Unterschiede im taktischen Herangehen sind nur marginal.

Die Wahlkampfstrategen des Präsidenten basteln weiterhin beharrlich an der Legende, Barack Obama könnte ein zweiter Lincoln oder Roosevelt werden. Zumindest wird seine zukünftige Politik unter dem Slogan "Hoffnung 2.0" vermarktet.

Auch linke Politiker sind von solchen Legenden beeindruckt. Gregor Gysi erklärte immerhin, der Sieg Barack Obamas sei "eine Chance, der tiefen Spaltung der amerikanischen Gesellschaft durch eine Politik der Gerechtigkeit die Schärfe zu nehmen".

In den meisten Fragen ist Obama vor allem Erbe und Fortsetzer grundlegender politischer Entscheidungen seiner Amtsvorgänger, insbesondere von George W. Bush.

Sehen wir uns einige Aspekte der "Politik der Gerechtigkeit" der Vereinigten Staaten etwas genauer an. Aus der von Obama für die erste Wahlperiode verkündeten großen Vision für Amerika ist jetzt eine Politik der vielen kleinen Schritte geworden. Das erklärte Ziel ist es, die Krise des neoliberalen Kapitalismus durch massive Staatshilfen zurückzudrängen.

Obama reagierte in seiner ersten Amtszeit auf die Krisenerscheinungen auf den Immobilien- und Finanzmärkten mit einem gigantischen Konjunkturprogramm von knapp 800 Milliarden Dollar. Das bewahrte die USA vor systemerschütternden Krisenfolgen - aber auf wessen Kosten?

Seit 2007 haben vier Millionen Menschen infolge des Immobiliencrashs ihre Häuser und Wohnungen verloren. Nur ein geringer Teil dieses Konjunkturprogramms floss jedoch in innovative Bereiche zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein Teil wurde zur Stabilisierung der Automobilkonzerne verwendet - eine Imagefrage für die USA.

Insbesondere fehlten jedoch, trotz ansteigender Massenarbeitslosigkeit, wirksame öffentliche Beschäftigungsprogramme. Der offizielle Anteil der Erwerbslosen beträgt z.Z. im Durchschnitt 7,8 Prozent, aber z.B. bei Afroamerikanern das Doppelte. Durch die Krise hatten 9 Millionen ihren Job verloren - mit dem Konjunkturprogramm konnten nur 3,4 Millionen wieder in ein neues Arbeitsverhältnis gebracht werden; aber rund ein Fünftel aller Lohnempfänger ist zur Teilzeitarbeit gezwungen.

97 Millionen von 314 Millionen US-Bürgern gelten als einkommensschwach; mehr als 46 Millionen zählen zu den Armen (darunter rund 22 Millionen Kinder!). 15 Prozent der US-Bevölkerung sind gegenwärtig auf staatliche Lebensmittelhilfe angewiesen.

Diese Entwicklungen sind vor allem das Ergebnis einer sich ausweitenden Krise der Kommunen und der von ihnen abhängigen öffentlichen Bedarfsträger. Sparpläne in der Bildungspolitik sehen z.B. vor, die Klassengrößen von jetzt maximal 35 Schülern auf 60 im Schuljahr 2012/2013 und 62 Schüler im folgenden Schuljahr anzuheben.

Sein Wahlversprechen zur Durchsetzung einer Gesundheitsreform - für die Vereinigten Staaten ein Jahrhundertprojekt (immerhin hatten Millionen US-Bürger zu dieser Zeit keinen Anspruch auf ärztliche Vorsorge und medizinische Behandlung) - hat Obama nur halbherzig begonnen und bald kaum noch fortgesetzt. Letzten Endes diente es nur dem Profit der großen Pharmakonzerne und der privaten Einrichtungen der Gesundheitspolitik. Die versprochenen Erleichterungen für die armen, mittellosen Patienten zeigten kaum Wirkungen, die Reform degenerierte zu kosmetischen Korrekturen.

Mit einigen Regularien für die Finanzmärkte hat Obama den Zusammenbruch einer auf der Leitwährung des US-Dollars beruhenden Finanzpolitik verhindert. Die währungspolitischen Spielräume werden jedoch für Obama in der neuen Amtszeit immer enger. Die Staatsverschuldung ist in der ersten Amtszeit von 10,2 auf 15 Billionen Dollar gestiegen, aktuell beträgt sie 16,2 Billionen US-Dollar. Gleichzeitig stieg der Anteil der sechs mächtigsten US-Banken am Brutto-Inlandsprodukt von 20 Prozent im Jahr 1995 auf 65 Prozent im Jahre 2009. Das ist Ausdruck eines ungeheuren Konzentrationsprozesses im Bankensektor, verbunden mit anwachsenden politischen Einflussmöglichkeiten des Finanzkapitals.

Das widerspiegelt sich in massiven Einschränkungen der Bürger- und Menschenrechte. In Fortsetzung des nach dem 11. September 2001 verkündeten "Kampfes gegen den Terrorismus" kam es auch unter Obama zum Ausbau und zur weiteren Perfektionierung eines gigantischen, mit modernster Technologie ausgestatteten Überwachungsmechanismus. Ironie der Geschichte: diesem System ist selbst der mächtige Direktor der CIA, David Petraeus, durch die Aufdeckung einer außerehelichen Beziehung mit seiner Biographin zum Opfer gefallen - egal welche politischen Interessen hinter diesem erzwungenen Rücktritt des Geheimdienst-Chefs stehen.

In seiner Rede zum Wahlsieg in Chicago beschwor Obama noch einmal die "Einheit" des Landes: "Egal woran du glaubst, wo du herkommst, ob du weiß oder schwarz bist, Latino oder Indianer, schwul oder hetero: Du kannst es hier schaffen."

Was wird davon nach vier weiteren Jahren seiner Amtszeit übrigbleiben?

Unter Obama wurde die aggressive Geopolitik seines Vorgängers, George W. Bush, ausgeweitet und weiter entwickelt. Dazu gehört die offene und gedeckte Beteiligung an mehreren Aggressionskriegen.

Die USA-Monopole definierten unter Obama mit Nachdruck ihren globalen Machtanspruch, indem sie ihre "lebenswichtigen Interessen" in Zentralasien, im Nahen und Mittleren Osten und vor allem im asiatisch-pazifischen Raum deklarierten (Obama-Doktrin). Die exportorientierte Wachstumsstrategie der US-Wirtschaft wird flankiert von aggressiven militärischen und geheimdienstlichen Aktivitäten in diesen Regionen.

Unter diesen Gesichtspunkten sind auch die anhaltenden, kaum noch in der Öffentlichkeit thematisierten Aktionen zum Aufbau des sogenannten Raketenabwehrschirmes an den Grenzen Russlands zu sehen. Auch hier setzt Obama die geopolitische Strategie seiner Amtsvorgänger unbeirrt fort, im vollen Bewusstsein, dass damit eine neue Runde des atomaren Wettrüstens ausgelöst wird.

Eine nachhaltige Zäsur der Kriegführung unter Verletzung grundlegender Prinzipien des Völkerrechts leitete Obama durch eine massive quantitative und qualitative Ausweitung der Entwicklung und des Einsatzes ferngelenkter Killermaschinen, der sogenannten Drohnen, ein. Obama konnte im Wahlkampf mit den Argumenten punkten, durch den Einsatz von Drohnen brauche kein US-Soldat sein Leben aufs Spiel setzen, das heißt übersetzt: Die Zahl der in der Heimat eintreffenden Zinksärge könne damit drastisch reduziert werden.

Drohnen sind nicht nur ein neues, höchst effektives Waffensystem, sie sind vor allem Instrumente zur massenhaften Tötung von Menschen außerhalb jeder Rechtsprechung. Wenn z.B. ein angeblicher al-Qaida-Führer von einer Hellfire-Rakete in seinem Auto oder seinem Haus getötet wird, dann nehmen die verantwortlichen Einsatzleiter billigend in Kauf, dass seine dort befindlichen Angehörigen oder auch zufällige Besucher mit ermordet werden. Noch perfider wird es durch die Einsatzgrundsätze der sogenannten "double-tap"-Angriffe, nach denen in ca. 30 Minuten ein erneuter Raketenangriff auf das Ziel erfolgt, um Helfer aus der Nachbarschaft, die Überlebende suchten oder Leichen bergen wollten, ebenfalls zu vernichten.

Die Todeslisten werden angeblich von Präsident Obama persönlich bestätigt, meist auf der Grundlage von Informationen der US-Geheimdienste. In keinem der Fälle liegen jedoch der Angriffsentscheidung der Operatoren, die einen Joystick in ihren vollklimatisierten Einsatzräumen bedienen, rechtlich gesicherte Informationen über die Angriffsziele zugrunde. Oft darf der Operationsoffizier den Abschuss einer todbringenden Rakete auch schon entscheiden, wenn er "der Meinung" ist, bei dem Zielobjekt könnte es sich um einen Terroristen handeln.

Der Ersteinsatz der neuen Waffensysteme erfolgte am 4. Februar 2002 in Afghanistan, seitdem sind allein in Pakistan mehr als 400 Drohneneinsätze bekannt geworden, davon rund 350 (90 Prozent) in der Amtszeit Obamas. Die vorsichtigen Schätzungen der Opferzahlen gehen von 2.500 bis über 3.300 getöteten und um 1.300 verletzten Personen aus. Unter den Toten sollen zwischen 474 bis 884 "Zivilisten", darunter 176 Kinder gewesen sein. Aber auch unter den offiziell als "Kombattanten" ausgewiesenen Opfern waren in der Mehrzahl örtliche Stammeskrieger, von denen keinerlei terroristische Bedrohung gegen die Vereinigten Staaten ausging (jW vom 24. Oktober 2012, Knut Mellenthin: Krieg ohne Regeln).

Die Operationsgebiete für die Drohneneinsätze werden immer mehr ausgeweitet. Neben Pakistan, Afghanistan und dem Jemen ist Somalia zunehmend Zielgebiet für die US-Drohnen. Aber es gibt auch Hinweise, dass das US-South-Command eine derartige Planung für Einsätze in Lateinamerika vorgesehen hat.

Obamas aktuelle Kriegspolitik ist also die Verhängung der Todesstrafe auf Verdacht - ob für Verdächtige oder Unschuldige ist den Verantwortlichen dafür gleichgültig. Es ist ein permanenter "Krieg gegen den Terror", der die Anwendung tödlicher Gewalt nach unbewiesenen Behauptungen an jedem Ort und gegen jedermann erlaubt. Hiermit wird aus dem Völkerrecht wieder einmal das angemaßte Recht des Stärkeren, ein Faustrecht.

Waren das die Meriten, die das Nobelpreis-Komitee veranlassten, Präsident Obama den Friedensnobelpreis zu verleihen?

 

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