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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

65. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus

Friedrich Rabe, Altenweddingen

 

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, ich möchte mich bei jedem von Euch bedanken, der heute, 65 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus, an diesen Ort des Gedenkens, des Mahnens und der Erinnerung - aber auch der Aufforderung zum immer wieder neuen Kampf gegen den Faschismus – hergekommen ist.

Viel hat sich geändert in den Jahren und Jahrzehnten, in denen hier der Menschen und Verhältnisse gedacht wird, die das Grausamste waren, was die Geschichte der Menschheit je hervorgebracht hat.

In den ersten Jahren war es noch möglich, sich mit denen zu treffen, die direkte Opfer des Faschismus geworden waren. Antifaschismus trug die Gesichter von Kämpfern und Opfern, ob als Zwangsarbeiter, als vom Rassenwahn Betroffene und in den Konzentrationslagern Gefolterte und Gemordete.

Immer mehr werden wir selbst zu Zeitzeugen, die zumindest wir Älteren unter uns noch sind. Immer mehr werden wir auf Zahlen und Fakten angewiesen sein, die das unvorstellbare Grauen belegen. Die historische Distanz und unsere heutige Lebenswirklichkeit zwingen aber auch zu weiteren Überlegungen.

Waren die, die sich dem Wüten der Nazis in den Weg stellten von Geburt an und aus genetischer Veranlagung heraus Widerstandskämpfer? Waren ihre Peiniger und Mörder schon als Säuglinge ihrer späteren Rolle vorbestimmt? Oder gab es gar Fügungen durch höhere Gewalt, die handelnde Kräfte ihrer Verantwortung enthoben?

Unsere Sache sollte solches Denken nicht sein.

Unsere Erfahrung lehrt uns, Faschismus und Krieg haben ihre Ursachen nicht in kranken oder verbrecherischen Hirnen, sondern in gesellschaftlichen Verhältnissen, die solches hervorbringen. Aber eben auch ihre Antipoden, die für eine humanistische Zukunft stehen. Um diese Zukunft geht es, wenn wir hier der Vergangenheit gedenken, daran denken, daß die Völker der Sowjetunion 28 Millionen Tote, darunter 14 Millionen Zivilisten, an Opfern zu beklagen hatten. Frankreich verlor 800.000 Menschen, Großbritannien 390.000, die USA 260.000. Dem Holocaust fielen ca. 6 Millionen zum Opfer, darunter 1,5 Millionen Kinder. 500.000 Sinti und Roma wurden umgebracht. 200.000 Deutsche, Kommunisten, Sozialdemokraten, gläubige Christen wurden Opfer des Terrors.

Solch grausige Zahlen bleiben Statistik, wenn sie nicht Ausgangspunkt unseres Handelns in der Gegenwart für die Zukunft werden. Unsere Gegenwart führt uns vor Augen, wie weit wir wieder zurückgeworfen sind und wie die Geschichte umgelogen wird, um erneute Verbrechen zu begehen.

Die meisten von uns waren schon einmal der Meinung, daß die von Clausewitz getroffene Aussage, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit militärischen Mitteln, für Europa keine Gültigkeit mehr habe und daß gesichert sei, von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg, sondern nur noch Frieden ausgehen. Heute stehen militärische Verbände der Bundesrepublik und der NATO wieder fast in der ganzen Welt. Und wehe uns, wenn sich alle die zur Wehr setzen, die durch deutsche Waffenexporte an der Gestaltung ihres Lebens gehindert oder gar ums Leben gebracht werden.

Wir alle kennen auch die Aussage, daß im Krieg die Wahrheit zuerst stirbt. Man könnte auch sagen, sie stirbt schon vor dem Krieg, weil nur so Kriege möglich gemacht werden. Da es momentan kein ernsthaftes Gegengewicht mehr gibt, wird immer mehr vom häßlichen Gesicht des angeblich „modernen“ Kapitalismus sichtbar. Deshalb muß gelogen werden, bei Strafe des Verlustes der Herrschaft:

Deshalb ist der Kapitalismus nicht Kapitalismus, sondern Marktwirtschaft.

Deshalb ist Faschismus nicht Faschismus, sondern Nationalsozialismus.

Deshalb sind Kapitalisten, die die Belegschaften des Wertes ihrer Arbeit enteignen, nicht Schmarotzer, sondern Leistungsträger.

Deshalb werden Nazis, denen Polizeischutz gewährt wird, auf eine Stufe mit denen gestellt, die sich ihnen in den Weg stellen.

Deshalb wurde gestern abend in einer Sendung zum 8. Mai formuliert, im Kampf um Berlin wurde die Bevölkerung sowohl von der SS als auch von der Roten Armee terrorisiert.

Deshalb ist der Krieg in Afghanistan kein Krieg, sondern Verteidigung der Freiheit am Hindukusch.

Jeder von uns könnte nach jeder Fernsehsendung weitere Beispiele hinzufügen. Tun wir, jeder an seinem Platz, das Unsrige, diesen Lügen zu widersprechen, so haben wir unserer Verantwortung Genüge getan, damit nicht „Deutschland, Deutschland über alles“ triumphiere, sondern damit niemals mehr eine Mutter ihren Sohn beweint.

Rede, gehalten am Denkmal für ein Außenlager des KZ Buchenwald in Hadmersleben

 

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2010-04: Bericht des Bundessprecherrates … (Archiv)

2010-04: Fünf Fragen – fünf Überlegungen

2009-09: Thälmanns Leben und Kämpfen war der Erhaltung des Friedens gewidmet