Zu den Landtagswahlen in Brandenburg 2014
Landessprecherrat Brandenburg der KPF
Das Ergebnis der Landtagswahlen vom 14. September 2014 ist nicht nur »eine herbe Niederlage«, wie es Christian Görke formulierte. Es ist eine nachdrückliche, existenzielle Warnung für die Partei DIE LINKE in Brandenburg, aber auch für die Bundespartei. Die Ergebnisse und Zahlen machen nicht nur einige Schwachpunkte in der Arbeit der Partei deutlich. Sie sind ein Absturz auf breiter Front, [...].
Die Zahlen und Bilder der Landkarte in rot/rot und schwarz sprechen eine deutliche Sprache: von 27,2 auf 18,6 Prozent, Verlust 8,6 Prozent = 9 Mandate.
Das Desaster wird besonders deutlich, wenn man sich die absoluten Zahlen ansieht:
- 2009: 406.973 Erststimmen, 377.112 Zweitstimmen, 21 Direktmandate
- 2014: 202.364 Erststimmen, 183.172 Zweitstimmen, 4 Direktmandate
Außer Christian Görke sind alle anderen Minister und Spitzenkandidaten durchgefallen. Anerkennenswert haben es Kerstin Kaiser, Hans-Jürgen Scharfenberg, René Wilke mit Bravour geschafft.
Einige grundsätzliche Überlegungen und Fragen, die sich für uns stellen
- Wahlergebnisse widerspiegeln die Lage in der Partei als Ganzes.
- Die Partei ist ihrer Verantwortung gegenüber den Wählern in der Legislaturperiode nicht gerecht geworden.
Es muss uns doch zu denken geben: Reibungsverluste durch Regierungsbeteiligung ja – aber über 100.000 Bürger haben sich als Wähler von uns abgewandt, 20.000 haben AfD gewählt! [...] Wegen fehlender Unterschiede der früheren »Kümmerer-Partei« Ostdeutschlands zur SPD, Grünen und CDU zieht die AfD auch inhaltlich ihren Nutzen.
Wir müssen uns die Frage stellen: Ist unsere Landespolitik noch richtig? War der Blick zu sehr auf das Mitregieren gerichtet und der SPD gerecht zu werden? Lohnt es sich nicht, darüber nachzudenken, ob unser Politikangebot als Juniorpartner der SPD, unsere Strategie und Taktik noch den gegenwärtigen und künftigen Anforderungen entspricht?
Der erschreckende Anteil der Nichtwähler deutet auf das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zur Politik hin. Eindeutig wenden sie sich von einer Politik des Selbstzwecks angewidert ab und werden dabei nicht mehr von Parteien erreicht. Vertrauen muss wiederhergestellt werden. Dafür muss eine LINKE Vorschläge anbieten, die in der Regierungswirklichkeit nicht zu einer abgedroschenen Floskel, stattdessen Realität werden.
Der Landesvorstand hat dazu aufgerufen, Ursachen für den Wahlausgang zu benennen und Vorschläge zum weiteren Vorgehen zu unterbreiten. Der Landeskoordinierungsrat der KPF Brandenburg tut das, auch wenn die Befürchtung nahe liegt, dass die in diesem Zusammenhang erarbeiteten Gedanken ebenso wenig Berücksichtigung finden werden, wie die in unseren Analysen zur Regierungsbeteiligung der Partei DIE LINKE, insbesondere in unseren Informationsblättern 9, 12 und 14 getroffenen Aussagen und Schlussfolgerungen.
Die Ignoranz gegenüber vielen Hinweisen und Vorschlägen aus verschiedenen Ebenen der Basis ist einer der Gründe für die entstandene Lage. Vielfach herrscht die Meinung, dass Leistungen der LINKEN nicht als solche wahrgenommen werden und der SPD oder der Regierung als Ganzes zugeschrieben werden. Dem steht der Vorwurf gegenüber, dass dies eine Schutzbehauptung für schlechte politische Arbeit ist. Obwohl beide Positionen einen gewissen Wahrheitsgehalt haben, bleibt die Forderung offen, wie angesichts der Machtverhältnisse in den Medien eine wirksamere Öffentlichkeitsarbeit zu realisieren ist.
Die Führungstätigkeit auf Landesebene ist bisher, und auch dazu gibt es seit geraumer Zeit zahlreiche Hinweise aus der Basis, nicht vertrauensfördernd. Dazu gehören das Gerangel bei der Besetzung der Position des Landesvorsitzenden, die Auseinandersetzungen um Kerstin Kaiser, der Rücktritt des Justizministers, die Umbesetzung eines erfolgreichen Finanzministers in das Spezialkenntnisse erfordernde Ressort des Justizministers, das schwammige Verhalten zur Braunkohle, zu den Altanschließern und zur ILA sowie die widersprüchlichen Haltungen des Wirtschaftsministers Christoffers, die oft einem Lobbyisten von Vattenfall ähneln. Dieses Hickhack muss durch eine personalpolitische Linienführung ersetzt werden, die für Mitglieder und Sympathisanten nachvollziehbar ist.
In einer Reihe von Politikfeldern hat sich die Führung der Brandenburger LINKEN widersprüchlich, inkonsequent und angepasst verhalten. Ohne hier im Einzelnen zu argumentieren, sind solche Politikfelder stichpunktartig zu benennen:
- Widersprüchlichkeit im Hinblick auf Braukohleförderung und CCS-Technologie.
- Unklarheit betreffs Fracking.
- Inkonsequenz im Kampf gegen die Finanzierung der Altwasseranschlüsse.
- Fragwürdigkeit in der Haltung der als »militärische Leistungsschau« bezeichneten ILA.
- Angepasstheit bei der Teilnahme an der Tätigkeit der Enquête-Kommission und teilweise Akzeptanz ihrer Ergebnisse.
- Unschlüssigkeit bei der Auseinandersetzung mit Justiz und Polizei um das Verhalten bei Demonstrationen und antifaschistischen Aktivitäten.
- Zurückhaltung beim Kampf gegen das Auftreten von Bundeswehr und Verfassungsschutz in Schulen und Jugendclubs mit Werbeveranstaltungen.
- Abstinenz bei der Positionierung zu Grundsatzfragen der Gesamtpartei, z.B. zu Versuchen der Aushebelung des Parteiprogramms in der Friedensfrage, zu Bundeswehreinsätzen im Ausland und zum Waffenexport.
- Untätigkeit bei der Unterstützung von Bürgerinitiativen mit Zielen analog zu unserem Wahl- und/oder Parteiprogramm (z.B. Fluglärm oder Haßleben).
- Teilweise niveaulose Wahlplakate, kaum unterscheidbar von denen anderer Parteien (gleiche Werbeagenturen).
Letztlich soll nicht übergangen werden, ohne damit die Eigenverantwortlichkeit Brandenburgs zu schmälern, dass die Lage in den Führungsetagen der Partei ihren Teil zur entstandenen Situation beigetragen hat. Das gilt für die Schwierigkeiten bei der Besetzung der Vorsitzenden-Funktion, für viele Schwankungen von Gregor Gysi, für die Diskussionen um Genossen Bartsch oder die Haltung von Genossen Nešković.
Hierzu gehören auch die Auseinandersetzungen um die konsequente Einhaltung oder schrittweise Aushebelung des Parteiprogramms. […] Alles Nachdenken über mögliche Regierungskoalitionen und Koalitionsverträge bleibt im luftleeren Raum, wenn in diesen Fragen keine klaren Positionen links von der SPD bezogen werden.
Nun hat der Landesvorstand einstimmig die Einladung der SPD zu Koalitionsverhandlungen angenommen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Verhandlungsführer der Partei DIE LINKE positionieren. Angesichts der Äußerung von Christian Görke im ND-Interview vom 23. September 2014 zu Streitfragen mit der SPD haben wir allerdings ernste Bedenken.
»Diese Debatten« so hebt Christian Görke hervor, »haben wir bewusst nicht öffentlich geführt, weil es uns eben nicht um die eigene Profilierung, sondern um die Sache ging. Sollten wir weiter mitregieren, wird sich an diesem Stil nichts ändern«. Also doch weiter so, wie bisher? [...]
Ein »So weiter wie bisher« im Schatten der SPD geht nicht! Nochmal 8,6 Prozent Verlust an Wählerstimmen, und wir sind nur noch eine regionale Ostpartei, keine Volkspartei. Politikangebote im Rahmen der SPD-Politik – »dann können wir gleich die SPD wählen« war ein oft vorgetragenes Argument während der Wahlarbeit, oder »ihr seid nicht besser, als die anderen etablierten Parteien«.
Das Politikangebot der Partei Die Linke sollte als Prämisse enthalten:
- Die SPD ist eine konkurrierende Partei der Sozialdemokratie.
- Die Linke ist gemäß dem Parteiprogramm eine sozialistische Partei.
- Die Bürger und Anhänger der Partei müssen spüren: Als selbständige sozialistische Partei haben wir nach wie vor das Ziel einer sozialen, gerechten Welt nicht aufgegeben. Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein.
- Die parlamentarische und außerparlamentarische Arbeit sind gleichrangig, wenn nicht sogar die außerparlamentarische vorrangig zu entwickeln ist.
- Es muss uns gelingen, wieder Vertrauen aufzubauen und die Glaubwürdigkeit bei den Menschen des Landes herzustellen.
- Dazu ist es erforderlich, dass die Partei sowie die Mandatsträger die Probleme, die Nöte und Ängste der Menschen kennen, Bürgerbewegungen unterstützen bzw. selbst entwickeln. Der Koalitionszwang kann und sollte uns nicht davon abhalten.
Nochmals zur Rolle und Verantwortung der Partei
»Marx ist nicht tot«, auch wenn der politische Gegner, der herrschende Zeitgeist, die bürgerliche Ideologie immer wieder Gegenteiliges in den Fokus stellen. Wir halten es jedoch für nötig, in der Parteipolitik, in der Parteiarbeit als Ganzes die marxistischen Grundaussagen zu stärken und vor allem tiefgründiger zu beachten.
Die Genossinnen und Genossen des LV, der KV und der anderen Gremien in der Partei leisten eine umfangreiche Arbeit. Aber die Partei kann nicht allein und vorwiegend über das Internet geleitet bzw. geführt werden. Auch die Regionalkonferenzen ersetzen nicht die Politik mit den Genossen vor Ort. Die breite Mitgliedschaft ist stärker einzubeziehen, vor allem die politische Bildungsarbeit, die Befähigung der Jungen und Älterer reicht nicht aus. Wir müssen davon wegkommen, in den Mitgliederversammlungen und Zusammenkünften vielfach nur organisatorische Fragen zu behandeln. Die Grundaussagen des Parteiprogramms spielen oft nur eine geringe Rolle, jedoch nicht nur dort. [...]
Es kann auch nicht verboten sein, bei bestimmten sozialen bildungspolitischen und kulturellen sowie anderen Forderungen im Interesse der arbeitenden Menschen an die DDR zu erinnern bzw. Bezug zu nehmen. Auch eine bestimmte Radikalität in der politischen Arbeit würde uns gut zu Gesicht stehen. Die Genossinnen und Genossen der KPF werden auch künftig alles in ihren Kräften Stehende tun, damit die Krise in der Partei schnell überstanden wird. Wir teilen die Auffassung von Helmuth Markov, geäußert in der MAZ vom 18. September: »Wir sind noch lange nicht zu Ende«, vorausgesetzt ein »Weiter so« wird beendet.
Zur Wahlbeteiligung
Eine rote Karte für die Parteien und die praktizierte Demokratie. Mit einer Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent ist eigentlich, auch im Sinne einer bürgerlichen Demokratie, die Berechtigung zur Bildung eines Parlaments und einer Regierung verlorengegangen. Die Bürger unseres Landes werden künftig von einer Demokratie (griechisch: eigentlich Volksherrschaft als Staatsform) geführt, die dafür nicht das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung hat. So oder so, die Ergebnisse mit dieser geringen Wahlbeteiligung sind ein Hohn für die Demokratie dieses Landes. Sie sind Ausdruck der Parteien- und Politikverdrossenheit. [...]
30. September 2014. Aus dem 16. Informationsblatt der KPF Brandenburg, Sprecher: Bodo Hinkel, Klaus Curth, Herbert Meißner, Helmut Pannhausen. Leicht gekürzt. – Siehe auch www.dielinke-brandenburg.de/partei/strukturen/lag_und_ig_plattformen/kommunistische_plattform