Wir erinnern
Prof. Dr. Heinz Karl, Berlin, zum Tod von Hans Hautmann (22. August 1943 – 3. Juli 2018)
Am 3. Juli d. J. verstarb in Wien unser Autor [1], der österreichische kommunistische Historiker Prof. Dr. Hans Hautmann. Sein Wiener Berufskollege und Genosse Dr. Winfried Garscha konstatiert in seinem sehr lesenswerten Nachruf treffend: »Die Geschichtsschreibung der österreichischen Arbeiterbewegung aus kommunistischer Sicht verliert mit ihm ihren wichtigsten Vertreter.« [2] Aber es ist für uns alle ein außerordentlich schwerer, schmerzlicher Verlust, denn seine enorme Produktivität, das hohe wissenschaftliche Niveau seiner Publikationen und Vorträge und deren den realen Problemen der Zeit zugewandte Thematik sind von großem wissenschaftlichen und politischen Gewicht und von internationaler Bedeutung.
In Hans Hautmann vereinigten sich der marxistische Wissenschaftler und der kommunistische Kämpfer für eine neue, menschenwürdige Gesellschaft. Er wuchs in einer Wiener kommunistischen Arbeiterfamilie auf. Sein Vater war 1945 der erste antifaschistische Polizeichef Wiens. Er selbst war von Jugend an mit der KPÖ und der ihr nahen Jugendbewegung verbunden.
Bereits seine Habilitationsschrift »Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918 – 1924« (Wien/Zürich 1987) wurde zu einem international beachteten Standardwerk und eröffnete ihm eine akademische Laufbahn. Von 1996 bis 2005 leitete er das Zeitgeschichtliche Institut der Universität Linz; 1997 wurde ihm der Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen.
Die schwere Niederlage des europäischen Frühsozialismus konnte ihn nicht entmutigen – im Gegenteil. Noch stärker setzte er sich mit Antikommunismus, Chauvinismus und Militarismus auseinander, wandte er sich Themen von besonderer aktueller Bedeutung zu wie der Parlaments- und Kommunalpolitik, der Gewerkschafts- und Sozialpolitik oder dem Polizeiwesen. Seine sehr gründlichen Analysen enthalten eine Fülle von Anregungen für gegenwärtige und künftige politische Aktivitäten und nicht wenige Warnungen vor der Wiederholung begangener Fehler. Sehr beachtenswert ist seine Sicht auf die Dialektik von ökonomischen und politischen Kämpfen sowie von internationalen und nationalen Entwicklungen.
Kennzeichnend für sein verstärktes geschichtspolitisches Engagement war seine Rolle als einer der Initiatoren der Gründung der Alfred Klahr Gesellschaft 1993, er war ihr Präsident von 1993 bis 2005 und seitdem ständiges Vorstandsmitglied. In der KPÖ fühlte er sich vor allem der KPÖ Steiermark fest verbunden, wie überhaupt alle progressiven, antifaschistischen Kräfte seine Unterstützung genossen. Hervorzuheben ist auch sein großes Interesse am Zusammenwirken mit deutschen marxistischen und antifaschistischen Historikern, was sich auch in einem ständigen engen, freundschaftlichen Kontakt mit dem Marxistischen Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der Partei DIE LINKE ausdrückte.
Für uns deutsche Marxisten wird der kommunistische Historiker Hans Hautmann immer Vorbild sein. Da wir nicht mehr mit ihm reden und diskutieren können, sollten wir ihn noch gründlicher lesen. Jedem besonders empfohlen seien:
- »Von der Permanenz des Klassenkampfes und den Schurkereien der Mächtigen« (Wien, Alfred Klahr Gesellschaft, 2013),
- »Marx & Engels Handbuch. Ein Vademekum über ihr Leben & Werk« (Wien, Globus-Verlag, 2018) und
- »Der erste Weltkrieg und das Entstehen der revolutionären Linken in Österreich« (Eine kommentierte Dokumentation. Wien, 2014).
Heinz Karl
Anmerkungen:
[1] In den KPF-Mitteilungen: Der 12. Februar 1934 in Österreich, Heft 2/2014, S. 22-26. – Und: Marschall Tolbuchin und die Befreiung Wiens 1945. Kurzer Auszug aus den Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft vom März 2015, Heft 5/2015 der KPF-Mitteilungen, Rücktitel.
[2] W. Garscha: Die große Ausnahme. Zum Tod des kommunistischen Historikers Hans Hautmann (1943-2018). In: junge Welt, 16. Juli 2018, S. 10.
Mehr von Heinz Karl in den »Mitteilungen«:
2017-06: Zum 160. Geburtstag Clara Zetkins am 5. Juli 2017
2017-06: Antifaschistische Aktion 1932 und heute
2017-04: Vor 100 Jahren: Gründung der USPD