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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Wider die Profiteure aus Krieg, Rüstung, Sicherheitswahn ...

Diskussionsbeitrag von Ellen Brombacher auf der 1. Tagung der 15. Bundeskonferenz der Kommunistischen Plattform

 

Liebe Genossinnen und Genossen, der Bundessprecherrat hat im Ergebnis einer Podiumsdiskussion am 16. März 2010 zwischen Stefan Liebich und mir einen Euch vorliegenden Beschlußantrag an die heutige Bundeskonferenz eingebracht, dem zuzustimmen ich Euch bitten möchte. Der seit dem 20. März vorliegende Programmentwurf ist, die friedenspolitischen Grundsätze der LINKEN betreffend, hinlänglich eindeutig. Dies ist jedoch kein Grund, sich zurückzulegen. Wir können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß gerade um die friedenspolitischen Aussagen des zukünftigen Programms ein prinzipieller Streit entbrennen wird. Daher bleiben die im Rahmen der Podiumsdebatte erneut deutlich gewordenen Kontroversen unvermindert wesentlich.

An der Veranstaltung in der LINKEN-Geschäftsstelle Tempelhof-Schöneberg nahmen 70 Genossinnen und Genossen teil, 17 beteiligten sich an der Diskussion, die ca. zwei und eine halbe Stunde dauerte und im wesentlichen in einer sachlichen Atmosphäre verlief. Die Mehrheit der Diskussionsredner vertrat den Standpunkt, daß DIE LINKE bei ihrer Position des prinzipiellen Nein zu robusten Militäreinsätzen, gleich unter welcher Flagge, bleiben müsse. Ich will gar nicht erst den untauglichen Versuch unternehmen, in meinem Diskussionsbeitrag den Veranstaltungsverlauf in Kurzform wiederzugeben. Ich möchte mich auf drei Punkte konzentrieren, die, so stellte es sich in der Veranstaltung dar, in der weiteren programmatischen Debatte eine wesentliche Rolle spielen werden:

1. Wir werden es mit dem Vorschlag zu tun bekommen, uns für die Bildung UN-eigener Truppen bei den Vereinten Nationen einzusetzen. DIE LINKE soll sich somit ein politisches Ziel setzen, das die UN in fünfundsechzig Jahren nicht erreicht hat. Bekanntlich sah die Charta der UN in Kapitel VII, Artikel 43 vor: "(1) Alle Mitglieder der VN verpf1ichten sich, zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dadurch beizutragen, daß sie nach Maßgabe eines oder mehrerer Sonderabkommen dem Sicherheitsrat auf sein Ersuchen Streitkräfte zur Verfügung stellen, Beistand leisten und Erleichterungen einschließlich des Durchmarschrechts gewähren, soweit dies zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich ist. (2) Diese Abkommen haben die Zahl und Art der Streitkräfte, ihren Bereitschaftsgrad, ihren allgemeinen Standort sowie die Art der Erleichterungen und des Beistands vorzusehen. (3) Die Abkommen werden auf Veranlassung des Sicherheitsrates so bald wie möglich im Verhandlungswege ausgearbeitet. Sie werden zwischen dem Sicherheitsrat einerseits und Einzelmitgliedern oder Mitgliedergruppen andererseits geschlossen und von den Unterzeichnerstaaten nach Maßgabe ihres Verfassungsrechts ratifiziert." Nichts davon wurde realisiert. Welche auch nur im entferntesten existierenden Voraussetzungen sollte es ausgerechnet heutzutage geben, ein seit Existenz der UNO unrealisiertes Projekt nunmehr – und dies durch eine knapp 78.000 Mitglieder zählende linke deutsche Partei ­ auf die Tagesordnung des Weltsicherheitsrates zu setzen? Es gibt diese Voraussetzungen nicht. Allerdings würde DIE LINKE, indem sie sich die Realisierung des Artikels 43 aus dem Kapitel VII auf die Fahnen schriebe, eben das in der Partei seit Mitte der neunziger Jahre umstrittene Kapitel akzeptieren, und damit Kampfeinsätze unter der Flagge der UN. Dies wäre, faktisch auf dem Schleichwege, die Abkehr von dem Grundsatz, militärische Gewaltanwendung als Mittel der internationalen Politik strikt abzulehnen. Der Sicherheitsrat der UN würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie etwas vom Vorstoß der LINKEN erfahren, es sei denn als Witz. Erfahren aber würden die Konsumenten wohl aller deutschen Medien, daß den Reformern in der LINKEN nun endlich – nach mehr als anderthalb Jahrzehnten – ein erster Schritt hin zur Anerkennung der außen- und sicherheitspolitischen Räson der BRD gelungen sei. Und zwar völlig unabhängig davon, ob die Reformer diese Interpretation wünschen würden oder nicht. Die Interpretationshoheit läge auch in diesem Falle nicht innerhalb unserer Partei.

2. Wir werden es mit dem Vorschlag zu tun bekommen, anzuregen, bei den Vereinten Nationen eine internationale Polizeieinheit zu bilden. Dieser Vorschlag ist nicht neu. Er stammt, unter Berufung auf den ehemaligen Generalsekretär der UNO Boutros Boutros-Ghali, aus einer Rede, die Gregor Gysi im Oktober 1999 "Zum Verhältnis der PDS und ihrer Bundestagsfraktion zum Einsatz von UN-Truppen" gehalten hat. Er hat diesen Vorschlag in den Jahren danach immer mal wieder gemacht, so auch im ARD-Morgenmagazin am 15. September 2001. Auch im Kontext mit Gregors Vorschlag wäre zunächst einmal auf oben genannten Punkt 1 zu verweisen. Zusätzlich folgende Bemerkungen: Auf Grund einer immer engeren Verflechtung von Militär und Polizei dürfte es schwer fallen, Grenzen zwischen beiden zu ziehen. Das hat nicht zuletzt ein Artikel im ND von Rene Heilig am 12. März 2010 verdeutlicht. Unter der Überschrift "Zurück zum BGS – am Grundgesetz vorbei" informiert Heilig zunächst über Personalmangel bei der Bundespolizei und daraus resultierenden Konsequenzen und schreibt dann: "Natürlich denkt man auch im zuständigen Bundesinnenministerium über das Thema Bundespolizei und Gewalt nach – allerdings örtlich verlagert. Es geht um einen robusteren Einsatz von Polizisten im Ausland. ... Statt Schutzmännern möchte die Regierung in Kabul ... lieber paramilitärische Polizeieinheiten. ... Um ... in Afghanistan – wie in anderen ‚Stabilisierungseinsätzen’ – bestehen zu können, werden intern zwei Optionen durchgespielt. Erstens: Man erweitert die Feldjägereinheiten der Bundeswehr, bringt den Soldaten mehr polizeiliches Handwerk bei. Zweitens: Man modelt Einheiten der Bundespolizei ... zur Gendarmerie um. Damit hätte man, was 1994 abgeschafft wurde – eine Art BGS. Mit dem BGS hatte die alte Bundesrepublik schon einmal das – ob historischer Erfahrungen – ins Grundgesetz geschriebene faktische Trennungsgebot von Militär und Polizei unterlaufen. Ab 1951 war der BGS eine Art Ersatzarmee. Noch ein Dutzend Jahre nach der deutschen Vereinigung war der Grenzschutz militärisch potent. Stehende Polizei-Einheiten, am besten im Umfeld der GSG-9-Elite, militärisch gedrillt und mit schweren Waffen ausgerüstet, warum sollte so eine kleine Grundgesetz-Retusche nicht noch einmal funktionieren?" Soweit Rene Heilig im ND. Sollte wer die Kompetenz des ND in solchen Fragen in Zweifel ziehen, so kann er auch andernorts fündig werden. "Aus Politik und Zeitgeschichte" heißt eine von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebene Publikation. 2005 befaßten sich im Heft 22/2005 verschiedene Autoren mit der Thematik "60 Jahre VN", darunter Dr. jur. Winrich Kühne, seinerzeit Direktor des Zentrums für internationale Friedenseinsätze. In seiner Arbeit "Die Friedenseinsätze der VN" schreibt er: "Insgesamt lassen sich die robusten Friedenseinsätze, seien sie exekutiver oder nichtexekutiver Art, als eine Art militarisierte, den Gewaltbedingungen in zerfallenden Staaten gerecht werdende internationale Polizeieinsätze charakterisieren. Diese Charakterisierung steht im Einklang mit der Erkenntnis, daß im Zentrum der Problematik von zerfallenden oder fehlgeschlagenen Staaten ein extremer Verlust von öffentlicher Sicherheit und Ordnung steht. Diese müssen zumindest ansatzweise wiederhergestellt werden, bevor die zweite strategische Aufgabe moderner Friedenseinsätze in Angriff genommen werden kann – das Peacebuilding." Es ist offensichtlich: Das vergleichsweise harmlos klingende Thema Polizeieinsätze betrifft "robuste Friedenseinsätze" paramilitärischer Polizeiformationen. Womit wir wieder beim Thema "Beschlüsse des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Charta der VN" wären.

3. Die in meinem auf der Veranstaltung vorgetragenen Statement getroffene Feststellung, "Wenn es denn irgend wann den Einzelfall gäbe, könnte man über ihn gesondert beschließen. Dafür muß man das Prinzip nicht ändern" wurde zunächst einmal von einigen Veranstaltungsteilnehmern mißverstanden. Sie werteten diese Äußerung als Zustimmung zum Prinzip der Einzelfallprüfung, die ja bekanntlich auf dem Münsteraner Parteitag abgelehnt worden war. Um auch in Zukunft jedes gleich- oder ähnlichgelagerte Mißverständnis auszuschließen: Die Vorstandsmehrheit wollte mit ihrem Antrag in Münster einen Beschluß darüber erwirken, daß Beschlüsse des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der UN-Charta in jedem einzelnen Falle dahingehend geprüft werden, ob die Partei einem solchen Beschluß zustimmend oder ablehnend gegenübersteht. Das hätte der Installierung eines generellen Prüfungsvorbehaltes entsprochen. Wer allerdings einem solchen Prüfungsvorbehalt den Rang eines Beschlusses geben will, hebt faktisch den Grundsatz auf, Gewaltanwendung als Mittel der internationalen Politik strikt abzulehnen. Der Prüfungsvorbehalt impliziert, Militäreinsätze als ultima ratio zu akzeptieren. Wenn sich allerdings, was beim existierenden Kräfteverhältnis unwahrscheinlich, aber doch nicht apriori völlig auszuschließen ist, eine Situation ergäbe, welche die Prüfung unserer Position zu einem Militäreinsatz unumgänglich machte, so könnte eine solche durch einen Sonderparteitag erfolgen. Es handelte sich um eine konkrete Ausnahme von der Regel und nicht um die Infragestellung der Regel durch einen Prüfungsvorbehalt.

Liebe Genossinnen und Genossen, natürlich können wir uns in der bevorstehenden Auseinandersetzung zu diesen Fragen nicht darauf beschränken, Versuche zurückzuweisen, Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta in irgendeiner Weise Platz im Programm einzuräumen. Zugleich müssen wir unseren Ansprüchen und Forderungen offensiver Geltung verleihen. Wir meinen, DIE LINKE muß im politischen Alltag Bundestag und Bundesregierung noch bedeutend offensiver unter Druck setzen. Es muß zum Beispiel öffentlich spürbarer entlarvt werden, was es für die Menschenrechte bedeutet, wenn die Bundesrepublik Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist. Es sind hartnäckigere und härtere Forderungen zu erheben, um zumindest bloßzustellen, daß die BRD stillhält, wenn in Verantwortung der USA Gefolterte nicht einmal eine Entschädigung erhalten oder daß die Regierenden in Deutschland zu keinem Zeitpunkt die Forderung erhoben, die für die mörderischen Kriege in Irak und Afghanistan Verantwortlichen zu bestrafen. Die zwei Beispiele mögen genügen. Wenn Michael Brie im ND vom 22. März 2010 es als programmatisch offene Frage bezeichnet, "ob es nicht im Ausnahmefall militärische Interventionen geben kann, die auch durch Linke gefordert werden", sagen wir: Diese Frage ist seit dem Magdeburger Parteitag 1996 immer wieder beantwortet worden. Konzentrieren wir uns lieber auf den Kampf um die Menschenrechte wider die Profiteure aus Krieg, Rüstung, Sicherheitswahn und stetig zügelloser werdender Ausbeutung.

 

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2010-04: Fünf Fragen – fünf Überlegungen

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