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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Wir werden das Vermächtnis unserer ermordeten antifaschistischen Widerstandskämpfer erfüllen

Otto Grotewohl am 21. April 1946

Aus der Begrüßungsansprache auf dem Vereinigungsparteitag der KPD und der SPD

Als wir beide eben auf diese Bühne kamen, wurde mir die symbolische Bedeutung dieses Aktes klar: Wilhelm Pieck kam von links, und ich kam von rechts ... Und als wir uns unsere Hände reichten, wußte ich, daß dieser symbolische Akt an Bedeutung noch gewann, weil ich das Gefühl hatte, wir reichten uns die Hände über Gräber hinweg. Wir erfüllen das Ver­mächtnis unserer Toten.

Leiden und Schrecken der Gestapohöllen, Zuchthäuser, Gefängnisse und Konzentrations­lager, Prügelböcke, Gaskammern, Krematorien, Galgen und Schafotte stehen unter unse­rem Händedruck. Wir alle, die wir in den Konzentrationslagern, Gefängnissen und Zucht­häusern den Tag der Freiheit ersehnten, wußten, daß dieser Tag kommen mußte. Ungebro­chen haben wir 3, 5, 8, 10 und 12 Jahre ausgehalten, weil der Glaube an den Sieg unserer Sache unerschütterlich war. Leider haben viele unserer Besten diesen herrlichen Tag, für den sie gelebt und gestritten haben, für den sie gestorben sind, nicht mehr miterleben können. Wir gedenken ihrer heute. Wir gedenken der Hunderttausende namenloser Opfer, der vielen einfachen Kämpfer, deren Namen in kein Buch der Geschichte eingetragen wird, deren großes Opfer für ihre Sache, für ihr Ideal, für die Freiheit, für das Volk aber den glei­chen Klang und die Bedeutung hat wie die Namen derer, die sich aus diesem Kreis der Hunderttausende von Opfern herausheben, weil sie uns allen ganz nahe standen … Alles Namen, die bei uns Klang haben, Namen, an die sich tiefe und lange Kampfgemeinschaf­ten und Freundschaften anknüpfen.

Hier ist heute eine große Anzahl Opfer versammelt, die lebend der Hölle der nazistischen »Volksgemeinschaft« entrinnen konnten. Aber an die 20 Millionen haben in den zahlreichen Konzentrationslagern, Gefängnissen und Zuchthäusern, in den verschwiegenen Wäldern, in den Kellern der Gestapo, auf Transporten, bei den Monate dauernden Verhören, bei den unsäglichen Mißhandlungen unter den Händen der SS-Henkersknechte und Gestapo ihr Leben lassen müssen. Und doch konnten alle diese Verfolgungen, Opfer und Qualen die antifaschistischen Kämpfer in den Lagern und Zuchthäusern nicht entmutigen. Sie schlos­sen sich enger zusammen und nahmen ihre Kenntnis der Konzentrationslager mit in das politische Leben, in die fließende Gegenwart und in die zukunftsreichen und arbeitsreichen Tage, die vor uns liegen, hinüber. Wir gedenken in Ehrfurcht der Toten, und wir versichern, daß wir ihr Vermächtnis, die Einheit, verwirklichen werden, auch über den Rahmen rau­schender Feste hinaus, wenn es um stille, emsige und ernste Arbeit geht. Da erst gewinnt der Gedanke der Einheit seinen Sinn und seine tiefe Bedeutung. Ich danke Ihnen allen, die Sie sich zu Ehren unserer toten Helden erhoben haben. Protokoll des Vereinigungsparteitages der SPD und der KPD, Berlin (1946), S. 12-14.

Vor 125 Jahren wurde Otto Grotewohl geboren

»Ein Staat ist neu zu bauen. Soviel bedeutet der Brückenabbruch 1945 gegenüber der Vergangenheit, soviel bedeutet Antifaschismus ...« (Otto Grotewohl am 14. September 1945)

Otto Grotewohl wurde am 11. März 1894 in Braunschweig geboren. Der Sohn eines Arbei­ters besuchte die Volksschule und erlernte den Beruf des Buchdruckers. 1908 schloss er sich der sozialistischen Arbeiterjugend an. 1912 wurde er Mitglied der Sozialdemokra­tischen Partei und des Verbandes Deutscher Buchdrucker. Er war einer der  Organisatoren von Antikriegsdemonstrationen in Braunschweig und wandte sich gegen die »Burgfriedens­politik« und den imperialistischen Krieg. Nach seinem Militärdienst wurde er in der Novem­berrevolution Vorsitzender eines Arbeiter-und-Soldaten-Rates und beteiligte sich an den bewaffneten Kämpfen gegen die konterrevolutionären Freikorps unter Generalmajor Maer­cker. 1918 wurde er Mitglied der USPD. In der Weimarer Republik kehrte er zur SPD zu­rück und war Minister für Justiz in Braunschweig. Von 1925 bis 1933 gehörte er dem Reichstag an. In der Zeit des Faschismus beteiligte er sich am antifaschistischen Wider­stand und verbrachte mehrere Monate in faschistischer Haft. Nach der Befreiung des deut­schen Volkes vom Faschismus beteiligte sich Grotewohl ohne zu zögern an der antifaschis­tisch-demokratischen Umwälzung. Er wurde zum Vorsitzenden des Zentralausschusses der SPD gewählt und unterzeichnete das Aktionsabkommen des Zentralkomitees der KPD und des Zentralausschusses der SPD im Juni 1945. Er war maßgeblich an der Vereinigung von KPD und SPD zur SED beteiligt und mit Wilhelm Pieck von 1946 bis 1954 Vorsitzender der SED. Am 12. Oktober 1949 wurde er der erste Ministerpräsident der DDR. In seinem Regierungsprogramm begründete er die Bildung der DDR, als notwendige staatliche Kraft im Kampf um die Wiedervereinigung Deutschlands, den demokratischen Neuaufbau und für den Frieden auf Grundlage des von den Alliierten beschlossenen Potsdamer Abkom­mens. In den folgenden Jahren wirkte er führend am Aufbau des neuen Staates mit. Otto Grotewohl starb am 21. September 1964. Er wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten beigesetzt.