Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

22. Juli 1944 – Gründung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds

Prof. Dr. Christa Luft, Berlin

 

Aufgaben – Probleme – Reformbedarf

 

Noch während des zweiten Weltkriegs wurden die Weichen für eine neue wirtschaftliche Nachkriegsordnung gestellt. Treiber der Entwicklung waren die USA, die inzwischen zur mit Abstand größten Wirtschaftsmacht aufgestiegen waren. Vertreter aus 44 Staaten trafen sich im Sommer 1944 in Bretton Woods, einem kleinen Ferienort im US-Staat New Hampshire und beschlossen eine umfassende Neuordnung der Weltwirtschaft. Dazu gehörte erstens ein auf dem US-Dollar als Leitwährung beruhendes Währungssystem. Der Greenback wurde zu einem festen Kurs in Gold bewertet. Alle anderen Währungen wurden mit annähernd festen Wechselkursen an den Dollar gebunden. Die USA verpflichteten sich, auf den Greenback lautende Forderungen jederzeit gegen Gold einzutauschen. 1971 kündigten sie das Bretton-Woods-Abkommen auf. Zur Absicherung der neuen Weltfinanzordnung wurden zweitens der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank als Sonderorganisationen der Vereinten Nationen gegründet. Beide haben ihren Sitz in Washington.

Der IWF als Kreditgeber und »Aufpasser«

Der IWF sichert mit Krediten die Zahlungsfähigkeit von Staaten bei Zahlungsbilanzproblemen. In den 1950er und 1960er Jahren erwies er sich als effizientes System zur Finanzierung des rasch wachsenden Welthandels. Er stellte den Mitgliedsländern notwendige Liquidität (vor allem Dollars) zur Finanzierung von Importen zur Verfügung, mit denen sie ihre Wirtschaft aufbauten. Die internationale Verfügbarkeit von Dollars begünstigte Handel und Tourismus und ermöglichte Direktinvestitionen und Kreditaufnahme von Banken auf internationalen Finanzmärkten. Im Laufe der Jahre änderte sich die Rolle des IWF vom Kern eines Währungssystems hin zu einer Organisation, die sich um Zusammenarbeit in der Geld- und Währungspolitik der westlichen Industrienationen bemühte. Sie unterstützte auch  als  »Feuerwehr« mit Krediten und wirtschaftspolitischen Hilfspaketen Entwicklungsländer in Krisensituationen (Zahlungsbilanzkrisen, Staatsbankrott), so beispielsweise während der Asienkrise 1997/98 und der Argentinienkrise 2001/02. Seit der internationalen Finanzkrise 2007 bis 2009 ist ein erneuter Wandel zu beobachten. Der IWF wird seit der Verschuldungskrise in mehreren Euroländern (seit 2010) wieder zum Kreditgeber und »Aufpasser« über die Finanz- und Wirtschaftspolitik auch von Industriestaaten: Am Rettungspaket für Griechenland zum Beispiel und am »Euro-Rettungsschirm« ist der IWF jeweils mit ca. einem Drittel beteiligt, und er überwacht zusammen mit der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank die Finanzpolitik Griechenlands und anderer Euro-Länder. 

An Auflagen für Kredite an Entwicklungsländer entzündet sich die Kritik von Nichtregierungsorganisationen am IWF. Die geforderten Sparprogramme und Einschnitte in Sozialprogramme seien für die Menschen in Entwicklungsländern unzumutbar und für das Wachstum schädlich. Allzu oft seien in der Vergangenheit – ohne nähere Kenntnis der spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen Landes – Programme auferlegt worden, die vielleicht für entwickelte Staaten geeignet seien, in einem Land mit unterentwickeltem Finanz- und Geldwesen und anderen sozialen Strukturen hingegen nicht. Solche Programme seien der Dominanz der Industrieländer, insbesondere der USA, in den Entscheidungsgremien des IWF geschuldet. Der IWF sei ein Instrument der reichen Länder. Im IWF müsse deshalb das Stimmengewicht der Schwellen- und Entwicklungsländer gestärkt werden.

Probleme

Traditionell wird der IWF von einem Europäer und die Weltbank von einem Amerikaner geleitet. Diese Aufteilung wird seit langem von asiatischen und lateinamerikanischen Mitgliedstaaten und von Nichtregierungsorganisationen kritisiert. Gegenüber den stärker werdenden Schwellenländern wird sie sich kaum länger durchhalten lassen, auch wenn der Chefsessel mit der ehemaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde noch einmal an Europa ging.

Das Stimmrecht der einzelnen Staaten ist unterschiedlich, es richtet sich – vereinfacht – nach der finanzwirtschaftlichen Bedeutung eines Landes und muss deshalb im Laufe der Zeit veränderten Entwicklungen angepasst werden. Dies geschieht allerdings nur mit erheblichen Verzögerungen. Im Januar 2011 verfügten die USA über 16,74 Prozent der Stimmen, auf Japan entfielen 6,01 Prozent, auf Deutschland 5,87 Prozent, auf Großbritannien und Frankreich jeweils 4,85 Prozent, auf China 3,65 Prozent, auf Italien 3,19 Prozent, usw. Da wichtige Entscheidungen im IWF 85 Prozent Zustimmung erfordern, können die USA allein, aber auch die EU-Länder gemeinsam Beschlüsse verhindern (Sperrminorität).

Kritik am IWF gibt es aber auch von Ökonomen, die eher dem Mainstream zugeordnet werden. Dem IWF wird zu großzügige Kreditvergabe vorgeworfen. Dies verleite Schuldnerländer zu weiterem Fehlverhalten und ermutige auch andere zum Schuldenmachen (moral hazard). Auch wird die Vermischung von Währungs- und Entwicklungspolitik kritisiert. Letztere gehöre nicht in den IWF, sondern sei Aufgabe der Weltbank.

Staaten, die aufgrund von Zahlungsbilanzdefiziten ihren internationalen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, oder Länder (wie Griechenland), die aufgrund überbordender Staatsverschuldung auf internationalen Kapitalmärkten keine Kredite mehr bekamen (oder nur zu astronomischen Zinsen), konnten und können unter bestimmten Bedingungen Kredite vom IWF erhalten. Der IWF erarbeitet für das betreffende Land spezifische Strukturanpassungsprogramme. Sie enthalten Auflagen für die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Landes, deren Einhaltung überwacht wird. Solche Bedingungen können beispielsweise sein: Kürzung von Staatsausgaben und/oder Steuererhöhungen zum Abbau der Staatsverschuldung, Bekämpfung der Inflation, Reformen des Bankwesens, Privatisierung von Staatsbetrieben, Effizienzsteigerung in Verwaltung und Beamtenapparat, Liberalisierung des Arbeitsmarktes etc. Besonders die Privatisierung griechischer Staatsbetriebe geriet zu einem Vermögenstransfer zugunsten solventer ausländischer Konzerne.

Die Weltbank

Ihr offizieller Name lautet: »Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung«. Wie der Name noch erkennen lässt, war sie gegründet worden, um den Wiederaufbau des kriegszerstörten Europas zu finanzieren. Diese Aufgabe war spätestens in den 1960er Jahren abgeschlossen. Danach konzentrierte sich die Bank auf Projekte in Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Diese bekamen auf dem freien Markt entweder gar keinen Kredit oder wenn doch, dann nur zu horrenden Zinsen. Heute zählen der Kampf gegen Armut und die Hilfe in wirtschaftlichen Krisenzeiten zu den wichtigsten Zielen der Institution, die mittlerweile 189 Mitgliedstaaten hat.

Die Bundesrepublik Deutschland trat ihr 1952 bei. Die Weltbank vergibt jährlich etwa im Umfang von 75 Mrd. US-Dollar Darlehen und Zuschüsse für klassische Entwicklungsprojekte in armen Ländern. Kredite werden allerdings nur gewährt, wenn das betroffene Land ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds abschließt und dessen Auflagen wie Öffnung seiner Märkte oder Verkauf von Staatsbetrieben einhält.

Daher wird der Weltbank immer wieder der Vorwurf gemacht, man kritisiere zwar hin und wieder die vom IWF verordneten Maßnahmen, doch man koppele die eigenen Projekte wei-terhin an die Vorgaben der Schwesterinstitution und ändere wenig in den Projekten vor Ort.

Viele der Empfängerländer waren und sind nicht unbedingt demokratisch oder rechtsstaatlich verfasst. Das ist einer der Gründe dafür, dass es bei der Umsetzung der Weltbank-Politik immer wieder zur Verletzung von Menschenrechten, zu schweren Umweltschäden und zu Korruption kommt. Die klassischen Beispiele für problematische Projekte sind Staudämme, die zwar grüne Energie liefern, bei denen aber Flusssysteme zerstört, Fischer ihrer Existenzgrundlagen beraubt und Menschen auf brutale Weise umgesiedelt werden, ohne eine angemessene Entschädigung zu bekommen. Wegen dieser und anderer Missstände ist die Kritik an der Weltbank immer lauter geworden.

Wie weiter?

Seit April 2019 ist David Malpass Präsident der Weltbank. Der Trump-Vertraute war bislang vor allem als Kritiker der Institution aufgefallen. Weltbank und IWF gäben »viel Geld« aus, seien aber »nicht sehr effizient«, sagte der frühere Wall-Street-Ökonom im Jahr 2017 vor dem US-Kongress. Die Kreditvergabepraxis dieser Institutionen sei »oft korrupt«. Zudem hatte er gefordert, Länder wie China »neu einzustufen«, ihnen weniger Kredite zu geben, um nicht deren Expansionskurs zu unterstützen. Seiner Ansicht nach kommt die Volksrepublik auf den Finanzmärkten an genügend Geld. In letzter Zeit hat Malpass jedoch mildere Töne angeschlagen. Peking brauche bereits jetzt weniger Geld, sagt er und spricht von einer Weiterentwicklung der Beziehungen. Die Mittel der Weltbank sollten verstärkt in Länder mit niedrigem Lebensstandard fließen.

Wie auf den IWF bezogen sorgt auch mit Bezug auf die Weltbank seit Jahren die Stimmenverteilung, die den Industrieländern nach wie vor großen Einfluss sichert, für Kritik. Größter Anteilseigner sind die USA mit einem Stimmenanteil von über 17 Prozent. Deutschland kommt auf sechs Prozent. Auch dass der Präsident wie bisher immer ein Amerikaner sein soll, erzeugt wachsenden Unmut bei Schwellen- und Entwicklungsländern. Angemessen wäre, dass sich die UNO, deren Sonderorganisationen beide Institutionen sind, dieses Problems konstruktiv annimmt. 

 

Mehr von Christa Luft in den »Mitteilungen«:

2018-06: 1. Juni 1998: Gründung der Europäischen Zentralbank

2017-03: Reformierbar auf Druck der Schwellenländer?

2015-07: 25 Jahre Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion – Deutschland noch zweigeteilt