Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

75 Jahre Internationale Demokratische Frauenföderation

Brigitte Triems, Berlin

 

Welche Auswirkungen hatte ihre Gründung auf die Frauenbewegung?

 

Paris. 1. Dezember 1945 – ein historisches Datum. Eine Organisation, die zu einer der bedeutendsten Zusammenschlüsse der weltweiten Frauenbewegung werden sollte, erblickt das Licht der Welt: die Internationale Demokratische Frauenföderation (IDFF).

Gerade einmal sechs Monate waren seit dem Ende des zweiten Weltkrieges, der Millionen von Menschen unendliches Leid gebracht hatte, vergangen. Die körperlichen und seelischen Wunden, die der Krieg hinterlassen hatte, waren längst noch nicht verheilt. Millionen Frauen hatten gegen den Faschismus und seine Verbrechen gekämpft und die Menschenwürde verteidigt. Sie hatten ihre nächsten Angehörigen, ihre Männer und ihre Kinder verloren; sie waren in den faschistischen Konzentrationslagern unmenschlichen Qualen ausgesetzt; sie hatten in der Illegalität gelebt und gekämpft. Sie alle einte die Forderung »Nie wieder Krieg!« Unter ihnen waren auch die Frauen, die die ersten führenden Persönlichkeiten der IDFF werden sollten. So wurde die bekannte französische Naturwissenschaftlerin und Résistance-Kämpferin Eugénie Cotton zur ersten Präsidentin der IDFF gewählt; erste Generalsekretärin war Marie-Claude Vaillant-Couturier, die die Konzentrationslager von Auschwitz und Ravensbrück überlebt hatte und als Zeugin im Nürnberger Prozess auftrat.

Schon im März 1943, als in London der Internationale Frauentag unter Beteiligung von Antifaschistinnen aus allen Schichten der Bevölkerung begangen wurde, wurde die Idee zur Schaffung eines weltumspannenden Zusammenschlusses von Frauen geboren. In den darauffolgenden Jahren nahm diese Idee Gestalt an. Frauen aus allen sozialen Schichten und  mit unterschiedlichen weltanschaulichen, politischen und religiösen Positionen, allen voran französische und britische Frauen, bildeten 1945 ein Internationales Vorbereitungskomitee für den ersten Weltkongress der Frauen, der vom 26. November bis 1. Dezember 1945 in Paris stattfand, und der in der Gründung der IDFF gipfelte.

Frieden und Gerechtigkeit für alle

Die 850 Teilnehmerinnen aus 41 Staaten bekundeten ihre Bereitschaft, sich zusammenzuschließen und sich für den Schutz ihrer Kinder, für die Durchsetzung ihrer Rechte als Mütter, Werktätige und Bürgerinnen, für die Erringung und den Schutz der nationalen Unabhängigkeit und der demokratischen Freiheiten sowie für die endgültige Zerstörung des Faschismus und die Verteidigung des Friedens einzusetzen.  

Bei der Gründung der IDFF am 1. Dezember 1945 leisteten die Teilnehmerinnen einen Schwur, der in den 75 Jahren ihrer Existenz Leitfaden ihres Handelns war:

»Im Namen von 81 Millionen Frauen schwören wir feierlich, die politischen, wirtschaftlichen, zivilen und sozialen Rechte der Frauen zu verteidigen, für die Schaffung solcher Bedingungen zu kämpfen, die für die harmonische und glückliche Entwicklung unserer Kinder und der kommenden Generationen unerlässlich sind, unermüdlich dafür zu kämpfen, dass der Faschismus, in welcher Form er auch auftreten möge, vernichtet wird und dass in allen Ländern der Welt eine wahrhaft demokratische Ordnung geschaffen wird, unermüdlich zu kämpfen, um der Welt einen dauerhaften Frieden zu sichern, … die einzige Garantie für das Glück in unseren Häusern und die Entwicklung unserer Kinder.«

Die Historikerin Francisca de Haan bezeichnet die WIDF [1] als einen fortschrittlichen, links-feministischen internationalen Dachverband mit einer schwerpunktmäßigen Orientierung auf Frieden, Frauenrechte, Anti-Kolonialismus und Anti-Rassismus. Sie verweist in ihrer Analyse über die IDFF auf wesentliche Unterschiede zwischen der IDFF und den zu einem früheren Zeitpunkt gegründeten internationalen Frauenzusammenschlüssen, wie dem Frauenweltbund (International Council of Women) und dem Weltbund für Frauenstimmrecht (International Alliance of Women). Zum einen war das die starke Betonung auf die Verteidigung des Friedens, die sich aus den furchtbaren Erlebnissen und dem Widerstandskampf der IDFF-Begründerinnen während des zweiten Weltkrieges ergab. Letztere waren zutiefst davon überzeugt, alles tun zu müssen, dass nie wieder ein solcher Krieg die Menschheit heimsucht. Aber sie sahen Frieden auch als die notwendige Voraussetzung für die Durchsetzung von Frauen- und Kinderrechten an. [2]

Zum anderen war die IDFF inklusiver, weil sie Frauen aus allen sozialen Schichten umfasste und starke Mitgliedsverbände in allen Kontinenten hatte. Die Universalität der IDFF und die Anziehungskraft ihres Programms spiegelten sich in ihrem ständigen Wachstum wider: 1945 zählte die IDFF 41 Mitgliedsorganisationen; im Internationalen Jahr der Frau 1975 waren es bereits 103 Organisationen, und heute hat sie 135 Mitgliedsorganisationen. Sie vereint Frauen verschiedener Länder, unabhängig von ihrer Herkunft, auf allen Kontinenten. Darin liegt auch heute noch ihre Kraft.

Polarisierung im Kalten Krieg

Es war keineswegs leicht, einen solchen Zusammenschluss nach dem zweiten Weltkrieg zu der Föderation zu machen, die sie heute ist. Gegner warfen der IDFF vor, sie sei eine »sowjetische Frontorganisation«, die völlig andere Aufgaben verfolge als die Verwirklichung der im Programm festgelegten Ziele. Sie sei von der Internationalen kommunistischen Bewegung gegründet worden und interessiere sich nicht für Frauenrechte.

Besonders hervor tat sich hierbei das 1938 gegründete Komitee für unamerkanische Umtriebe (HUAC), das 1949 in einem Bericht über die IDFF und ihre amerikanische Mitgliedsorganisation Amerikanischer Frauenkongress (CAW) – sie wurde 1950 durch massiven Druck der HUAC gezwungen, sich aufzulösen – behauptete, die IDFF sei ein »sowjetisches Werkzeug«. [3] Die IDFF musste in der Folgezeit weitere schwierige Situationen, die offensichtlich auch auf den Druck des HUAC zurückzuführen waren, bewältigen.

Als die IDFF während des Indochinakrieges in Stellungnahmen und Solidaritätsbekundungen mit dem vietnamesischen Volk gegen das Vorgehen der französischen Kolonialmacht protestierte, verfügte die französische Regierung 1951 ihre Ausweisung aus Frankreich. Die Regierung der DDR bot der IDFF Unterstützung an, so dass das Sekretariat der IDFF ab 1951 ihren Sitz in Berlin hatte. Einen weiteren Rückschlag musste die IDFF hinnehmen, als sie 1951 einen internationalen Untersuchungsausschuss mit Vertreterinnen aus 17 Ländern nach Nordkorea entsandte, um die Situation von Frauen und Kindern, die Opfer von Luftangriffen und Massakern der US-Truppen an Zivilisten waren, zu untersuchen. Der im Ergebnis in mehreren Sprachen veröffentlichte Abschlussbericht »Wir klagen an« führte auf Druck der USA und Großbritanniens 1954 zur Aberkennung ihres Konsultativstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Erst 1967 erhielt sie diesen Status wieder; 1969 wurde die IDFF in die höchste Kategorie, den Allgemeinen Konsultativstatus, eingestuft.

Die IDFF maß den Vereinten Nationen immer große Bedeutung bei. Schon auf dem Gründungskongress unterstützte sie die Einrichtung einer Frauenrechtskommission der UNO. 1972 schlug sie auf der Sitzung der Kommission die Durchführung eines Internationalen Jahres der Frau, das auf Beschluss der UNO-Generalversammlung 1975 stattfand, vor. Die IDFF war auch eine der Initiatorinnen des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), das von der UNO-Generalversammlung im Dezember 1979 beschlossen wurde.

Besonders in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg machte die Gründung der IDFF es möglich, Frauen zusammenzuführen, damit sie einander besser kennenlernen und sich eine bessere Kenntnis von den verschiedenen Bedingungen, unter denen sie unter Berücksichtigung der sozialen Gegebenheiten in ihren Ländern tätig waren, aneignen konnten. Daraus entstanden unzählige gemeinsame Aktionen für die Verteidigung der Rechte der Frau und die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang muss betont werden, dass die erste Satzung der IDFF die Notwendigkeit des Kampfes für die Rechte von Frauen als vorrangig einstufte. Allerdings führte der Kalte Krieg und die Ängste vor einem neuen Weltkrieg zu einer Polarisierung und zu einer veränderten Weltsicht der IDFF: der Kampf für die Verteidigung des Weltfriedens wurde stärker in den Fokus genommen, was zu Lasten des Kampfes für Frauenrechte ging. Die IDFF hat in ihrer langen Geschichte konsequent und aktiv für die Erhaltung des Friedens, gegen die Atomkriegsgefahr und für weltweite Abrüstung gekämpft. Besonders hervorzuheben ist ihre unerschütterliche Solidarität mit den Frauen der Länder, die für ihre nationale Unabhängigkeit kämpfen und die sich gegen Unterdrückung in all ihren Formen widersetzen.

Zu den Höhepunkten in der langen Reihe von Aktivitäten der IDFF zählten die Weltfrauenkongresse in Budapest, Kopenhagen, Wien, Moskau, Helsinki, Berlin und Prag, der Weltkongress der Mütter in Lausanne und die Eröffnung des Gesundheitszentrums zum Schutz von Mutter und Kind in Hanoi.

Dem Schwur von 1945 treu geblieben

Nach der Ratstagung der IDFF im September 1989 begann für die IDFF eine schwierige Zeit. Es galt, sich den neuen weltpolitischen Bedingungen, die radikale Veränderungen in der Struktur der IDFF, in den Formen und Methoden ihrer Arbeit erforderten, anzupassen. Dazu gehörte vor allem auch eine stärkere Konzentration auf die Arbeit in den Regionen, in denen die Mitgliedsverbände agieren. Auf dem 10. Kongress der IDFF im März 1991 in Sheffield bekannten sich die Teilnehmerinnen vollinhaltlich zu den Gründungszielen der IDFF und richteten einen Appell an die Frauen der ganzen Welt, sich im Ringen für die Rechte von Frauen und die Gleichstellung von Frau und Mann und für die Gestaltung einer Zukunft des Fortschritts, der Gerechtigkeit und des Friedens zu vereinen.

Aufgrund mangelnden Interesses der Bundesregierung, den Sitz der IDFF in Berlin zu belassen, und zunehmender finanzieller Schwierigkeiten wurde der Sitz der IDFF 1992 nach Frankreich und ab 2002 nach Brasilien verlegt. Seit 2016 hat die IDFF ihren Sitz in El Salvador – Präsidentin ist Lorena Peña, ehemalige Präsidentin des Parlamentes von El Salvador.

Die IDFF ist dem von den Gründerinnen der IDFF 1945 geleisteten Schwur treu geblieben und setzt sich auch heute dafür ein, die Lage der Frauen zu verbessern, Demokratie und Frieden zu sichern, Faschismus und Rassismus endgültig zu beseitigen und kommenden Generationen eine glückliche Zukunft zu bahnen.

Brigitte Triems ist Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes e.V.

 

Anmerkungen:

[1]  Engl.: Women’s International Democratic Federation.

[2]  »Hoffnungen auf eine bessere Welt: Die frühen Jahre der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF/WIDF) (1945 – 1950)« in Gabriele Kämper, Regine Othmer, Carola Sachse (Eds.), Gebrochene Utopien. Feministische Studien vol. 27, no. 2 (November 2009): 241-257.

[3]  Committee on Un-American Activities, U.S. House of Representatives [hereafter, HUAC], Report on the Congress of American Women (Washington: United States Government Printing Office, 1950, 23 October 1949, original release date).

 

Mehr von Brigitte Triems in den »Mitteilungen«: 

2019-01: 19. Januar 1919 – ein historischer Tag: Erstmals aktives und passives Wahlrecht für Frauen in Deutschland

2018-03: Rechtspopulismus – was droht der Gleichstellungspolitik

2013-03: Überlegungen zum Internationalen Frauentag