Wer will, wer will, wer hat noch nicht? DIE LINKE auf dem Weg zur Regierungspartei?
Matthias Bärwolff, Erfurt
Wer die Äußerungen führender Köpfe der Thüringer LINKEN aus den letzten Monaten nimmt, wird schnell feststellen, daß sich in jeder Hinsicht auf 2009, vor allem aber auf eine zum Greifen nahe Regierungsbeteiligung, vorbereitet wird. Beim jüngsten Landesparteitag in Gotha wurde die Losung, die CDU-Alleinherrschaft sei abzulösen, unter dem Beifall der Delegierten vom Landesvorsitzenden ausgegeben.
Jedoch gibt es, bis auf die verbale und mentale Vorbereitung auf eine Regierungsbeteiligung, nur recht wenig, worauf sich im Fall des Falles zurückgreifen ließe. Es fehlt der Partei eine grundsätzliche Zielrichtung, in die es gehen soll. Was wollen wir in der Gesellschaft erreichen? Steht das Konzept der gestaltenden Opposition noch, oder nehmen wir nun die Mitte fest in den Blick? Steuern wir auf einen zunehmenden Grad der Etabliertheit zu? Ist eine LINKE-Regierung in Thüringen nur ein Wert an sich und kann es nur darum gehen, wer 2009 welches Ministerium besetzen würde?
Wir müssen klären, was wir wollen und ob das Mittel der Regierungsbeteiligung das ist, mit dem diese Ziele erreicht werden können und das möglichst ohne Ideale und grundsätzliche Werte aufzugeben. Denn nur, wenn die grundsätzlichen Fragen in der Basis erörtert und auf Parteitagen entsprechende Positionen verabschiedet werden, läßt sich konkrete linke Politik machen. Angesichts der erdrückenden Sachzwänge, der Milliarden von Schulden, dem schwachen Steueraufkommen und anderer relevanter Größen sind mögliche Spielräume einer linken Regierung im Zweifel doch recht überschaubar.
Gerade vor diesem Hintergrund ist es nicht zu verstehen, wie durch die führenden Genossen hier der gesetzmäßige Lauf der Geschichte in Anschlag gebracht werden kann, wie selbstverständlich über die Regierungsbeteiligung 2009 gesprochen wird und wie wir völlig unvorbereitet in diese gefährliche Situation steuern; dennoch aber kaum inhaltliche Konzepte diskutiert werden. Wo ist die Position zu Arbeit und Grundeinkommen? Was machen wir mit Schulden? Welche Sozialpolitik wollen wir? Wie löst DIE LINKE die ökologische Frage? Wie will DIE LINKE in die Gesellschaft wirken? Welche Anknüpfungspunkte bieten wir als LINKE für außerparlamentarische Initiativen und Bewegungen?
Wenn wir als LINKE auf diese Fragen endlich Antworten haben, dann können wir auch über Mindestforderungen an Regierungsbeteiligungen sprechen und wer es möchte, kann dann auch die SPD zu Koalitionsaussagen nötigen. Aber gerade dieser grundsätzliche Teil der Diskussion fehlt fast völlig in der Partei.
Natürlich ist es hart, eine solche Auseinandersetzung zu führen, aber klar ist auch, daß uns Menschen nicht für hohle Phrasen, sondern für Ideen und konkrete Konzepte wählen. Dabei nimmt die Einbindung in die außerparlamentarische Bewegung eine zentrale Rolle ein. Hier geht es um Netzwerkarbeit, es geht darum, sich mit den G8-Bündnissen weiter zu solidarisieren. Den Opfern von Repression zu helfen und den Bundeswehreinsatz zu skandalisieren, es geht darum, mit den Friedensinitiativen zur großen Afghanistandemo im September nach Berlin zu mobilisieren. Mit kritischen Bewegungen Alternativen zu diskutieren und diese Ideen in DIE LINKE-Programmatik einfließen zu lassen. Wie intensiv hat sich der Landesvorstand mit dem G8-Gipfel befaßt, hat er überhaupt die zentrale Rolle dieses Gipfels für die Neue LINKE zur Kenntnis genommen? Meines Erachtens waren diese G8-Gipfelproteste der Startschuß für die neue LINKE. Hat diese ihn etwa verschlafen? Fast könnte der Eindruck entstehen angesichts der politischen Trägheit, mit der diesbezügliche Anträge in Stadt- und Kreisvorständen behandelt wurden. Immer nach dem Motto: Klar Genosse, wenn Du Dich drum kümmerst, dann können wir das gern machen.
Solche gesellschaftlich relevanten Themen, für die sich viele BürgerInnen interessieren, finden in der LINKEN leider noch kaum Resonanz. Wir müssen im Landesvorstand, in der Partei, in der Landtagsfraktion, in der Basis grundsätzlich diskutieren, unsere Diskussionen öffnen für Ideen von außen, für neue Ansätze von Politik, für alternative Gedanken. Einfach auf einen Ministerposten zu hoffen, hilft wenig bei der konkreten Politik. Nur wer weiß, was er will, kann auch entscheiden, und das muß DIE LINKE tun. Sehr bald sogar.
Der Autor ist jugendpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Thüringer Landtag