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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Max Reimann – eine unvergessene historische Persönlichkeit

Heinz Stehr, Elmshorn

 

Max Reimann, geboren am 31. Oktober 1898 in Elbing, gestorben am 18. Januar 1977 in Düsseldorf, zu würdigen, ist gerade angesichts aktueller politischer Entwicklungen notwendig und politisch unabdingbar. Max verkörpert die Generation von Kommunistinnen und Kommunisten, die gegen den Faschismus kämpften, verfolgt, gedemütigt und erniedrigt wurden, wieder aufstanden und weiter für die gerechte Sache des Sozialismus stritten.

Er steht mit seiner Biografie für die Stärke der kommunistischen Bewegung in der Zeit vor dem Faschismus. Und später, nach der Machtübertragung auf Hitler, für den organisierten heldenhaften antifaschistischen Kampf der KPD gegen Faschismus und Krieg.

Aber auch für den Wiederaufbau nach 1945 und den Kampf gegen die Remilitarisierung, das Wiederentstehen der alten und neuen gesellschaftspolitischen Strukturen, oft durch belastete Nazis geprägt. Sie und neue antikommunistische Reaktionäre gestalteten die geschichtsvergessene Restauration des Kapitalismus. Deutschland wurde gespalten und nach der Wiederbewaffnung in der BRD zum Bollwerk gegen den Sozialismus ausgebaut.

Der Widerstand dagegen wurde kriminalisiert und verfolgt. Die KPD wurde im August 1956, nach dem FDJ-Verbot 1951, verboten. Die Kämpfer gegen den Faschismus wurden erneut als Vaterlandsverräter tituliert, verfolgt und eingesperrt. Max Reimann und Tausende seiner Genossinnen und Genossen standen mit ihren Verfolgungserfahrungen dieser Zeit für dieses brutale Vorgehen der reaktionären kapitalistischen Macht der BRD im Bündnis mit den Westmächten.

Der ehemalige Sachsenhausenhäftling Max Reimann musste in die sozialistische DDR fliehen, um nicht erneut verurteilt zu werden. Oft verurteilten NS-Richter erneut Kommunistinnen und Kommunisten.

Max Reimann ist einer der Väter des Grundgesetzes der BRD, gegen das er stimmen musste, weil er mit der Beschlussfassung dieses Grundgesetzes der Spaltung Deutschlands zugestimmt hätte. Die KPD kämpfte für die Wiedervereinigung Deutschlands. Unvergessen bleibt seine Vorhersage, dass die Kommunistinnen und Kommunisten der KPD diejenigen sein würden, die dieses Grundgesetz verteidigen werden gegen jene, die es beständig aushöhlen und verwässern werden. Das sollte sich schon bald als Realität erweisen.

Das waren Worte eines Antifaschisten, der seine Gegner gut kannte, der wusste, wozu Vertreter reaktionärer Politik und Faschisten fähig waren, auch wenn sie 1949 oft in einem anderen Outfit als Mitglieder anderer Parteien und in neuen Machtfunktionen auftraten. Unter den selbsterklärten Demokraten jener Zeit verbargen sich auch Mörder und Verbrecher des NS-Regimes!

Max Reimann konnte erst zum 50. Jahrestag der Gründung der KPD, nach der Verjährung des gegen ihn laufenden Haftbefehls, 1968 in Düsseldorf wieder auftreten. Er verwies im Rahmen einer Pressekonferenz auf den neuen Programmentwurf der KPD und forderte die Aufhebung des KPD-Verbots. In dieser Zeit gab es erste öffentliche Auftritte der DKP in Vorbereitung auf die Neukonstituierung einer legalen kommunistischen Partei in der BR Deutschland.

Heute ist es bei Kenntnis der historischen Situation und der Entwicklung des internationalen Kräfteverhältnisses jener Zeit gut nachvollziehbar, dass die Entscheidung zur Konstituierung der DKP einen auch widersprüchlichen politischen Dialog erforderte. Einerseits war es unabdingbar, 1968 in dieser Aufbruchsituation legal zu wirken, und andererseits blieb die Forderung nach Aufhebung des Verbots unabdingbare Voraussetzung, um die Kriminalisierung kommunistischer Politik zu bekämpfen.

Begegnungen

Meine »erste Begegnung« mit Max Reimann war virtueller Art. Als ich im Juni 1962 Mitglied der KPD wurde, hörte ich nach einer Begrüßung des legendären Toni Petersen, ehemals Betriebsratsvorsitzender der Werft Howaldtswerke Hamburg, eine Schallplatte mit einer Rede von Max Reimann, der mich wie andere neue Mitglieder in der KPD begrüßte. Diese Platte besitze ich noch heute, sie war mir genauso wichtig wie das Buch »50 Jahre Arbeiterjugendbewegung«, das mein Parteiausweis wurde. Max, wie er genannt wurde, hatte mit seiner knarzigen Stimme dazu aufgefordert, den Kampf der älteren Generation weiterzuführen. Ein großartiges, nie vergessenes Erlebnis für mich! Im Juni 2022 werden es 60 Jahre sein.

Später lernte ich Max auch persönlich kennen. Er kam auf Einladung der DKP Schleswig-Holstein zu einer Ostsee-Angeltour in den Club M(arx) der DKP. Er galt als leidenschaftlicher Angler, und ich nutzte die Gelegenheit, zumindest im Club die Nähe dieses großartigen Kommunisten live zu erleben.

1975 war er Gast auf dem UZ-Pressefest. In meiner Fotosammlung sitzt er zwischen Gladys Marín aus Chile und dem legendären Spanienkämpfer Ernst Buschmann. Noch mehr erfuhr ich über ihn, als ich wenige Jahre in Solingen wohnte. Hier war sein Wahlkreis, in dem er von der dortigen Arbeiterschaft mit unterstützt wurde.

Max Reimann ist eine historische Persönlichkeit. Der tief verwurzelte Antikommunismus verhinderte eine ihm angemessene Würdigung in der BRD. In der kommunistischen Weltbewegung genoss er hohes Ansehen und Wertschätzung.

Für mich war er der Parteivorsitzende meiner Partei, der KPD. Er trug Verantwortung in der Zeit des Kalten Krieges und des Verbots der KPD und zur Öffnung eines Weges zur notwendigen legalen Tätigkeit der DKP. Der letzte Programmentwurf der KPD von 1968 zeigte politische Reife, aber auch die Fähigkeit zur Weiterentwicklung von Zukunftsvorstellungen und auch zur Selbstkritik. Dieses Dokument der deutschen kommunistischen Arbeiterbewegung ist auch heute lesenswert.

Heinz Stehr war von 1990 bis 2010 Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei.

 

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