50 Jahre »Die Grenzen des Wachstums« des Club of Rome
Prof. Dr.-habil. Dr.-Ing. Götz Brandt, Eggersdorf
Der Fiat-Manager und Unternehmensberater Aurelio Peccei gründete 1968 mit weiteren 5 Tagungsteilnehmern einer Konferenz zu Zukunftsfragen der Menschheit in Rom den »Club of Rome«. Ziele dieses Clubs waren, die Zukunftsprobleme der Menschheit und unseres Planeten zu identifizieren, dazu Handlungsoptionen vorzuschlagen und neue Erkenntnisse in die internationale Debatte einzubringen. Die Themenbereiche waren: Veränderung der Wirtschaftsweise, Entkopplung von Wohlstandsentwicklung und Ressourcenverbrauch sowie Sicherung der Lebensgrundlagen. Es ging ihnen also darum, die Shareholder, Manager und Regierungsbeamten vor dem Kollaps der Erde zu warnen und den Forderungen zur Nachhaltigkeit Nachdruck zu verleihen.
Anfang 1972 erschien der erste Bericht des Club of Rome »Die Grenzen des Wachstums«. Er erschien zeitgleich in 12 Sprachen und wirbelte einigen Staub auf. Diese Veröffentlichung fand dank eines internationalen Marketings bis 2000 eine Verbreitung in 37 Sprachen und 30 Millionen Exemplaren. 17 Forscher unter Leitung von Dennis Meadows erarbeiteten am MIT (USA) diese Analyse. Die Autoren und der Club of Rome waren bis dahin weltweit unbekannt. Bereits vor dieser Veröffentlichung gab es ähnliche Untersuchungen: »Der Zukunftsschock«, »Die Bevölkerungsbombe«, »Das Selbstmordprogramm«, »Wachstumswahn und Umweltkrise«. Aber die »Grenzen des Wachstums« hatten eine neue Qualität der Untersuchung: Ein kybernetisches Modell von Jay W. Forrester und eine computergestützte Verarbeitung der Daten. Das erhöhte die Beweiskraft. Das für Laien mitunter schwer verständliche Buch wurde durch die Metapher vom Lilienteich verständlicher: Wenn eine Lilie sich jeden Tag verdoppelt, wird am 29. Tag der Teich halb voll sein. Jeder denkt, da ist ja noch genug Platz und es ist noch kein Zurückschneiden erforderlich. Aber am 30. Tag ist keine Wasseroberfläche mehr zu sehen. Die Katastrophe ist da.
Den Kapitalismus überlebensfähig gestalten?
Erstmalig wurde den Kapitalisten der Spiegel ihrer Wirtschaftsweise nachdrücklich vor Augen gehalten. Vorrangig ging es in diesem Bericht um die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen. Der Glaube an ein endloses Wirtschaftswachstum und an einen alle Probleme lösenden Technikfortschritt wurde erschüttert. Es wurde vorhergesagt, dass die absoluten Wachstumsgrenzen in 100 Jahren, also 2072, erreicht sein werden. Die Dringlichkeit einer internationalen Umweltpolitik wurde deutlich, denn als Schlussfolgerung wurde ein ökologisches und wirtschaftliches Gleichgewicht gefordert. Die Reaktionen waren kontrovers. Besonders Ökonomen kritisierten das Buch. Sie verwiesen auf die technische Innovationsfähigkeit, die alle Probleme lösen würde. Kritiken von verschiedener Seite behielten Recht. Die Rohstoffe reichen länger als in diesem Bericht vorausgesagt. Aber ein Ende der Rohstoffversorgung ist dennoch abzusehen, begleitet durch einen zunehmend geringeren Erzgehalt der geförderten Rohstoffe und durch aufwendigere Gewinnung aus größeren Tiefen, mehr Abraum und Förderung in der Tiefsee. Auch aus Entwicklungsländern kam Kritik: Ihre Entwicklungschancen würden beschnitten, wenn die Schlussfolgerungen in die Tat umgesetzt würden.
In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Club of Rome auf 100 Vollmitglieder, die jährlich einmal zusammenkommen. In vielen Ländern bildeten sich Nationale Clubs. In Deutschland ist Mojib Latif Präsident, der bekannte Klimaforscher. Die Nationalen Clubs haben schon über 1.000 Mitglieder. Hochrangige politische Amtsträger dürfen nicht Mitglied des Clubs werden.
Auch nach 50 Jahren Wirkung orientieren sich die Ziele immer noch an einem radikalen Wandel der Weltwirtschaft: radikale Energiewende, nachhaltige Lebensmittelproduktion, neue Wachstumsmodelle für ärmere Länder, Abbau der Ungleichheit durch faire globale Steuersysteme, enorme Investitionen in Bildung, Geschlechtergleichheit und Familienplanung.
Die geforderten Maßnahmen fanden in den letzten 50 Jahren bei den Unternehmern und Regierungen wenig Resonanz. Der Präsident des deutschen Club of Rome, Mojib Latif, schätzte die Lage so ein: »Wenn man sich weltweit anschaut, was passiert, dann ist das herzlich wenig, auch bei uns in Deutschland. So kann es einfach nicht weitergehen, und ich hoffe, dass alles, was wir im Moment erleben, auch ein Weckruf an die Politik ist.« [1] (2017)
Der Club of Rome will den Kapitalismus überlebensfähig gestalten. Er ignoriert dabei aber die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus. Das Ziel, Maximalprofit zu erwirtschaften, erfordert die unbeschränkte Ausbeutung aller Naturressourcen. Erkannt wird aber das Krebsgeschwür: »In einer Welt, in der die Kapitalrendite alles bestimmt, hat der Umweltschutz überhaupt keine Chance. Es muss endlich in die Köpfe, dass die Dogmatisierung der Kapitalrendite ein Schaden für die Zivilisation und für unsere Enkel ist.« – so Ernst Ulrich von Weizsäcker, seit 2012 Vizepräsident des Club of Rome [2]. Die Forderungen des Clubs sind aber nur, dass die Menschen ihren materiellen Egoismus überwinden sollen und nicht etwa die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln. Das »Kapital« von Marx sollte erst mal Pflichtlektüre der Mitglieder des Clubs werden, damit sie erkennen, dass auch weitere 50 Jahre »herzlich wenig« passieren wird, wenn gesellschaftlichen Verhältnisse nicht radikal verändert werden. Herstellung des Primats der Politik über die Wirtschaft und nicht umgekehrt, wie es gegenwärtig fast überall der Fall ist. Nur China versucht, die Marktwirtschaft zu beschränken, die »Bevölkerungsbombe« zu entschärfen, den Profit umzuverteilen und die Ziele des Club of Rome wenigstens teilweise zu realisieren.
Gefahrdrohende Entwicklungen
Gegenwärtig steht die Rohstoffversorgung nicht mehr im Mittelpunkt der Untersuchungen des Clubs of Rome. Hinzu gekommen sind die zukünftige Heißzeit, der Artenschwund, der Meeresspiegelanstieg und viel andere ebenso gefahrdrohende Entwicklungen. Bereits 2012 erschien eine Veröffentlichung von Jørgen Randers: »Eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre«. Darin wird der Kollaps verschiedener Erdsysteme bereits für 2052 vorausgesagt. Diese Voraussage kann durchaus eintreffen, wie den Berichten von Wissenschaftlern zu entnehmen ist. Klima und Wetter ändern sich schneller als noch vor Jahren eingeschätzt. Der Meeresspiegel steigt schneller als erwartet, weil das Grönlandeis schneller schmilzt. Die Wärmepumpe für Europa, der Golfstrom, der mit seinen warmen Wassermassen eine Temperaturerhöhung um 10 °C mit bringt, droht zu versiegen. Dann kommt eine vorübergehende Kaltzeit, die von umso verheerenden Auswirkungen einer Heißzeit abgelöst wird. Es kommt zur »Selbstverbrennung« der Menschheit, wie der Klimaforscher Schellnhuber vorausgesagt hat.
Alle diese Entwicklungen werden vom Club of Rome verfolgt, untersucht, identifiziert, bekannt gemacht, aber es ändert sich nichts. Den Kapitalisten ist der gegenwärtige Maximalprofit allemal wichtiger als das zukünftige Erlöschen der Zivilisation.
Es gibt viele Organisationen, die, ähnlich wie der Club of Rome, vor den Auswirkungen der kapitalistischen Produktionsweise warnen. Alle diese Warnungen werden aber von der Wirtschaft und den ihr hörigen Regierungen nicht beachtet. Wir steuern ungebremst in eine Vielfachkatastrophe, die früher oder später als vorausgesagt, eintreffen wird. Warnungen reichen nicht mehr aus. Rüstung und Militär müssen schnellstmöglich reduziert und einschließlich der Manöver und Rüstungsbetriebe abgeschafft werden. Die fossilen Teile der Industrie müssen sofort stillgelegt werden, um die Menschheit zu retten. Die Giftstoffe der Chemieindustrie dürfen sofort nicht mehr angewendet und müssen sofort vernichtet werden, um den Artenreichtum zu schützen. Flugzeuge und Kreuzfahrtschiffe müssen sofort verschrottet werden. Autos müssen generell durch den ÖPNV und Fahrräder abgelöst werden. Geschieht das alles nicht, dann werden bereits unsere Urenkel nur noch auf Grönland, Island, Spitzbergen und Lappland überleben können.
Prof. Dr. Götz Brandt ist Mitglied im SprecherInnenrat der Ökologischen Plattform der Partei DIE LINKE.
Anmerkungen:
[1] Siehe: https://www.br.de/wissen/club-of-rome-zukunft-nachhaltigkeit-experten-100.html.
[2] Siehe: www.deutschlandfunk.de/50-jahre-club-of-rome-der-kritische-blick-auf-das-wachstum.769.de.html (2018).
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