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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Wir müssen uns entscheiden!

Margit Glasow, Land Mecklenburg-Vorpommern, Mitglied im Parteivorstand

 

Die eine oder der andere wird sich vielleicht noch an den Antikriegsfilm »Coming Home« aus dem Jahre 1978 erinnern. In der Hauptrolle Jane Fonda, die Sally Hyde spielt, eine Frau, die sich in den von Jon Voight dargestellten Vietnam-Kriegsveteranen Luke Martin verliebt. Vor ein paar Tagen habe ich mir diesen Film erneut angesehen: Seine Aktualität ist ungebrochen. Luke, der für die Vereinigten Staaten Heldentaten vollbringen wollte – aus verschwommenen patriotischen Gefühlen heraus. Der für sein Land kämpfen und töten wollte. Er hat getötet – für sein Land oder wofür auch immer. Er sah einen Haufen Leichen. Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein Mensch unter der eigenen Hand stirbt oder der beste Freund in die Luft fliegt. Ein Scheiß-Gefühl, wie er bekennt, mit dem weiterzuleben verdammt schwer ist. Er hat dafür bezahlt, er ist vom Bauchnabel abwärts gelähmt und wird sein Leben lang im Rollstuhl sitzen. Aber er will sich nicht bemitleiden. Er will, dass andere begreifen, bevor es zu spät ist. Deshalb fordert er am Ende des Films andere junge Menschen auf: »Ihr müsst euch entscheiden!«

Folgen von Kriegen weltweit

Kriege – ob zwischen Russland und der Ukraine, in Gaza oder anderswo – fordern jeden Tag unzählige Tote: junge Soldaten, Zivilisten, Kinder. Verletzte, die bis an ihr Lebensende mit den Folgen von Kriegen werden leben müssen – nicht gerechnet all diejenigen, die mit den seelischen Verletzungen zu kämpfen haben. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) schätzt zudem, dass Ende 2023 die Zahl der Geflüchteten und Vertriebenen weltweit auf mehr als 117,3 Millionen Menschen angestiegen ist (Ende 2022 waren es 108,4 Millionen). Von den dramatischen klimatischen Konsequenzen von Kriegen gar nicht erst zu reden.

Wenn wir jetzt hören, dass darüber entschieden werden soll,der Ukraine den Einsatz weitreichender Raketen und Marschflugkörper gegen Ziele im Inneren Russlands zu erlauben, und Putin nachdrücklich davor warnt, dann sollten wir das sehr ernst nehmen. Wäre das möglicherweise der Beginn einer globalen Katastrophe?

Ungebremste Profite

Doch darum geht es nicht. Es geht nicht um das unendliche Leid, das diese Kriege hervorbringt. Es geht nicht um die toten und verletzten Soldaten. Es geht nicht um die toten und verletzten Zivilistinnen und Zivilisten. Es geht nicht um die Frauen, um die Kinder, für die sich das Leben für immer verändert. Nein, darum geht es nicht. Sie alle sind lediglich Kanonenfutter für diejenigen, für die diese Kriege willkommene Feldzüge zur Durchsetzung ihrer imperialen Interessen, ihrer Profitgier sind. So hat der Rüstungskonzern Rheinmetall im vergangenen Jahr so viel Gewinn gemacht wie nie zuvor und stieg (vor Steuern und Zinsen) um 19 Prozent auf 918 Millionen Euro. Auch der Auftragsbestand erreichte einen neuen Höchstwert und wuchs um 44 Prozent auf 38,3 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr peilt Rheinmetall einen Umsatz von zehn Milliarden Euro an.

Und die Ampel-Regierung steht fest an der Seite derjenigen, die am Krieg gewinnen. Deutschland hat der NATO für das laufende Jahr geschätzte Verteidigungsausgaben von 90,6 Milliarden Euro gemeldet. Das ist eine Steigerung zum Vorjahr um 1,83 Milliarden Euro. Darüber hinaus erleben wir derzeit eine Kriegspropaganda, dass einem angst und bange werden kann. Da sollte man meinen, dass alle friedliebenden Menschen nur ein Ziel kennen und vereint gegen Militarismus und Krieg kämpfen. Und dass dieses Ziel auch DIE LINKE – ausgehend von ihren internationalistischen Positionen – wieder zusammenschweißt und ihre ideologische Zersplitterung überwindet. Doch trotz der wachsenden Gefahr einer globalen kriegerischen Auseinandersetzung gelingt es uns nicht, zusammenzufinden und uns auf einen Kompass zu einigen.

Es ist schwer zu ertragen, dass von dem einen oder anderen Genossen sogar in Erwägung gezogen wird, Waffenlieferungen könnten zur Erlangung des Friedens beitragen. Es ist schwer zu verstehen, dass es manchem Zeitgenossen schwerfällt, die hegemonialen Interessen der NATO richtig einzuordnen. Es ist schwer zu begreifen, wie wenig Bereitschaft es gibt, sich mit den historischen Fakten auseinanderzusetzen, um eine fundierte Analyse vorzunehmen und dann in der Argumentation unseren Klassenstandpunkt konsequent vertreten zu können. Um jene zu erreichen, für die wir auf Grundlage unserer friedenspolitischen Ziele kämpfen.

Kultivierung von Einzelinteressen

Woran liegt das? Der Kapitalismus spaltet die Menschen in verschiedene Gruppen: Er spaltet sie in Männer und Frauen, in Angehörige einer Ober-, einer Mittel- und einer Unterschicht. Er spaltet sie in Alte und Junge, in Gesunde und Behinderte, in Hetero-, Homo-, Trans- und Intersexuelle, in Deutsche, Migranten und Flüchtlinge, in Gläubige und Ungläubige. Vor allem spaltet er die Menschen in Verlierer und Gewinner. Er entsolidarisiert sie. Mehr als 14 Millionen Menschen leben in Deutschland in Armut und werden aus vielen Lebensbereichen zugunsten der Eliten ausgeschlossen. Diese Armut und die damit verbundene Perspektivlosigkeit werden benutzt, um Menschen gegeneinander auszuspielen und Angst, Existenzangst, vor einer weiteren Verschlechterung ihrer Lebenssituation zu schüren. Das beste Beispiel dafür ist die aktuelle Flüchtlings- und Migrationsdebatte.

Doch statt die Klassenzugehörigkeit zu bestimmen, schaut heute jeder nur noch auf seine Identität. Statt sich zu verbinden, um etwas für alle zu erreichen, lassen sich die so genannten Verlierer in lauter irrelevante, rivalisierende oder gar verfeindete Untergruppen auseinanderdividieren. Statt gemeinsam politische und ökonomische Ziele zu definieren und zu vertreten, kultivieren sie ihre Identität. Aus meiner Sicht sitzen wir hier einer neoliberalen Manipulation auf, die versucht zu verschleiern, dass wir alle zu den Verlierern gehören, zur Klasse derjenigen, die kein Eigentum an Produktionsmitteln haben.

Und diese zunehmende Individualisierung, die unter dem Schlagwort »Selbstbestimmung« verkauft wird, geht auch an unserer Partei nicht vorbei. Auch bei uns geht es oft um Einzelinteressen, um persönliche Vorteile, um Posten, um Meinungshoheit. Die damit verbundene Enttäuschung und Resignation vieler Genossen führen zu Vereinzelung, Rückzug oder zur Bildung von Gesprächskreisen und Gruppierungen, in denen debattiert und lamentiert wird. Anstatt zu unterstützen, dass die verschiedenen Gruppen nur noch ihre eigenen Forderungen bevorzugt behandelt oder wertgeschätzt sehen wollen, müssen wir unser Ziel im Auge behalten: eine gerechtere, eine friedliche Gesellschaft für alle zu erkämpfen. In der Realität, auf der Straße. Mit Worten, denen Taten folgen.

Rosa Luxemburg betonte: Regierungsbeteiligung – und ich würde ergänzen: das Liebäugeln mit der Macht, mit lukrativen Posten – macht Kritik an der Regierung und damit Aufklärung der Massen unmöglich und führt dazu, dass Kompromisse um jeden Preis gemacht werden. Das aber liefert uns als Linke an die bürgerliche Mehrheit aus und schwächt unsere außerparlamentarische Kraft, so dass nicht etwa mehr, sondern viel weniger erreicht wird. Wir als LINKE – so meine Überzeugung – haben eine besondere Verantwortung. Dafür, dass unsere Söhne und Enkelsöhne nicht in den Krieg ziehen müssen. Dafür, dass sie sich richtig entscheiden.

Sozialismus oder Barbarei!