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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Wohin will die Antikapitalistische Linke in der Programmdebatte?

Fragen zur Programmdebatte an den Koordinierungsrat der AKL NRW

"Ich würde dem Entwurf, so wie er ist, nicht zustimmen. Er ist mir zu Schwarz-Weiß. Er ist mir zu widersprüchlich. Er ist mir zu beliebig." Mit diesen Worten zerriß Petra Pau den Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm auf dem Berliner Landesparteitag am 24. April 2010. An Frontalangriffen auf den Entwurf seitens der Medien und der sogenannten "Reformer" hat es seit dessen Bekanntmachung nicht gefehlt. Ihnen ging und geht es nicht um kleinere Veränderungen, sondern um die Beerdigung der Kerninhalte des Entwurfs. Dieses Ziel verfolgt wohl auch der kürzlich erschienene "Schwesternentwurf" [Bezeichnung des Programmentwurfs durch Halina Wawzyniak auf einer Veranstaltung in Sachsen] von Halina Wawzyniak und Raju Sharma, zu dem die Berliner Zeitung treffend feststellte, dieser sei "versöhnlicher gegenüber dem Kapitalismus".

Die Kommunistischen Plattform (KPF) hatte bereits Ende März 2010 deutlich gemacht, worauf es ihr in der Programmdebatte entscheidend ankommt: "Eines läßt sich bereits heute klar sagen – davon zeugen auch die massiven Angriffe von FdS-Protagonisten, SPD- und Grünenpolitikern und der einschlägigen Medien auf den Programmentwurf: Er ist zu verteidigen. Das schließt Anträge nicht aus, sehr wohl aber jede linke Korrespondenz mit den Angriffen von rechts." An dieser grundsätzlichen Einschätzung hat sich unsererseits bis heute nichts geändert.

Mitglieder der KPF haben an zahlreichen Programmveranstaltungen teilgenommen. Unser Eindruck ist, daß der grundsätzliche Charakter des Entwurfs, vor allem dessen antikapitalistische Ausrichtung wie auch die Analyse der gesellschaftlichen Realität, breite Zustimmung in der Parteibasis erfährt. Die mittlerweile über 900 Unterschriften unter den offenen Brief "Jegliche programmatische Anpassung wäre von Übel" bestätigen diese Einschätzung. Die KPF hat seit Bekanntmachung des Programmentwurfs immer davor gewarnt, den Entwurf zwischen den verschiedenen Strömungen und Zusammenschlüssen zu zerreiben. Damit würde der Parteibasis jede Orientierung genommen. Vielmehr ging es uns darum, dazu beizutragen, der Parteibasis öffentliches Gehör und Artikulationsmöglichkeiten zu geben.

Bis vor kurzem hatten wir keinerlei Zweifel daran, daß die Antikapitalistische Linke (AKL) ähnlich verfahren werde. In der Neubrandenburger Erklärung der AKL vom 27. März 2010 wurden die im Entwurf enthaltenen inhaltlichen Kriterien für Regierungsbeteiligungen, die "umfassende Analyse der kapitalistischen Verhältnisse und die Formulierung des Ziels einer sozialistischen Gesellschaft" begrüßt. Thies Gleiss, seinerzeit Mitglied des Bundesvorstandes der Partei, schrieb in der "jungen Welt" vom 20. März 2010: "Nehmt den Text so wie er ist in der, wie es in diskurserfahrenen Kreisen so schön heißt, 'generellen Linie' an und schlagt ihn den politischen Gegnern um die Ohren. Das wird für alle lohnender." Und wenig später stellte er fest: "Die Linke bleibt mit diesem Programm links." In der von der AKL im Vorfeld des Programmkonvents im November 2010 herausgegebenen Zeitung "Freiheit durch Sozialismus" hieß es unmißverständlich: "Deshalb vertreten wir den Programmentwurf in seinen Grundzügen offensiv und halten es für politischen Selbstmord, die Programmdebatte nutzen zu wollen, um – ohne überzeugende Argumente – bewährte Grundsätze einer erfolgreichen linken Strategie über Bord zu werfen." In den Stellungnahmen der AKL zum Programmentwurf wurde deutlich, daß auf Änderungen und Verbesserungen desselbigen keinesfalls verzichtet wird, aber deutlich wurde ebenso, daß die antikapitalistische Orientierung und die grundsätzliche Substanz des Entwurfs unbedingt zu verteidigen ist.

Auch auf der Programmkonferenz der AKL NRW am 13. Februar in Düsseldorf, bei der mehrere Mitglieder der KPF anwesend waren, wurde festgehalten, daß die antikapitalistische Orientierung des Entwurfs zu begrüßen sei und die Forderungen nach öffentlichem Eigentum nicht rückgängig gemacht werden dürften. Wir haben sehr wohl die differenzierte und nachvollziehbare Einschätzung von Jürgen Aust und anderen wahrgenommen, irritiert hat uns allerdings der Beitrag von Katharina Schwabedissen, die den Programmentwurf ähnlich negativ bewertete wie seinerzeit Petra Pau auf dem besagten Berliner Landesparteitag. Nicht nachvollziehbar war für uns die Äußerung Katharina Schwabedissens, sie fände die Analysen des Forums demokratischer Sozialismus gut, aber nicht dessen Schlußfolgerungen. In ihren Analysen attestierten die FdS-Protagonisten Stefan Liebich und Gerry Woop dem Kapitalismus "potentielle Friedensfähigkeit", Klaus Lederer behauptete, der Programmentwurf male vom Kapitalismus eine "Horrorwelt", die in Wirklichkeit so nicht existiere. Wir teilen diese Einschätzungen des FdS nicht.

Irritiert hat uns ebenso die Mitteilung, daß eine vom Landesvorstand beauftragte Kommission ein längeres Papier verfassen wird, welches ganze Kapitel des aktuellen Programmentwurfes ersetzen solle oder möglicherweise sogar als Alternative zum Programmentwurf gedacht sei. Wir sehen die Gefahr, daß der Programmentwurf dadurch zerrieben werden würde. Genau dies wollen wir nicht.

Wir, Sprecherinnen und Sprecher der KPF NRW, möchten daher von Euch gern erfahren: Welche Veränderungen hat es seit den grundsätzlich positiven Stellungnahmen zum Programmentwurf des letzten Jahres gegeben, die Eurer Auffassung nach eine grundlegend andere Herangehensweise in der Programmdebatte begründen? Haben die Stellungnahmen der AKL des letzten Jahres noch ihre Gültigkeit?

Mit herzlichen und solidarischen Grüßen, LandessprecherInnenrat KPF NRW