Ziegenhals mahnt!
Heinz Schmidt, Königs Wusterhausen
Am 7. Februar 1933, eine Woche nachdem das Großkapital und Junkertum durch Hindenburg die Macht in Hitlers Hände gelegt hatte, tagten im "Sporthaus Ziegenhals", nahe Berlin, ZK-Mitglieder und weitere führende Funktionäre der KPD illegal unter dem Vorsitz Ernst Thälmanns. Seine Rede hier prägte zunehmend den Kampf gegen Faschismus und Krieg. Sie ist leider wieder von höchster Aktualität. Die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte, die am authentischen Ort daran erinnert, erlangt immer größere Bedeutung. Sie erinnert an den frühesten, konsequentesten, initiativ- und opferreichsten Kampf gegen das Naziregime. Schon Jahre vor 1933 forderte Thälmann vor allem die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften auf, sich nur unter einer Bedingung mit den Kommunisten zu einer Einheitsfront zusammenzuschließen, nämlich gemeinsam die Macht Hitlers zu verhindern. 1932 schließlich seine Warnung: "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, und wer Hitler wählt, wählt den Krieg!" Was wäre der Menschheit erspart geblieben, wären diese Angebote nicht in den Wind geschlagen worden. So kam es zur Machtübergabe an Hitler. Es war die KPD, die sofort mit der Ziegenhalser Tagung reagierte. Nun schon in höchster Gefahr, legte Thälmann rigoros dar, was unter der Nazimacht über Deutschland und Europa hereinbrechen würde und zeigte weitsichtig, wie diese einzig durch den gemeinsamen Kampf aller antifaschistischen Kräfte gestürzt werden könne und müsse. Keine Stätte in Deutschland veranschaulicht das, an authentischem Ort, so eindeutig, klar und einfühlsam wie die "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" in Ziegenhals. Die Mahnung von Ziegenhals wach zu halten, versammelten sich hier am 10. Februar rund 350 Verfechter des Thälmannschen Vermächtnisses aus Ost und West. Zu ihnen sprach, oft von Beifall unterbrochen, Heinz Keßler, der Mitbegründer des Nationalkomitees "Freies Deutschland". Von den Nazis zum Tode verurteilt, kämpfte er für die Befreiung unseres Volkes und der Völker Europas von dem nazistischen, großdeutschen Mördergesindel. Nach dem Krieg, zunächst als Mitglied des Zentralrates der FDJ und später als Verteidigungsminister der DDR, setzte er seine ganze Kraft dafür ein, daß nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgeht. Als Adenauer und die westlichen Alliierten, unter Bruch des "Potsdamer Abkommens", den westdeutschen Separatstaat geschaffen und zementiert hatten, gegen die vielen Angebote des ostdeutschen antifaschistisch-demokratischen Staates – der als Reaktion darauf später gegründeten DDR – zur Bildung eines demokratischen Gesamtdeutschland, widmete Keßler seine ganze Kraft dem Aufbau und der Sicherheit des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden. Das alles tat er als führendes Mitglied der Partei, in der sich, aus bitterster Erfahrung die Lehren ziehend, Kommunisten und Sozialdemokraten vereinigten, der SED. In seiner Rede klagte Keßler, im Thälmannschen Sinne, die stockreaktionäre Politik der heute Regierenden an, die die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher macht. Er prangerte die kaum noch zu zählenden Krebsgeschwüre der BRD an, von den Kriegseinsätzen der Bundeswehr angefangen, bis zur maßlosen Ausbeutung derer, die den Reichtum des Landes schaffen. Die Medien präsentieren diese täglich als unabänderliche, notwendige Realität der "sozialen Marktwirtschaft in Freiheit und Demokratie". Nur müsse zur Zeit das "Soziale" etwas beschnitten werden, damit wir künftig in "Wohlstand und Frieden" schwelgen können. Keßler brandmarkte die systembedingten Ursachen dieser verbrecherischen Mißstände und verwies auf den schweren, unvermeidbaren, alternativlosen revolutionären Weg zur Überwindung derselben. Dabei stand jede seiner Aussagen eindringlich, wie eingemeißelt im Raum. Die Erfahrungen seines untadeligen Lebens als deutscher Patriot und Internationalist, wie es kein BRD-Regierungspolitiker je aufweisen konnte, noch kann, prägten die Rede des Armeegenerals der NVA a. D., des Friedensgenerals. Ein Buschgeldbeamter der BRD sagte mir einmal pietätlos in Ziegenhals: "Was wollt ihr denn noch mit der Gedenkstätte, ihr sterbt sowieso bald aus, und die Jugend interessiert sich für sie schon lange nicht mehr." Geradezu symbolisch wirkte diesbezüglich die Moderation und Rede des neuen 32jährigen Vorsitzenden des Freundeskreises, wofür er viel Zustimmung fand.
Und der Landesvorsitzende der Partei "Die Linke" in Niedersachsen, die wie in Hessen in den Landtag einzieht, der Liedermacher Diether Dehm, bewies mit seinen Songs, die Ideen des Sozialismus sind selbst in finsterster Zeit jung und lebendig. Und das weltweit. Davon zeugten die von einer Genossin übermittelten Grüße der Moskauer Kommunisten. Sie stehen für die Solidarität jener Abertausender in aller Welt, die mit uns um den Erhalt der Ziegenhalser Gedenkstätte ringen.
Viel wird heute über das schicksalsentscheidende Jahr 1933 geschrieben und gesendet und die Wahrheit dabei ausgeblendet. Ja, Hitler wurde damals unter großem Pomp in der Potsdamer Garnisonskirche, die jetzt für 70 Millionen neu errichtet werden soll, die Macht in die Hände geschoben. Das war kein Ruhmes-, sondern ein Schreckensakt. Das wahre Ruhmeszeichen jener Tage steht geschändet in Ziegenhals, die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte, ein Hort geschichtlicher Wahrheit. Hier wird sich immer wieder die wirkliche "Linke" versammeln, die für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, ohne Faschismus und Krieg, eine Welt des Sozialismus im Sinne von Marx, Engels, Lenin, Liebknecht, Luxemburg und Thälmann kämpft, für einen Staat, in dem die Macht wirklich vom Volke und nicht von Volksbetrügern ausgeht. In Ziegenhals sahen wir am 10. Februar diese "Linke", vereint im Thälmannschen Geist, Genossen der Partei "Die Linke", der DKP und KPD, des RFB, des Kuratorium "Gedenkstätte Ernst Thälmann" aus Hamburg, der GRH und GBM und ISOR, sowie viele parteilose Kommunisten. Sie werden immer wieder kommen, mahnen und die Wahrheit verkünden. Daran können weder die in Par1amenten und Regierungen wütenden Antikommunisten – nach Thomas Mann sind sie die Toren unserer Epoche – noch die antifaschistische Gedenkstätten mißbrauchenden Medienmacher und Geschichtsfälscher mit ihren sogenannten "Neuesten Erkenntnissen" etwas ändern. Der Geist von Ziegenhals lebt.