Weg mit Atomwaffen und Atomanlagen!
Anja Mewes, Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, mein Name ist Anja Mewes, ich bin Jahrgang 1958. Zum Zeitpunkt meiner Geburt lagen die schrecklichen Ereignisse von Hiroshima und Nagasaki bereits 13 Jahre zurück. Ich habe Kinder und Enkelkinder, und wenn wir heute der Opfer von Hiroshima und Nagasaki gedenken, dann ist damit mein tiefer Wunsch verknüpft, dass sie niemals solch schreckliche Ereignisse erleben mögen.
Lassen Sie mich einen Gedanken von Albert Schweitzer formulieren, der schrieb: "Regeln über Friedensschlüsse, mögen sie noch so gut gemeint und noch so gut formuliert sein, vermögen nichts. Nur das Denken, das die Gesinnung der Ehrfurcht vor dem Leben zur Macht bringt, ist fähig, den ewigen Frieden herbeizuführen."
Unsere Vorstellungskraft versagt, wenn es um Atomwaffen geht, und sie versagt noch viel mehr, wenn wir an das tausendfache Leid denken, das durch die Atomwaffen ausgelöst wurde. Die meisten Menschen bemerken es nicht einmal, die jüngeren Menschen haben davor keine Angst, die Älteren von uns glauben, dass wir genug abgerüstet haben. Und wiederum andere lassen diese Ereignisse gar nicht erst an sich herankommen, weil, es ist ja alles so weit weg und liegt alles so weit zurück. Aber bald wird auch die Zeit heran sein, wo kein Überlebender jener Zeit mehr da sein wird, der aus eigenem Erleben über diese zerstörerischen Ereignisse berichten könnte. Erst vor wenigen Monaten haben wir Abschied genommen von Herrn Prof. Sotobayashi, einem Überlebenden des Atombombenabwurfes auf Hiroshima.
Seit 2006 bin ich Mitglied des Vereins der Friedensglockengesellschaft Berlin e.V. Er hat sich gegründet im Jahr 1999, und ein wesentliches Anliegen unseres Vereins ist es, eben diese geschichtlichen Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und damit alles zu tun, damit sich solch unfassbares Leid, wie das von Hiroshima und Nagasaki, nie wieder wiederholen möge.
Sehr geehrte Damen und Herren, umso wichtiger wird es, mit Veranstaltungen wie der heutigen die Erinnerung wachzuhalten und gemeinsam an einer Zukunft ohne Atomwaffen und Atomenergie zu arbeiten. Nicht zuletzt machten uns die Ereignisse in Tschernobyl und Fukushima das in aller Deutlichkeit sichtbar.
In all diesen Fällen ist die zerstörerische Kraft des Atoms auf sehr unterschiedliche Weise zum Tragen gekommen. Und mit Fug und Recht kann man sagen, dass seit Hiroshima und Nagasaki, aber auch seit Tschernobyl und Fukushima unsere Menschheit mit mehr Glück als Verstand an einem atomaren Inferno vorbeigeschrammt ist.
Deshalb treten wir nicht zuletzt für einen schnellen Ausbau erneuerbarer Energien ein. Diesem Ziel steht aber eine riesige Atomlobby entgegen. Es macht mich wütend, wenn ich in der Süddeutschen Zeitung vom Juni 2012 lese, dass Atomkonzerne vor dem Bundesverfassungsgericht 15 Milliarden Euro Schadensersatz für den Atomausstieg einklagen wollen. Wer fragt aber nach dem Schaden, vor dem jetzige und nachfolgende Generationen durch die weitere Nutzung der Atomkraft stehen. Wer fragt nach den Folgen der Atommülllagerung z. B. in Gorleben und anderswo? Wer fragt nach dem Leid, dass jenen Menschen zugefügt wurde, die bis heute mit den Folgen von Hiroshima, Nagasaki, Tschernobyl und Fukushima fertig werden müssen?
Ich finde, dass in Anbetracht dieser Tatsachen die Schadenersatzforderungen der deutschen Atomwirtschaft an Dreistigkeit kaum zu überbieten sind.
Und es macht mich im Übrigen nicht weniger wütend, wenn aus krimineller Leidenschaft Kupferdiebe das Dach der Friedensglocke schänden und damit einen Ort des Gedenkens mit Füßen treten.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, wir dürfen nicht nachlassen zu betonen: Es gibt keine friedliche Nutzung von Atomkraft. Der Weiterbetrieb der noch am Netz befindlichen Reaktoren und Atomanlagen kann nicht vertretbar sein. Die Ereignisse um Fukushima haben uns allen bewiesen: Atomenergie ist nicht beherrschbar. Darum: Schluss damit! Atomausstieg jetzt!
Aber auch die wachsende Zahl derjenigen Länder, die Atomwaffen besitzen, muss uns mit großer Sorge erfüllen, und wir dürfen in dem Bemühen nicht nachlassen, den weltweiten Kampf um die Ächtung aller Atomwaffen fortzusetzen.
Noch immer werden in Deutschland US-Atomwaffen gelagert und die Gefahr eines Atomkrieges nimmt mit der Weiterentwicklung und Modernisierung atomarer Waffen und der Erhöhung ihrer Einsatzfähigkeit zu.
Wir schließen uns den Gedenkveranstaltungen in vielen Städten an, weil es nicht nur ein Symbol der Trauer und Erinnerung an die Opfer ist, sondern auch eine sichtbare Geste der Mahnung, Erinnerung und der Hoffnung.
Unser Dank gilt an dieser Stelle auch all jenen Vertreterinnen und Vertretern aus Organisationen und Initiativen, Parteien und Fraktionen, die sich in der Friedensarbeit stark und uneigennützig engagieren und deren Vertreterinnen und Vertreter wir ja heute auch als Gäste begrüßen durften. Dieser Einsatz trägt dazu bei, unserem gemeinsamen Wunsch nach Frieden und einer Welt ohne Atomwaffen Ausdruck zu verleihen, aber auch das Vermächtnis von Herrn Prof. Sotobayashi zu bewahren, der in all seinen Auftritten immer wieder betonte: Wir dürfen die Folgen der Atombombe nicht vergessen, sonst wird es sich wiederholen! In diesem Sinne – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede auf der Gedenkveranstaltung am 6. August 2012 im Volkspark Friedrichshain.
Anja Mewes ist Mitglied der Friedensglockengesellschaft Berlin e.V.