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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Was macht eigentlich ... Helmut Holter?

Helmut Holter im "Stern"-Interview (Dokumentation)

Herr Holter, was machen Sie zur Zeit?

 

Ich bin Abgeordneter im mecklenburg-vorpommerschen Landtag, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Leiter eines Arbeitskreises und beschäftige mich fachlich mit Wirtschaftspolitik, Tourismus und Energie.

Leiter eines Arbeitskreises … Was man halt so macht als ehemalige Zukunftshoffnung.

Wieso ehemalige? Man soll die Hoffnung nie aufgeben.

Als früherer PDS-Pionier sind Sie in der neuen Linken doch völlig abgemeldet.

Ich habe mich nicht abgemeldet, und ich fühle mich auch nicht abgemeldet. Aber insgesamt hat die Partei natürlich eine Entwicklung genommen, die die öffentliche Wahrnehmung stärker auf den Westen Deutschlands lenkt.

Übersetzt: auf Oskar Lafontaine.

Wichtig ist, daß die Partei überhaupt wahrgenommen wird.

Sie waren der Erste, der die PDS in Regierungsverantwortung geführt hat.

Das ist eine historische Tatsache. Und darum bin ich heute natürlich auch ein Gesprächspartner in der Frage, wie die Linke es mit der SPD halten sollte: opponieren, tolerieren, regieren? Da sind meine Erfahrung und mein Rat gefragt.

Und der wäre? Was muß die Linke tun, um an die Regierung zu kommen?

Die Linke muß nachvollziehen, was die PDS schon hinter sich hat: Sie muß sich glaubhaft und eindeutig zu ihrer Geschichte positionieren und das, was das SED-Regime ausgemacht hat, klar verurteilen: Terror, Mord, Repression. Zweitens muß sich die Linke zur Gesellschaft öffnen und mehr um deren Mitte kümmern. Sie muß ihre sozialpolitischen Forderungen mit wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenz unterfüttern. Umverteilung allein reicht nicht – es kann nur verteilt werden, was erwirtschaftet wurde.

Sie machen hier ja den Clement! Hat Lafontaine schon den Parteiausschluß eingeleitet?

Es gab schon früher Anträge. Die wurden abgelehnt. Oskar war nicht beteiligt.

War an der Agenda 2010 alles schlecht?

Nein. Gerhard Schröder hatte den Mut, Reformen einzuleiten und den Reformstau aufzulösen – leider auf dem Rücken der Menschen. Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe war ein völlig richtiger Schritt. Daß sich der Staat mit der Agenda 2010 zunehmend aus der Verantwortung zieht, halte ich für einen Fehler.

Ihre Partei sagt: Hartz IV muß weg.

Das reicht nicht. Sie muß sagen: Was soll statt dessen kommen?

Die einzige Regierungsbeteiligung der Linken in Berlin wird von der Bundespartei massiv kritisiert.

Ich halte das für falsch und sehe es mit Sorge. Es wird nicht anerkannt, was die Genossen dort leisten. Vielleicht ist der Vorbehalt gegen die Regierungsbeteiligung so groß, daß man sich mit Sachfragen kaum befaßt. Diese Gefahr muß auch die Linke in Hessen auf ihrem Parteitag am Wochenende bedenken.

Gesine Schwan wirbt um die Stimmen der Linken in der Bundesversammlung. Sie unterscheidet zwischen den Realisten und den Populisten in Ihrer Partei …

Wir sind nur als Ganzes zu haben. Ich glaube aber, die Linke sollte den Pragmatismus stärker betonen und sich intensiver um konkrete Verbesserungen für die Menschen kümmern, statt sich um die reine Lehre zu sorgen.

Werden Sie Gesine Schwan im dritten Wahlgang zur Bundespräsidentin wählen?

Ja.

Zur Person: Helmut Holter, 1953 im mecklenburgischen Ludwigslust geboren, studierte an der Bauingenieurhochschule in Moskau und absolvierte ein zweijähriges Studium des Marxismus-Leninismus an der dortigen Parteihochschule. Nach der Wende wurde der ehemalige SED-Funktionär 1991 Landesvorsitzender der PDS in Mecklenburg-Vorpommern. Von 1998 bis 2006 war er Minister für Arbeit und Bau und stellvertretender Ministerpräsident der ersten rot-roten Koalition Deutschlands. Holter lebt in Schwerin und ist in zweiter Ehe mit Karina Holter, einer gebürtigen Armenierin, verheiratet. Das Paar hat zwei Töchter.

Interview: Christoph Wirtz, "Stern" 36/2008