Zurück in die Heimat
Eberhard Butter, Berlin
Am 5. Mai 2018 wurde das von der Volksrepublik China der Stadt Trier geschenkte Karl- Marx-Denkmal enthüllt. Geschaffen hat die Bronze-Statue der chinesische Künstler Wu Weishan. Sie bekam einen würdigen Standort in der Nähe der Porta Nigra und des Wohnhauses der Marx-Familie auf dem Simeonsstiftplatz. Die Stadt Wuppertal erhielt 2014 ebenfalls als chinesisches Geschenk eine Friedrich-Engels-Statue.
Beide Geschenke wurden durch Mehrheitsbeschluss der jeweiligen Stadtverwaltungen »angenommen«. »Annahme« oder »Ablehnung« von »Geschenken« sind im Bürgerlichen Gesetzbuch exakt geregelt. Also ein normaler Vorgang, wenn es auch etwas befremdet, dass die deutsche Bundesrepublik sich ihre großen Söhne von Weltgeltung von Drittstaaten in Erz gießen lässt. Die DDR goss vorwiegend selbst oder erhielt einige Großskulpturen von der Sowjetunion, ohne das Lieferland anschließend zu beleidigen, wie es der Volksrepublik China durch bundesrepublikanische Medien aktuell widerfuhr. Allerdings wurde der Sockel des Karl von der Stadt Trier bezahlt.
Die Landes- und Stadtregierung würdigten in einem feierlichen Akt mit 200 geladenen Gästen den wohl größten und bekanntesten Sohn ihrer Stadt und bemühten sich um einen distanzierenden Blick, etwa in dem Sinne, dass man ihn neu entdecken solle, ohne ihm die »Gräueltaten im 20. Jahrhundert« anzulasten. Auch müsse in diesem Zusammenhang an die »Aufarbeitung der Verbrechen in der DDR« erinnert werden. Guo Weimin, Vizeminister des Informationsbüros des chinesischen Staatsrates erklärte u.a., dass der Marxismus den Chinesen auf ihrem Weg zum Sozialismus ein Kompass sei. Shi Mingde, Chinas Botschafter in der Bundesrepublik, sagte, der erreichte Wohlstand »ist auch Karl Marx zu verdanken«. Kubas oberster Diplomat in der BRD, Ramón Ignacio Ripoll, wies auf einer separaten Festveranstaltung von DKP und SDAJ darauf hin, dass es keinen Marx ohne Klassenkampf geben könne und keinen Klassenkampf ohne Marx geben sollte.
Mehr als 500 Kommunisten aus der BRD, Luxemburg, Frankreich und Großbritannien und Anhänger der Partei DIE LINKE waren angereist, 20 AfD Mitglieder wollten »Marx vom Sockel holen« und auf dem Hauptmarkt absolvierten Angehörige der Sekte Falun Gong religiöse Übungen [1].
Auch im Vorfeld der feierlichen Einweihung sorgte Karl für viel Bewegung: Der Trierer Baudezernent Ludwig (CDU) sagte: »Karl Marx hat Weltgeschichte geschrieben und ist der bekannteste Trierer«. Für seine Heimatstadt sei er ein großes Kapital, vor allem für den Tourismus. Schon jetzt besuchen jährlich 50.000 chinesische Touristen die Stadt [2].
Weitere Stimmen sprechen vom »berühmtesten« und »umstrittensten« Sohn der Stadt. Befragte Trierer Bürger stimmten der Aufstellung des Denkmals überwiegend zu, denn er sei ja »einer von uns Trierern«, und der Oberbürgermeister Leibe (SPD) findet das Denkmal »angemessen« als Teil eines Marx-Jubiläums-Programms der Stadt mit drei großen Ausstellungen und 600 Veranstaltungen in diesem Jahr in Trier [3].
Die Vorsitzende der LINKEN in Trier, Katrin Werner, sieht die Statue »als eine Gelegenheit zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Philosophen«. Sein Werk sei eine treffende Analyse des Kapitalismus [4].
Aber in Trier gab es auch die heftigsten Stimmen im Stadtrat gegen die Statue. Grüne, FDP und AfD stimmten gegen die befürwortende SPD, CDU und LINKE. Reiner Marz (Grüne) meinte, das Geschenk sei abzulehnen, weil die KP China nicht der Ehre der Geschenkannahme würdig sei, und die AfD-Fraktion wies darauf hin, dass Karl »die parlamentarische Demokratie« abgelehnt hätte und ein »antidemokratischer Revolutionär« gewesen sei [5]. Einige Bürger fürchten weitere »chinesische Pilgerscharen«.
Der ehemalige »Handelsblatt«-Chefredakteur Ziesemer ist der Ansicht, dass »die ganze (!) Theorie von Marx auf einem Denkfehler« beruhe, allerdings billigte er ihm zu, »der erste, wirkliche Theoretiker der Globalisierung« gewesen zu sein [6].
Eine philosophische Zeitschrift spricht vom »Kultursuizid in der ältesten Stadt Deutschlands« und beschimpft die örtliche CDU als »Verräterin am christlich-demokratischen Deutschland …« [7].
Herr Dombrowski, Bundesvorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, meint, »Diktatoren hätten das realisiert, was Marx aufgeschrieben hat«. Auch ist er verwundert, dass Marx in ehemaligen sozialistischen Ländern überwunden ist und im Westen wieder aufersteht [8].
Verschiedene Pressestimmen behaupten, dass »das chinesische Geschenk vergiftet« sei, »Marx verherrliche« und Trier zur »Wallfahrtsstätte für Parteifunktionäre« mache.
Dr. Hubertus Knabe aus Berlin ist ehrlich empört. Er hält die Aufstellung des Denkmals deshalb für zynisch, weil Marx' Theorien »Leid(es) über die Menschheit gebracht haben …«. Auch habe sich die »Mehrwerttheorie« nicht bestätigt. Er könne nicht begreifen, dass »Millionen Menschen« an den Klassenkampf als Triebkraft der Geschichte glauben. Überhaupt müsse die Stadt Trier mehr tun für die Aufklärung über den tatsächlichen Charakter des Kommunismus, weil von Trier »der Marxismus gleichsam seinen Ausgangspunkt hatte« [9].
Allen diesen vergifteten Stimmen zum Trotz: Das Trierer Denkmal ist Mahnung und Ermutigung.
Anmerkungen:
[1] Gestützt auf junge Welt vom 7. Mai 2018.
[2] Zeit online und Süddeutsche Zeitung.
[3] Nach inFranken.de.
[4] Spiegel online.
[5] A.a.O.
[6] Deutsche Welle 09/2017.
[7] Philosophia Perennis 04/2018.
[8] DER TAGESSPIEGEL.
[9] Katholische Nachrichtenagentur vom 29. März 2018, Interview.
Mehr von Eberhard Butter in den »Mitteilungen«:
2015-06: Um die Seelen der Deutschen
2014-10: Der Kampf Ernst Schnellers
2014-03: Paul Eisenschneider und seine Tochter Elvira wurden vor 70 Jahren ermordet